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„Houston, der Adler ist gelandet“

Vor 50 Jahren landeten die ersten Menschen auf dem Mond. Die Gesteinsproben, die die Astronauten auf ihren Apollo-Missionen gesammelt haben, liefern Geologen bis heute neue Erkenntnisse über Mondentstehung und die frühe Erde

05.06.2019

Mann auf dem Mond: Astronaut Buzz Aldrin hat einen Laserreflektor und ein Seismometer auf der Mondoberfläche aufgestellt. Im Hintergrund sind die Mondlandefähre und die amerikanische Flagge zu sehen. Das Bild entstand bei der Apollo-11-Mission 1969.

Mann auf dem Mond: Astronaut Buzz Aldrin hat einen Laserreflektor und ein Seismometer auf der Mondoberfläche aufgestellt. Im Hintergrund sind die Mondlandefähre und die amerikanische Flagge zu sehen. Das Bild entstand bei der Apollo-11-Mission 1969.
Bildquelle: NASA

Erinnern Sie sich? Es war am späten Mittag des 20. Juli 1969. Viele der Babyboomer waren gerade aus der Grundschule heimgekommen und hatten ihre Mütter gebannt vor dem Fernsehgerät vorgefunden. Körnige Schwarzweißbilder flimmerten über die Mattscheibe, untermalt von englischen Sprachfetzen und heftigem Rauschen. Und Mami sagte euphorisch „Mäuschen, guck mal! Wir landen gleich auf dem Mond!“

Geschätzt 600 Millionen Menschen waren weltweit an diesem Tag in ihren Wohnzimmern live dabei, als Neil Armstrong, Kommandant der Apollo-11-Mission, gefolgt von Buzz Aldrin, die Mondfähre Eagle verließ und den ersten Mondspaziergang unternahm. „That’s one small step for a man, one giant leap for mankind“, sagte Armstrong, als seine Füße im Mondstaub versanken – nicht ahnend, dass dieser Satz ähnlich berühmt werden würde wie Martin Luther Kings „I have a dream“. Knapp 22 Stunden dauerte der Aufenthalt der Astronauten im Mare Tranquillitatis, dem 835 Kilometer breiten Mondkrater „Meer der Ruhe“. Der dritte Mann, Michael Collins, hielt währenddessen im Orbit im Mutterschiff Columbia die Stellung. Als die Mission tags darauf mit einer Bilderbuchlandung im Pazifik endete, hatten die drei erfolgreich eine Aufgabe erfüllt, die John F. Kennedy seiner Nation 1961 gestellt hatte: nämlich noch vor Ende des Jahrzehnts einen Menschen zum Mond und sicher wieder zurück zur Erde zu bringen.

Mondgestein wird der Forschung kostenlos zur Verfügung gestellt

Mit den Passagieren wasserte in der Landekapsel auch eine heißersehnte Fracht: elf Kilogramm Mondgestein. Unscheinbar, aber für die Wissenschaft bis heute von unschätzbarem Wert. Während der sechs erfolgreichen Apollo-Missionen gelangten insgesamt 2415 Mondproben, zusammen 382 Kilogramm, auf die Erde – von lockerem Mondstaub und kilogrammschweren Gesteinsbruchstücken bis zu Bodenprofilen aus mehreren Metern Tiefe.

Die Mondgesteine wurden schon in den Siebzigerjahren mit den damals modernsten Methoden untersucht. Die US-amerikanische Weltraumbehörde NASA war jedoch weitsichtig genug zu wissen, dass erst künftige Forschergenerationen Methoden entwickeln würden, die eine präzisere Analyse der Proben und eine Verbesserung der Interpretationen ermöglicht. „Einige Mondproben sind deshalb bis heute unberührt und lagern verschlossen unter einer Schutzatmosphäre in Containern im Lyndon B. Johnson Space Center in Houston“, sagt Professor Harry Becker, Geochemiker an der Freien Universität Berlin.

Vor Becker, der sich seit 1997 mit der Kosmochemie von Meteoriten und später der des Mondes befasst, liegen eingeschweißte Proben der Apollo-Missionen 15, 16 und 17: Gesteinsstücke so groß wie Würfelzucker, manche sind auch nur größere Krümel. Ein, selten einige Gramm, mehr gibt die NASA nicht heraus. Ein Zahlencode beinhaltet Missionsnummer, Entnahmeort und weitere Details. Mondgestein der Apollomissionen ist unbezahlbar – deshalb stellt die NASA es ausgewählten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit auch kostenlos zur Verfügung.

Becker erforscht mit seinen Kollegen von der Freien Universität Berlin und Technischen Universität Berlin, dem Museum für Naturkunde Berlin, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie der Universität Münster im Sonderforschungsbereich Transregio 170 „Späte Akkretion auf terrestrischen Planeten“ vor allem die späte Phase der Erdentstehung.

„Die Entstehung des Mondes ist ein wesentlicher Teil davon“, sagt Becker. Es ist jene Phase, als die Planeten des Sonnensystems noch recht „jung“ und dem intensiven Bombardement durch kleine Planeten und Asteroide ausgeliefert waren. Damals kollidierte ein „Protoplanet“ so groß wie der Mars, genannt Theia, mit der Erde. Bei diesem gigantischen Einschlag entstanden durch die hohe Temperatur Gas und Gesteinsschmelze, die sich zunächst in der Erdumlaufbahn sammelten. In einigen hundert Jahren ballte sich das Material zum Mond zusammen. So die gängige Hypothese.

Die Erde ist älter als der Mond

Dass es auf dem jungen Mond nach seiner Entstehung einen globalen Magmaozean gegeben haben muss, wurde gleich nach der ersten Untersuchung der Proben von Apollo 11 vermutet. Der Erde erging es dabei kaum besser. „Je nach Einschlagswinkel und Masse von Theia haben in der Erde Temperaturen von 2000 bis mehr als 5000 Grad Celsius geherrscht“, sagt Harry Becker. „Zumindest ein Teil der Erde war damals von einem Magmaozean bedeckt.“

Welchen Einfluss hatte diese große Kollision auf die weitere Entwicklung der Erde? Wurden bei der großen Kollision Wasser, Kohlenstoff und Schwefel zugeführt? Oder gab es das vorher schon auf der Erde? Betrachtet man die Kraterlandschaft des Mondes, erhält man einen Eindruck, wie unser Planet früher einmal ausgesehen haben muss.

„Denn die Plattentektonik der Erde bewirkt, dass sich ein Großteil ihrer Oberfläche alle 150 bis 200 Millionen Jahre erneuert. Auf den Kontinenten haben wir zwar noch Erdkruste, die bis zu vier Milliarden Jahre alt ist. Doch die Erde ist älter als der Mond“, erläutert Becker. „Ein wesentlicher Teil der frühen Erdgeschichte fehlt uns also. Daher ist es so wichtig, andere Himmelskörper wie den Mond zu untersuchen.“

Die winzige Kugel aus Eisenmetall, die Forscher der Freien Universität aus dem Mondgestein freipräpariert haben, widerlegt Theorien, nach denen es die Mondlandung nie gegeben hat.

Die winzige Kugel aus Eisenmetall, die Forscher der Freien Universität aus dem Mondgestein freipräpariert haben, widerlegt Theorien, nach denen es die Mondlandung nie gegeben hat.
Bildquelle: Freie Universität Berlin

Das Alter des Mondes wird auf etwa 4,5 Milliarden Jahre geschätzt. Unklar ist jedoch, wie schnell der Magmaozean abkühlte. Bisher glaubte man innerhalb von zehn Millionen Jahren. „Unsere Kollegin Doris Breuer vom DLR hat jedoch anhand von Simulationen ermittelt, dass es auch 100 bis 200 Millionen Jahre gedauert haben könnte“, sagt Harry Becker. Das würde die bisher rätselhafte Lücke zu den ältesten datierten Mondgesteinen – 4,35 bis 4,4 Milliarden Jahre – erklären.

„Denn erst wenn Magma zu Gestein kristallisiert ist, kann man es anhand des natürlichen radioaktiven Zerfalls bestimmter Elemente darin datieren.“ Es ist quasi die Geburtsstunde eines Gesteins, auf die Geologen später anhand von Isotopenmessungen zurückrechnen können. Erst seit wenigen Jahren gelingt es, mit Ionenstrahlen gezielt mikrometerkleine Bereiche aus Dünnschliffen des Mondgesteins herauszuschießen, chemisch zu analysieren und genauestens zu datieren.

Asteroiden hinterließen gigantische Einschlagsbecken

Der Mond hat sein Gesicht seit seiner Entstehung zuerst stark, zuletzt aber kaum noch verändert. Und genau wie die Erde gewinnt er durch kosmischen Staub und unzählige Meteoriteneinschläge immer noch an Masse. Er ist übersät mit Kratern. Einige stammen von großen Asteroiden und hinterließen riesige Einschlagsbecken wie das Mare Imbrium. Durchmesser: 1146 Kilometer, eine Fläche doppelt so groß wie Deutschland.

Die Erde wurde sogar noch stärker bombardiert. Aber anders als der Mond entwickelte sie später eine sauerstoffhaltige Atmosphäre und verfügt über große Ozeane. Deshalb gibt es hier „Wetter“: Wind, Regen und damit auch Erosion. Zudem erzeugt die Biosphäre, die ständig im Werden und Vergehen ist, immer wieder neues Erdreich, das die Narben der Einschläge überdeckt.

Dabei gab es die letzten großen Einschläge aus Geologensicht erst kürzlich. Der Einschlag, der das 25 Kilometer breite Nördlinger Ries an der Grenze zur Schwäbischen Alb formte, liegt „nur“ 14 Millionen Jahre zurück. „Der Asteroid, der das Ries formte, hatte wohl einen Durchmesser von einem Kilometer und zu Glas geschmolzenes Gestein bis nach Tschechien geschleudert“, sagt Becker. „Man kann sich vorstellen, was solch ein Ereignis heute für ein Industrieland bedeuten würde.“

Das war aber nichts gegen den Einschlag auf der mexikanischen Yukatan-Halbinsel, der vor 66 Millionen Jahren wahrscheinlich für das Aussterben der Dinosaurier mitursächlich war. Sein heute größtenteils erodierter und von Sediment bedeckter Krater ist 150 Kilometer breit, damit aber noch um einiges kleiner als der Vredefort-Krater in Südafrika, der 320 mal 130 Kilometer misst. Letzterer entstand vor zwei Milliarden Jahren.

„Solche Einschläge kann es in größeren Zeitintervallen immer wieder geben“, betont Becker. Aber selbst kleinere Asteroide seien nicht ungefährlich, weswegen ein aktives Beobachtungsprogramm der Raumfahrtorganisationen existiert. „Zwar richten die kleinen weniger Schaden an, aber man entdeckt sie auch viel später.“ Anders als im Hollywoodfilm „Deep Impact“ würde man dieser Bedrohung kein bemanntes Raumschiffmit der Mission „Sprengen!“ entgegenschicken. „Ist ein solcher Körper weit genug entfernt, reicht es, eine Sonde mit ihm kollidieren zu lassen, damit er einen Kick bekommt und seine Flugbahn so ändert, dass er die Erde verfehlt.“

Fakten belegen: Der Mensch war auf dem Mond

Auch wenn manche es bezweifeln: Dafür, dass Menschen auf dem Mond gelandet sind, gibt es viele geologische Fakten. Etwa jene Gesteine aus den Einschlagsbecken. Bei großen Einschlägen schmolz ein Teil der Mondkruste, und das Eisenmetall aus dem Asteroiden formte dabei kleine Kugeln. „Bei vergleichbaren Einschlägen auf der Erde oxidiert das Metall wegen der sauerstoffhaltigen Atmosphäre extrem schnell“, erklärt Harry Becker. „Im Mondgestein finden wir jedoch diese winzigen unverwitterten vier Milliarden Jahre alten Metallkügelchen.“ Ja, wir waren tatsächlich da oben.