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Haut und Psyche – eine stressige Beziehung

Psychoneuroimmunologin Eva Peters untersucht an der Justus-Liebig-Universität in Gießen in Kooperation mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Immunsystem und Hautkrankheiten beim Menschen

19.04.2020

Wie ein Hamster im Laufrad. So fühlen sich viele gestresste Menschen. Welcher Zusammenhang zwischen dem Erleben von Stress und der Haut besteht, wird in einem medizinischen Kooperationsprojekt erforscht.

Wie ein Hamster im Laufrad. So fühlen sich viele gestresste Menschen. Welcher Zusammenhang zwischen dem Erleben von Stress und der Haut besteht, wird in einem medizinischen Kooperationsprojekt erforscht.
Bildquelle: Dalius Baranauskas | Lizenz: CC 3.0

Es gibt Tage, da schaut man in den Spiegel und denkt: „Hey! Heute siehst du aber gut aus! Irgendwie energiegeladen und strahlender als sonst.“ Bei der Arbeit lief alles bestens, und abends reichte der Schwung sogar für den Sportkurs. Und dann gibt es jene Momente, an denen man sein Spiegelbild eher meidet, weil man weiß: Das ist einfach nicht mein Tag – seit dem Morgen gab es Stress pur.

Im ersten Fall ist die Haut rosig durchblutet und ebenmäßig, im zweiten Fall fahl, fleckig und ohne Spannkraft. Denn die Haut ist ein guter Spiegel der Seele. „Sie ist eben nicht nur Schutzschicht gegen die Außenwelt, sondern auch die Verpackung unserer Persönlichkeit und ein wichtiges Kommunikationsorgan“, sagt Eva Peters. Die Doppelfachärztin für Dermatologie und Psychosomatische Medizin leitet die Arbeitsgruppe „Psychoneuroimmunologie“ an der Universität Gießen und ist an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik der Charité zuständig für die Forschungskoordination Labor. Ihre Schwerpunkte sind Neurodermitis, Psoriasis, Hautkrebs sowie Hautphänomene bei Menschen mit psychosomatischen Erkrankungen.

Die Haut ist das größte Organ des Menschen

Rosig und glatt oder fahl und fleckig – ausgelöst werden können beide Hautbilder durch Stress. Unsere Stimmung verrät uns, ob es eher positiver oder negativer Stress war. „Interessanterweise schüttet der Körper in beiden Fällen dieselben Botenstoffe aus: Cortisol, Adrenalin, Noradrenalin und andere“, sagt Eva Peters. Diese Stressbotenstoffe ermöglichen es dem Menschen, sich Stresssituationen anzupassen, etwa indem Energiereserven mobilisiert werden.

Die Haut ist das größte menschliche Organ und ihre Hauptaufgabe ist es, den Körper rundherum zu schützen. Doch diese Barriere gegen schädliche Umwelteinflüsse wie Bakterien und Viren wird vor allem durch negativen Stress beeinträchtigt. Er schwächt die Anpassungsfähigkeit des Immunsystems. Durch akuten Stress kann sich das verschärfen. Und so bekommt, wer kein „dickes Fell“ hat, zum Beispiel einen neuen Psoriasis-Schub, oder die bereits überwunden geglaubte Akne flammt erneut auf.

Stress kann eine Vielzahl an Reaktionen auslösen

Auf so eine akute Immunantwort folgt in der Regel die erworbene Immunabwehr. Sie ist spezifischer als die angeborene. Sie entstehe, wenn der Körper nicht im Schnellschuss reagieren muss, sondern Zeit habe, sich an einen Keim zu gewöhnen, sagt Eva Peters. „Etwa während einer Schwangerschaft. Um den ,Fremdkörper’ Embryo, der zur Hälfte aus genetisch fremdem Material besteht, besser zu tolerieren, wird das akute Alarmsystem heruntergefahren und die spezifische Immunantwort aktiviert.“

Diese Immunantwort macht allerdings auch Fehler, reagiert heftig auf etwas, was den Körper gar nicht krank macht. Nicht selten entwickeln Schwangere dann Allergien. Die Haut reagiert nun zum Beispiel bei Kontakt mit gewohnten Kosmetikinhaltsstoffen mit einer Entzündungsreaktion – mit Rötungen, Schwellungen und Juckreiz. „Chronischer Stress bewirkt Ähnliches“, sagt die Immunologin. „Mitten im Leben treten dann erstmals Allergien auf, eine Neurodermitis entsteht oder auch Asthma oder Heuschnupfen.“

Hinweise legen nahe, dass chronischer Stress zu Hautkrebs führen kann

Kann chronischer Stress auch Hautkrebs auslösen? „Über diese Frage wird kontrovers diskutiert. Zumindest kann er bereits ausgebrochenen Krebs verschlimmern. Das angeborene Immunsystem eines Gesunden zerstört pro Tag etwa 10 000 Tumorzellen.“ Eine Leistung, die es unter Dauerstress vielleicht nicht mehr erbringen kann

„Zahlreiche Hinweise aus der aktuellen Forschung legen diesen Schluss nahe: Kollegen in den USA haben zum Beispiel im Tiermodell nachgewiesen, dass Mäuse, bei denen eine Bestrahlung der Haut weißen Hautkrebs auslöste, unter Stress deutlich schneller Krebs entwickelten. Bei Mäusen, denen Melanomzellen injiziert wurden und die anschließend täglich Stressreizen ausgesetzt waren, konnten deutlich mehr Metastasen nachgewiesen werden als bei Vergleichstieren.“

Stress sei nie nur gut oder schlecht, es sei immer eine Frage der Dosierung und ob der Körper Zeit habe, sich anzupassen, sagt Eva Peters: „Gibt es Ruhephasen, um den Stress zu verarbeiten und sich zu erholen, ist der Körper für eine neue Aktivierung bereit. Bin ich aber im Daueralarmzustand, führt das geradewegs in den Burn-out oder in eine Depression.“

In der Hautsprechstunde geht es auch um den Alltag der Patienten

Das Thema Achtsamkeit, das in der Gesellschaft viel Aufmerksamkeit erhalte, sei leider in der Medizin noch nicht richtig angekommen. Wenn zum Beispiel ein Patient mit einer Pilzinfektion zum Hautarzt komme, erwarte er eine Salbe, die er dann meistens auch erhalte. Für die Wissenschaftlerin greifen Diagnose und Therapie dabei aber oft zu kurz: „Dem niedergelassenen Dermatologen erlaubt sein Budget nur wenige Gesprächsminuten für den einzelnen Patienten. Für eine gute Anamnese braucht es jedoch mindestens eine halbe Stunde.“ Hat der Mensch den Pilz, weil er alt ist und ihn niemand richtig pflegt? Oder liegt sein Immunsystem brach, weil er im Dauerstress ist? „In beiden Fällen kann ich ein Fungizid verschreiben. Fragt sich nur, ob es auch hilft“, sagt Peters.

In ihrer Hautsprechstunde nimmt sich die Wissenschaftlerin die Zeit nachzufragen: Wie ist die Arbeits- und Lebenssituation? Schläft der Patient gut oder schlecht? Wie ist seine Stimmung? „Mein Job ist es herauszufinden, wie viel Psychosoziales in das Dermatologische hineinspielt. Manchmal nichts – manchmal sehr viel. Aber eigentlich doch immer etwas.“

Stehen eine Überlastung oder Depression im Vordergrund, gelte es, dies gemeinsam mit dem Patienten herauszuarbeiten. Meist falle den Menschen dann selbst auf, dass ihre Neurodermitis etwa während der Examenszeit schlimmer geworden sei oder als ihre Beziehung auseinanderbrach. „Wenn sie diesen Zusammenhang erkennen, hat man den Fuß in der Tür, die Hauterkrankung auch bearbeiten zu können.“

In der Psychosomatik gibt es kein „entweder oder“

Eine psychosomatische Grundausbildung, wie sie sich Eva Peters nicht nur bei Dermatologen wünscht, ist nicht Teil der Medizinerausbildung. Im Modellstudiengang Medizin der Charité unterrichtet sie „Ärztliche Kommunikation“. Die Studierenden sollen eine Vorstellung davon bekommen, was es heißt, wenn der ganze Mensch krank ist und nicht nur ein Organ. „Körper oder Seele? In der Psychosomatik vertreten wir den Standpunkt: Es gibt kein entweder oder!“ De facto sei es oft ein interaktives Problem, so Peters. Selbst ein gebrochenes Bein komme ja nicht allein in die Notaufnahme. Auch da spiele die psychische Verfassung oft eine Rolle: „Wir verletzen uns in stressreichen Zeiten überdurchschnittlich häufig.“

Maximale Entspannung ist übrigens auch keine Lösung. Es gelte eher, das richtige Maß an Stress für sich persönlich zu finden, empfiehlt die Immunologin. Ob es zu viel oder zu wenig sei, signalisierten Körper und Seele. Man müsse die Zeichen nur deuten: „Ist meine Stimmung im Keller, und der Körper gibt Alarmzeichen wie Schmerz oder Juckreiz, war es definitiv zu viel.“ Und manchmal reicht auch der Blick in den Spiegel.