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Erfindungen nutzbar machen

Der Patent- und Lizenzservice (PULS) ist Anlaufstelle für den Schutz und die Verwertung von Forschungsergebnissen

02.07.2021

Zündende Idee. Forschungsergebnisse und Erfindungen münden zuweilen in zunächst nicht absehbare Anwendungen.

Zündende Idee. Forschungsergebnisse und Erfindungen münden zuweilen in zunächst nicht absehbare Anwendungen.
Bildquelle: pexels / andrea piacquadio

Man kann sich Andreas Schoberth als Vermittler vorstellen: oder als Schnittstelle zwischen dem ergebnisoffenen Abenteuer Wissenschaft auf der einen Seite und der praktischen Anwendung von Forschungsergebnissen auf der anderen. Denn die Forschung ist frei – wenn aber Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf etwas stoßen, das sich praktisch anwenden oder kommerziell verwerten lässt, dann kommen Andreas Schoberth und sein Team ins Spiel. Der promovierte Jurist leitet den Patent- und Lizenzservice (PULS) der Freien Universität.

Wenn Beschäftigte einer Universität im Rahmen ihrer Arbeit etwas erfinden, gilt dies als „Diensterfindung“, was so viel heißt wie: Sollte sich die Sache patentieren lassen, dann kann die Universität das Patent für sich beanspruchen und muss dann auch ein Patent darauf anmelden. Eigentümerin des Patents ist die Universität. Die Erfinderinnen und Erfinder werden in der Patentanmeldung genannt, und sie bekommen 30 Prozent an etwaigen Geldflüssen, die aus einer kommerziellen Verwertung einer Erfindung erwachsen.

Der Weg zum Patent

Ein Patent handelt nicht vom geistigen Eigentum an sich, sondern von einer Technologie, die sich verwerten lässt: von Wissenschaft, die zum Produkt wird. Wie muss man sich das praktisch vorstellen? Andreas Schoberth skizziert den Prozess so: „Zunächst wird jede Erfindung in technischer Hinsicht und auf Patentfähigkeit geprüft. In unserem Team ist dies Aufgabe von Andrea Hübner, unserer Patentingenieurin, die mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern diskutiert: Ist etwas neu? Und ist es technologisch so ausgereift, dass es eine konkrete Anwendung dafür geben kann? Tatsächlich neue und vielversprechende Erfindungen werden mit einem Patentanwalt diskutiert und als Patent angemeldet.“

Je ausgereifter die Entwicklung ist, desto eher kann Ausschau nach einem Unternehmen gehalten werden, das entweder mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammenarbeitet, das Patent als Ganzes kauft oder eine Lizenz erwirbt, es nutzen zu dürfen.

Die meisten Patente stammen aus den Lebenswissenschaften, der Chemie und Physik

„Die meisten Patente, die die Freie Universität hält, stammen aus dem Bereich der Lebenswissenschaften und der Chemie sowie der Physik, aber auch die Informatik ist im Kommen“, erläutert Andreas Schoberth. Dass es aus den Geowissenschaften eine Erfindung im Bereich der Ausgrabungstechnik gibt, komme vor, es sei aber eher die Ausnahme.

Ein prominentes Beispiel für ein jüngst angemeldetes Patent der Freien Universität entstand in internationaler Kooperation: Es geht um eine zusammen mit der Universität Oxford entwickelte Technik zur schonenden Lösung von Proteinen aus der Membran einer Zelle, die für die Entwicklung von Medikamenten von großer Bedeutung ist: Dem deutsch-britischen Team gehören von der Freien Universität Gruppen um die Chemie-Professoren Kevin Pagel und Rainer Haag vom Institut für Chemie und Biochemie an; sie hatten die Technik mit einer Kollegin und einem Kollegen aus Oxford entdeckt, woraufhin die beiden Universitäten ein gemeinsames Patent anmeldeten. Mittlerweile wurde es an eine Ausgründung aus der Oxford University lizenziert – das Unternehmen „OMass Therapeutics“ – mit dem Ziel, eine kommerzielle Anwendung zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.

Rechtlich sind einige Fristen zu beachten

„Eine Patentanmeldung muss eingereicht werden, bevor es zur wissenschaftlichen Veröffentlichung kommt“, betont Andrea Hübner. Nur so könne die spätere exklusive kommerzielle Nutzung durch Verwertungspartner rechtlich abgesichert werden. Ein Patent selbst gelte als zusätzliche wissenschaftliche Publikation.

Bei manchen Forschungsgruppen schließt ein Patent an das nächste an, etwa in der Halogen-Forschung des Chemieprofessors Sebastian Hasenstab-Riedel. „Hier konnte die Freie Universität gleich mehrere Patentfamilien anmelden, die an einen Industriepartner auch verkauft wurden“, erläutert Andreas Schoberth.

Symbiose von Grundlagenforschung und kommerzieller Verwertung

Sind denn nicht manchmal auch Konflikte zwischen Grundlagenforschung und der kommerziellen Verwertung von Forschungsergebnissen denkbar? PULS-Leiter Andreas Schoberth schließt dies für die Freie Universität aus: „Bei uns herrscht Forschungsfreiheit, wir schreiben niemandem vor, in welche Richtung und ob überhaupt anwendungsbezogen geforscht werden soll.“

Manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hätten eher praktische Probleme im Blick, die einer Lösung harren; andere widmeten sich grundlegenden Fragen, die von einer Anwendung weit entfernt sind. „Aber manchmal verbindet sich das eine mit dem anderen in unerwarteter Weise“, konstatiert der Jurist.

Ein Beispiel sei eine Entdeckung der Arbeitsgruppe von Professor Matthias Melzig und Alexander Weng in der Pharmazie gewesen, die eigentlich relativ allgemein in Pflanzen nach pharmakologisch einsetzbaren Wirkstoffen gesucht habe, dabei aber herausfand, dass bestimmte Teilchen, die Saponine, hervorragend in der Krebstherapie eingesetzt werden können.

Sehr bald habe sich ein Unternehmen gefunden, erinnert sich Andreas Schoberth, das zunächst zwei weitere Jahre Forschung an dem Thema finanzierte, woraus gleich weitere Patente entstanden seien. „Daraus wurde dann die Mitarbeit in einem größeren Konsortium, mit dem Drittmittel von der Europäischen Union von erheblichem Umfang eingeworben werden konnten.“

Je näher eine Erfindung ihrer konkreten kommerziellen Anwendung und Verwertbarkeit komme, desto eher entstünden daraus weitere Patente, hebt Andreas Schoberth hervor.

Oft werden an der Uni Grundlagenpatente angemeldet

Fließt der Freien Universität durch Patente viel Geld zu? Nun, sagt Schoberth, es gebe wohl einzelne Patente, die sehr wertvoll seien. Aber häufiger sei es eher so, dass die Ergebnisse universitärer Forschung „in einem sehr frühen Entwicklungsstadium“ stünden. „Auf diese werden vor allem Grundlagenpatente angemeldet“, erläutert Andreas Schoberth, „von denen ist es bis zur kommerziellen Verwertung oft noch ein weiter Weg, für den alle Beteiligten einen langen Atem brauchen.“