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Auf der Suche nach dem passendenWort

Eine Online-Audioreihe am Exzellenzcluster „Temporal Communities“ bietet Einblick in das literarische Übersetzen

Nr. 730/2021 vom 02.07.2021

Die Audioreihe „Übersetzen im Gespräch - Translation Talks“ vermittelt die schöpferische, zuweilen mühselige Arbeit des Übersetzens.

Die Audioreihe „Übersetzen im Gespräch - Translation Talks“ vermittelt die schöpferische, zuweilen mühselige Arbeit des Übersetzens.
Bildquelle: pexels-stas-knop

Die Abenteuer des Don Quijote, Geschichten von tausend und einer Nacht oder Harry Potters Kampf gegen Lord Voldemort – literarische Welten öffnen sich neuen Leserschaften oft erst durch Übersetzung. Literarische Texte von einer Sprache in eine andere zu übertragen, ist dabei immer die Suche nach dem passenden Wort. Übersetzerinnen und Übersetzer müssen Textbedeutungen dechiffrieren und sie in einer anderen Sprache rekonstruieren. Sie erschaffen den Text quasi noch einmal neu, müssen dem Original aber gerecht werden.

Die Arbeit des Übersetzens selbst wird hör- und sichtbar

„Eine große Herausforderung ist es, Anspielungen, Bezüge und Mehrdeutigkeiten nachzubilden und Kontexte nachvollziehbar zu machen“, sagt Cornelia Ortlieb, Professorin für Neuere deutsche Literatur an der Freien Universität. „Übersetzung ist immer ein Aushandlungsprozess, bei dem Bedeutungen, Wortspiele, Rhythmus und Klangstrukturen auch verloren gehen können.“

Die zuweilen mühselige Arbeit könne aber dabei helfen, Texte – auch die Eigenart der Sprache selbst – besser zu verstehen. Das vermittelt eine neue Audio-Reihe der Freien Universität: „Übersetzen im Gespräch| Translation Talks“ unter Federführung von Cornelia Ortlieb und Felicitas Pfuhl. Die Reihe macht die vielfältige, anspruchsvolle, manchmal nervenaufreibende, aber vor allem bereichernde Übersetzungsarbeit am Beispiel literarischer Texte verschiedener Gattungen hör- und sichtbar.

Cornelia Ortlieb hatte die Idee, zusammen mit Kolleginnen und Kollegen im Rahmen ihres Projekts „A Dialogue from Time to Time / Dialog von Zeit zu Zeit“ des literaturwissenschaftlichen Exzellenzclusters „Temporal Communities“ die Vielfalt der Sprachen in einer Feature-Serie erlebbar zu machen. Das Konzept: Am Anfang von etwa halbstündigen Folgen lesen Autorinnen und Autoren sowie Übersetzerinnen und Übersetzer literarische Texte im Original und in der Übersetzung. Anschließend reflektieren sie den Prozess der Übertragung – als Monolog oder im Dialog.

Sprachliche Möglichkeiten und Hürden bei der Gedichtübersetzung

Die erste Ausgabe ist dem französischen Lyriker Stéphane Mallarmé gewidmet. Die Übersetzerinnen Kristin Sauer, Katherina Scholz, Cornelia Ortlieb, Christin Krüger und Vera Vogel rezitieren kurze, raffinierte und heitere „Gelegenheitsgedichte“ des Dichters aus dem späten 19. Jahrhundert – auf Französisch, anschließend auf Deutsch.

Das Ziel ihrer Kommentare ist es, verschiedene Formen des Übersetzens gegenüberzustellen, um aufzuzeigen, welche sprachlichen Möglichkeiten sich ergeben und welche Hürden sich bei der Textarbeit auftun.

Der literarisch-geografische Horizont wird in der zweiten Folge erweitert: Die syrische Autorin Rasha Abbas spricht auf Englisch mit ihrer deutschen Übersetzerin Sandra Hetzl über ihre arabischsprachigen Kurzgeschichten. Die Autorin und die Übersetzerin diskutieren dabei mit viel Witz und Feingefühl über die Eigenheiten der verschiedenen Sprachen.

Im dritten Podcast stellt Lea Schneider, Lyrikerin, Übersetzerin und Doktorandin mit eigenem Projekt am Exzellenzcluster „Temporal Communities“, ihre Übersetzung eines Gedichts des chinesischen Autors Sun Wenbo vor.

Den Klang wirken lassen

Weitere Ausgaben des Podcast sollen folgen. Sie erscheinen seit April monatlich und richten sich an alle, die sich für Sprache und Literatur begeistern. „Es ist schon vor der Erklärung eines Textes ein besonderes Erlebnis, Verse und Sätze in einer fremden Sprache vorgelesen zu bekommen und den Klang wirken zu lassen“, betont Cornelia Ortlieb.

Es geht darum, Geheimnisse der Texte zu lüften, die Feinheiten und Tiefe der Sprache zu erfahren, Hörgewohnheiten zu durchbrechen und Neues kennenzulernen. Das Übertragen selbst kann als eine Form kreativer Autorschaft verstanden werden – als eine Kunst, die größere Anerkennung verdient.