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Die Freiwillige Klimafeuerwehr

Die Forschungsstelle für Umweltpolitik der Freien Universität unterstützt Kleinstädte dabei, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu ergreifen

28.09.2021

Bitte wässern. Bäume in Städten drohen in heißen Sommern einzugehen.

Bitte wässern. Bäume in Städten drohen in heißen Sommern einzugehen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Klimawandel ist, wenn jeden Sommer etwas passiert. Im Jahr 2018 gab es zwar keine dramatischen Bilder wie bei den Überschwemmungen in diesem Jahr. Doch eine Hitzewelle hatte dramatische Folgen: Mehr als 20 000 Menschen über 65 Jahre seien 2018 in Deutschland an den Folgen von Hitze gestorben, berechnete eine Studie, die in der medizinischen Zeitschrift „The Lancet“ erschien.

Umso wichtiger werden Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, der eben nicht erst im Jahr 2050 eine Zunahme von Hitzetagen oder Überflutungen bewirken wird, sondern schon jetzt greifbar und erfahrbar ist. Wie können ganze Städte, ihre Gebäude, Straßen und Grünflächen so angepasst werden, dass sie besser gegen die Herausforderungen durch den Klimawandel gewappnet sind? Und wie können Kommunen, Landkreise und ganze Bundesländer abwägen und entscheiden, welche Maßnahmen sinnvoll sind und wie knappe Ressourcen am besten eingesetzt werden können?

Kühler Kopf in heißen Zeiten

Klaus Jacob, promovierter Forschungsleiter am Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin, hat dafür das Projekt „GoingVis – mit kühlem Kopf in heißen Zeiten“ entwickelt; es soll Kleinstädte in Deutschland dabei unterstützen, Klimaanpassungsmaßnahmen zu ergreifen.

„GoingVis“geht von der Prämisse aus, dass die politischen Institutionen in Deutschland zwar wichtige Strategien wie die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) entworfen haben, diese aber vielfach noch nicht ausreichend handlungswirksam werden. „Besonders in peripheren Kleinstädten“, sagt Klaus Jacob, „gibt es oft nicht die Verwaltungskapazitäten, ein Gesamtkonzept für Klimaanpassungsmaßnahmen zu entwickeln.“ Das liege daran, dass oft Personal fehle, dass man schon mit dem „normalen“ Verwaltungsalltagausgelastet sei und dass es vor Ort zumeist keine Forschungseinrichtungen gebe, die mitwissenschaftlichem Know-how dienlich sein könnten.

Weil die Verwaltung der Kleinstädte es allein vielfach nicht schafft, hat Klaus Jacob zusammen mit der Politikwissenschaftlerin Nicole Mitchell und anderen einen Ansatz entwickelt, der die Zivilgesellschaft einbezieht. Ziel ist das gemeinsame Wirken von Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung, wodurch eine Stadt nicht nur besser für zunehmende Hitze und Dürre gewappnet ist, sondern zugleich auch noch lebenswerter wird.

Nicole Mitchell sagt: „In der Debatte um Klimawandel-Anpassung in Großstädten liegt der Fokus darauf, die Städte durch Städtebau und Architektur so zu gestalten, dass der Hitzeinsel-Effekt vermieden wird“, also jenen Effekt, der bewirkt, dass es im Sommer in Städten heißer ist als auf dem Land: Weil die Luft nicht zirkulieren kann, weil Gebäude und Straßenbelag Hitze speichern und weil Bäume fehlen, die Schatten und Verdunstung spenden.

Was hilft gegen Hitze? Bäume pflanzen und gießen

Dazu beitragen, Hitzefolgen zu verringern und das Wohlbefinden in Städten zu steigern, können aber auch ganz einfache Maßnahmen wie Baumbepflanzung oder ein verändertes Gießverhalten, um bestehende Grünflächen und Baumbestand zu erhalten.

Viele haben das Bild vielleicht schon in den sozialen Medien gesehen: Eine Straße im Hochsommer, auf der Temperaturangaben die krassen Unterschiede herausstellen, die zwischen einer von Bäumen verschatteten Straße und einer reinen Asphaltwüste bestehen. Die Bäume filtern ja nicht nur die Luft und wandeln Kohlendioxid in Sauerstoff um, sie wirken auch wie eine Klimaanlage für draußen und können die Temperatur um bis zu vier Grad abkühlen. Mit anderen Worten: Sie können Leben retten, wenn die nächste Hitzewelle die Stadt in die Mangel nimmt.

Die eigene Stadt mitgestalten 

Das Verbundprojekt „GoingVis“ versucht zu verstehen, welche Besonderheiten kleine Städte mitbringen, um sich diesem Thema zu nähern. Um die gemeinsame Entwicklung von Anpassungsaktivitäten, ausgehend von der Stadtgesellschaft, zu aktivieren, sind Mitchell und Jacob in Boizenburg an der Elbe, einer der beiden Partnerstädte des Projekts GoingVis, so vorgegangen, dass sie zunächst eine „Zukunftswerkstatt“ veranstalteten. Schülerinnen und Schüler ebenso wie Seniorinnen und Senioren, Sportvereine und Kleingärtner, politische Fraktionen und zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger nahmen teil.

Nicole Mitchell sagt: „Die Leute sprangen nicht unbedingt auf die Herausforderung der Klima- bzw. Hitzeanpassung an, sondern eher auf die Frage: Wie können wir teilhaben an der Gestaltung unserer Stadt und diese lebenswerter machen? Wie können wir die Lebensqualität in unserer Stadt trotz Klimawandel halten oder sogar verbessern?“

Klaus Jacob führt aus, dabei hätten sich bald viele Möglichkeiten aufgetan, wie die Bürgerinnen und Bürger selbst „das Heft des Handelns in die Hand nehmen konnten und sagen: Wir kümmern uns jetzt selbst um die Grünanlagen, um die Gestaltung des Stadtparks oder die Verschattung und Begrünung von Bushaltestellen.“

Eine Freiwillige Klimafeuerwehr

Natürlich wolle man damit nicht die Aufgaben des Staates oder der öffentlichen Verwaltung den Bürgerinnen und Bürgern aufladen, sagt Klaus Jacob. Er beobachte aber eine spannende Dynamik: „Es verknüpft sich die Einsicht, dass etwas in Sachen Klimaanpassung getan werden muss, mit der Erkenntnis, dass die Stadtverwaltung, so wie sie aufgestellt ist, das nicht leisten kann. Und zugleich verbindet sich das mit der Suche nach sozialem Zusammenhalt. Das eröffnet neue Potenziale, und die Leute arbeiten daran sehr gern zusammen mit.“

Es ist fast wie eine Freiwillige Klimafeuerwehr, die dabei entsteht: Nur dass man keine Brände löscht, sondern beschließt, einen Flusslauf zu renaturieren. Oder einen Wasserspielplatz zu bauen, zur Abkühlung für die kommende Hitze.