„Ich habe es geschafft!“
Sechs Jahre nach der Flucht aus Syrien hat Loay Lahham sein Pharmaziestudium erfolgreich abgeschlossen
28.09.2021
Loay Lahham erinnert sich noch sehr genau an den Moment, in dem er sich entschied, aus Syrien zu flüchten. Es ist Oktober 2014, als ein Freund und Kommilitone von Lahham auf dem Weg zur Kirche von einer Bombe tödlich getroffen wird. Es ist dieselbe Kirche, die der damals 21-Jährige besucht. „Da war für mich klar: Ich muss hier raus“, sagt Loay Lahham.
Viel hat sich seitdem verändert: Sechs Jahre später trägt Lahham die deutsche Staatsbürgerschaft, hat einen Abschluss in Pharmazie in der Tasche; er hat einen Arbeitgeber gefunden und in seiner neuen Heimat viele Freunde gewonnen.
Seinen Erfolg hat sich Loay Lahham hart erarbeitet. Sein Weg führt ihn nach seiner Flucht 2015 zunächst zu seinem Cousin nach Frankreich. Schnell möchte Loay Lahham sein Pharmazie-Studium wieder aufnehmen. Drei Jahre hat der Syrer in Damaskus bereits studiert, zählte zu den Besten seines Jahrgangs, wie er sagt. Weil die Anerkennung seines Einser-Schulabschlusses in Frankreich schwierig ist, zieht Loay Lahham weiter nach Deutschland. Er spricht damals, 2015, kein Wort Deutsch, kennt in diesem Land niemanden.
Auf der Suche nach dem richtigen Ort in Deutschland
„Es waren ganz schwierige Zeiten. Ohne Freunde. Ich war neu in der Stadt und habe meine Heimat vermisst“, erzählt Loay Lahham. Im nordrheinwestfälischen Hückelhoven und in Duisburg besucht er einen Sprachkurs, ein Jahr insgesamt. Er findet Freunde: in einer Kirche, die er hier besucht, und bei den Pfadfindern, bei denen er sich engagiert. Mit dem Abschluss des Sprachkurses bewirbt er sich im Frühjahr 2016 für ein Pharmaziestudium. Die erste Zusage kommt aus Marburg. Loay Lahham zieht in die Stadt an der Lahn. Aber schon nach ein paar Tagen merkt er: Die Stadt ist ihm zu klein, er möchte in eine große Stadt. Nach Berlin. Mit dem Zulassungsbescheid von der Freien Universität beginnt für Loay Lahham ein neues Leben.
An der Freien Universität im Südwesten der Hauptstadt nimmt er im Herbst 2016 das Pharmazie-Studium auf. „Das war natürlich komplett auf Deutsch. Das war hart. Selbst für Muttersprachler ist Pharmazie kein einfaches Studienfach. Ich habe zu Beginn vielleicht die Hälfte verstanden von dem, was in den Vorlesungen gesagt wurde“, sagt Loay Lahham. Mit der Hilfe seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen, die ihm Teile auf Englisch übersetzen und Fragen beantworten, wird es von Semester zu Semester einfacher für ihn.
Er erhält das „Welcome“-Stipendium der deutschen Universitätsstiftung, engagiert sich ehrenamtlich bei der Diakonie als Dolmetscher und hilft so anderen Geflüchteten bei ihrer Ankunft in Deutschland. Er lebt in einem der Wohnheime des Studierendenwerks Berlin. Von 2017 an arbeitet er hier als Tutor, unterstützt andere Geflüchtete und neue Studierende in Berlin bei Behördengängen und Arztbesuchen. „Das war eine tolle Zeit. Ich konnte anderen helfen, und im Wohnheim kannte mich jeder, weil ich dort auch Veranstaltungen und Spieleabende organisiert habe“, sagt Loay Lahham über seine Jahre im Wohnheim. Im Gespräch wirkt er glücklich und ausgelassen. Sein Lachen ist ansteckend, man kann sich gut vorstellen, wie er aus Fremden Freunde macht. Dass Loay Lahham andere unterstützt, hält er für ganz selbstverständlich. Damit möchte er auch etwas zurückgeben: „Ich hatte das Glück, von Leuten umgeben zu sein, die mir geholfen haben. Sonst hätte ich es nicht schaffen können“, sagt er.
Großer Fleiß, der sich gelohnt hat
Im Sommer dieses Jahres hat Loay Lahham die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Für ihn ein ganz besonderer Moment. „Die Mitarbeiterin im Amt, die die Staatsbürgerschaft ausstellte, sagte, ich sei ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Das hat mich schon stolz gemacht.“
Sein praktisches Jahr für den Abschluss des Pharmazie-Studiums absolviert er in einer Apotheke und einem großen Pharma-Unternehmen in Nordrhein-Westfalen. Dort, bei Johnson & Johnson, wird er nach seinem Abschluss auch einen Job finden. „Das war eine wahnsinnig anstrengende Zeit. Zu arbeiten und sich gleichzeitig auf die Abschlussprüfung vorzubereiten.“ Aber die Mühe zahlt sich aus: Im Juli dieses Jahres besteht Loay Lahham das Dritte Staatsexamen an der Freien Universität.
Einen Tag nach seiner Prüfung – Loay Lahham und seine Freunde feiern das Ende ihres Studiums mit einen Trip nach Spanien – verfasst er auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn einen Beitrag: „Ich kann es laut sagen: ICH HABE ES GESCHAFFT!“ Mehr als 10.000 Personen gefällt das Posting, in dem der gebürtige Syrer von seinem Erfolg in einem zunächst fremden Land berichtet. Fast 500 Kommentare, in denen Nutzerinnen und Nutzer der Plattform ihm gratulieren und seine Leistung anerkennen. Mit dieser großen Resonanz habe er nicht gerechnet. „Ich bin Deutschland und jedem, der mir auf diesem Weg geholfen hat, so dankbar!“