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Grundlagenforschung zu Corona-Impfstoffen und -Medikamenten

Forschergruppe der Freien Universität entwickelt Medikamente und Impfstoffe zum Schutz vor künftigen Varianten des Coronavirus

23.02.2022

Eine Person zieht einen Impfstoff gegen das Coronavirus in eine Spritze auf.

Nicht nur eine Frage der Dosis. Lebendimpfstoffe könnten noch besser gegen neue Varianten des Coronavirus wirken als die bisherigen mRNA-Impfstoffe.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Jakob Trimpert ist Tiermediziner. Dennoch war der Schritt zur Corona-Forschung für Menschen für den Leiter der Diagnostik und des BSL3 Labors am Institut für Virologie der Freien Universität Berlin kein großer: „Corona hat vielen Menschen erst bewusst gemacht, dass Viren von Tieren auf Menschen übergehen können“, erklärt Jakob Trimpert. Der Tiermediziner ist daher dem Coronavirus schon im März 2020 gefolgt – und leistet an der Freien Universität Berlin Grundlagenforschung für Impfstoffe und Medikamente gegen den Erreger der Covid19-Erkrankung.

Eine Forschung an altbewährten Methoden

Bestehende Antikörper-Medikamente und Impfstoffe zielen auf das Spike-Protein des Coronavirus ab und blockieren so die Vermehrung der Viren. Mutiert das Spike-Protein, können sich solche Impfstoffe und Antikörper nicht mehr so gut an die Coronaviren anheften und deren Vermehrung hemmen. Trimpert forscht deshalb an Medikamenten und Impfstoffen, die das Virus auf breiterer Front bekämpfen. Sein Ansatz: ebenso innovativ wie herkömmlich.

Bereits Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte der englische Arzt Edward Jenner den ersten modernen Impfstoff gegen das Pockenvirus, einen sogenannten Lebendimpfstoff. Lebendimpfstoffe bestehen aus abgeschwächten Erregern des Virus, vor dem sie schützen sollen. Bis heute werden sie gegen Erreger wie Masern, Mumps oder Röteln eingesetzt. Ihr Vorteil: Sie immunisieren besonders lange, teils sogar fürs ganze Leben. Und schützen womöglich sogar noch besser als mRNA-Impfstoffe vor Virusvarianten. Der Grund: Alle derzeit zugelassenen Impfstoffe setzen nur an einer einzigen Stelle des Coronavirus an, dem Spike-Protein. Wenn dieses Protein mutiert, wie bei der Omikron-Variante geschehen, verlieren die Impfstoffe an Wirkung. „Ein Lebendimpfstoff hingegen enthält das ganze Virus, wirkt daher möglicherweise breiter und besser gegen Varianten“, erklärt Jakob Trimpert. Und der Veterinärmediziner sieht einen weiteren Vorteil: „Ein Lebendimpfstoff müsste nicht, wie herkömmliche Vakzine, gespritzt werden, sondern ließe sich lokal, etwa als Nasenspray anwenden. Damit würde der Impfstoff genau dort ansetzen, wo auch das Virus angreift: an den Atemwegen“, erläutert Jakob Trimpert. „Das könnte zu einem besseren Schutz vor Infektionen führen.“

Große Chancen und freie Forschungsergebnisse

Es sind solche möglichen Vorteile, die die Forschungsgruppe um Jakob Trimpert und Benedikt Kaufer, Professor am Institut für Virologie am Fachbereich Veterinärmedizin, motivieren, weiter an Impfstoffen gegen Corona zu forschen, während mit der Aussicht auf steigende Impfquoten und Temperaturen das Ende der Pandemie in Sicht kommen könnte. „Wenn das eintritt, sind wir zu spät mit unserem Impfstoff. Der kann frühestens Anfang 2024 auf den Markt kommen“, sagt Jakob Trimpert. „Damit könnte ich aber sehr gut leben.“

Selbst wenn das Coronavirus nicht so mutiert, dass es wieder schwerere Erkrankungen auslöst: Außerhalb Europas und der USA könnte der Erreger noch länger grassieren. Etwa in Afrika, wo vielerorts keine Kühlmöglichkeiten zur Verfügung stehen, wie sie für mRNA Impfstoffe benötigt werden. Temperatur-stabilere Lebendimpfstoffe, wie sie Jakob Trimpert erforscht, könnten also noch gebraucht werden. Er will deshalb nicht nur den eigenen Impfstoffkandidaten voranbringen. „Damit auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ähnlichen Ansätzen vorankommen, veröffentlichen wir unsere Forschungsergebnisse.“ Die Forschenden nehmen damit in Kauf, dass die kommerzielle Verwertbarkeit sinkt. Denn wer in Europa Erfindungen als geistiges Eigentum schützen lassen will, darf sie nicht vorab veröffentlichen. „Dann können sie als allgemeiner Wissensstand gelten“, erläutert Trimpert. In den USA sieht das anders aus: Dort hat die Freie Universität den Corona-Lebendimpfstoff am 20. Januar als Patent angemeldet.

Hoffnung in einem Molekül

Während die Forschung am Impfstoff noch in der präklinischen Phase steckt, ist die veterinärmedizinische Forschungsgruppe um Jakob Trimpert und Benedikt Kaufer auch an der Erforschung eines innovativen Medikaments gegen Covid19 beteiligt. Das sogenannte DARPin-Molekül hat sich in einer klinischen Studie der Schweizer Pharmaunternehmen Novartis und Molecular Partners mit rund 400 Probanden als wirksamer Schutz vor schweren Covid19-Erkrankungen erwiesen. Jakob Trimpert hatte präklinische Versuche geleitet, die bei der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen nötig sind, um Sicherheit und Wirksamkeit so weit sicherzustellen, dass Studien mit Menschen verantwortbar sind.

Nun hofft der Veterinärmediziner, dass das DARPin-Molekül-Medikament hält, was auch der Lebendimpfstoff verspricht: eine bessere Wirksamkeit gegen mögliche neue Varianten des Coronavirus als die derzeit zugelassenen Impfstoffe und Medikamente.