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Warm, wärmer – Hitze

Waldbrände und gesundheitsgefährdende Temperaturen – in Berlin und Brandenburg steigt das Thermometer. Forschende der Freien Universität suchen Erklärungen für Klimawandel und Trockenheit

29.06.2022

Juni 2022, Seddiner See. Ein Hubschrauber der Bundespolizei nimmt Wasser auf, um die Waldbrände in Treuenbrietzen und Beelitz zu bekämpfen.

Juni 2022, Seddiner See. Ein Hubschrauber der Bundespolizei nimmt Wasser auf, um die Waldbrände in Treuenbrietzen und Beelitz zu bekämpfen.
Bildquelle: picture alliance / Jörg Carstensen

„Frühling erneut überdurchschnittlich warm, sonnig und trocken", meldete der Deutsche Wetterdienst im Mai. Und nun herrscht sommerliches Freibadwetter: Was viele Berlinerinnen und Berliner freut, kommt bei der Natur nicht gut an und kann gerade ältere Menschen gefährden.

Berlin bekommt ein Hitzewarnsystem

Berlin ist das erste Bundesland, das kürzlich ein Hitzewarnsystem und Hitzeschutzpläne eingeführt hat. Das Aktionsbündnis „Hitzeschutz Berlin“ wird getragen von der Ärztekammer Berlin, der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit und der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. „Die Klimakrise ist Realität in Berlin“, sagte Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Bündnis 90/Grüne) bei einer Pressekonferenz. Es sei mit zunehmenden Hitzewellen zu rechnen.

Allein in Berlin und Brandenburg seien zwischen 2018 und 2020 rund 1400 Menschen am Hitzetod gestorben, so der Präsident der Ärztekammer Berlin Peter Bobbert. Dem soll durch Hitzeschutzpläne abgeholfen werden. Sie reichen von Fortbildungen zu hitzebedingten Erkrankungen, Aufklärung der Bevölkerung bis zur Anpassung von Gebäuden. Warnstufen sollen die Bevölkerung sensibilisieren. Stufe 1 gilt ab einer gefühlten Temperatur von mehr als 32 Grad, Stufe 2 bei einer gefühlten Temperatur von 38 Grad.

Verheerende Folgen von Dürre und Hitzewellen

Patrick Pieper, promovierter Experte für Klimamodellierung, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Meteorologie der Freien Universität. Vertrocknete Felder, Feuergefahr – die Folgen von Dürre und Hitzewellen können verheerend sein. Umso wichtiger, sich darauf vorzubereiten.

Pieper erforscht, wie sich solche Wetterextreme mehrere Monate im Voraus prognostizieren lassen. „Konkret habe ich ein Zirkulationssystem im Pazifik zwischen Südamerika und Australien untersucht. Meeresströmungen und Luftzirkulationen sind dort meist konstant“, sagt der Meteorologe. Doch alle zwei bis sieben Jahre verändere sich das System. Entweder es verstärke sich in gleichbleibender Richtung, oder es kehre sich um, sodass Luft und Ozeanwasser andersherum strömen.

Diese Ereignisse, LaNiña und ElNiño genannt, könnten weltweit extremes Wetter auslösen. „Aktuell lassen sich solche Extreme etwa einen Monat im Voraus prognostizieren. Diesen Zeitraum will ich verlängern. Dazu brauche ich drei Dinge: Messdaten aus der Atmosphäre und dem Ozean, ein Klimamodell und einen Computer“, erklärt Patrick Pieper. „Bis zu vier Monate im Voraus bekomme ich mit meinen Berechnungen genaue Angaben dazu, wann eine Dürre in Amerika zu erwarten ist.“

Das gibt nicht nur Landwirten, sondern auch politischen Entscheidungsträgern Vorlauf. Sie müssen abwägen: Mit dem Wasser, das wir noch haben – was machen wir damit? Soll man es aus Flüssen abzweigen, um Pflanzen zu bewässern? Oder ist es das Wichtigste, Reservoire volllaufen zu lassen, damit die Trinkwasserversorgung keinesfalls gefährdet wird? Die Übertragung der Ergebnisse auf Europa, damit auch hier frühzeitig gewarnt werden kann, gestaltet sich derzeit jedoch noch schwierig.

Wie wirkt sich die Klimaerwärmung in der Arktis aus?

Ebenfalls am Institut für Meteorologie forscht Andy Richling als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Richling untersucht, ob Veränderungen in Häufigkeit und Stärke von Wetterextremen auf arktische Klimaänderungen zurückzuführen sind, insbesondere auf Meereisverluste. „Wir wollen die Verbindung zwischen arktischen Klimaänderungen, Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation und den Extremereignissen in Mitteleuropa besser verstehen“, sagt er.

Meteorologische Extreme, das seien beispielsweise Hitzewellen, aber auch Kälteeinbrüche, Stürme und Starkniederschlag. „Ich untersuche, inwiefern die Klimaerwärmung in der Arktis einen Einfluss auf die atmosphärische Zirkulation hat. In der Arktis wurde ursprünglich viel Sonnenstrahlung durch Meereseis reflektiert, wie von einer weißen Wand. Aufgrund der Klimaerwärmung schmilzt das Eis stärker. Der dunkle Ozean nimmt nun mehr Wärme auf und speichert sie“, sagt der Wissenschaftler. Durch Prozesse zwischen Ozean und Atmosphäre könne das auch Einfluss haben auf die Luftzirkulation und das Klima in Europa.

Eine Zunahme von „hot extremes“ stehe an, sagt Lisa Schielicke, die am Institut für Meteorologie der Freien Universität promoviert wurde und jetzt an der Universität Bonn tätig ist. „Heiße Tage“ sind definiert als solche, bei denen die Temperatur über 30 Grad liegt. Die Hitze werde zunehmen, sowohl an Intensität wie auch an Dauer. „Was wir heute als ,heiß‘ empfinden, wird in Zukunft unser normaler Sommer sein“, sagt Schielicke. Temperaturspitzen von 45 Grad seien dann auch in unseren Breiten möglich.

„Natürlich gilt Obacht – ich kann keine präzise Vorhersage geben. Aber die Tendenz stimmt.“ Bei ihrer Prognose bezieht sie sich auf die Jahre 2090 bis 2100, als Vergleichspunkt gilt ihr die sogenannte „Zeitscheibe“ 1990 bis 2000. Zwar möge das Jahr 2090 weit weg erscheinen. „Aber ich denke, schon jetzt kann man einen deutlichen Unterschied bemerken“, sagt Lisa Schielicke.

Grünflächen können Hitzewellen in Städten abmildern

Hitzewellen haben nicht nur Auswirkungen auf die Natur, sondern auch auf Gesellschaft und Wirtschaft. So zeigt sich eine erhöhte Sterblichkeit, besonders bei älteren Menschen. Niedrigwasser in Flüssen schränkt den Gütertransport ein, so beispielsweise 2018 im Rhein.

In Großstädten verstärken sich die Effekte nochmals. Wo es wenig grüne Flächen gibt, nimmt die Hitze noch mehr zu. Die Forderung müsse daher lauten: Flächen entsiegeln, sagt die Wissenschaftlerin. „So viele Naturflächen wie möglich bewahren uns davor, dass die Hitze extrem werden kann“, erläutert Lisa Schielicke.

Wichtig seien insbesondere gesunde Wälder. Die könne man fördern, indem man beispielsweise jetzt schon Bäume ansiedelt, die besser mit Hitze klarkommen. Grünflächen sorgen dafür, dass das Stadtklima human bleibt. „Man kann klein anfangen. Jeder kann etwas tun. Wer einen Garten hat, sollte möglichst Bäume und Sträucher wachsen lassen. Je naturnäher, desto besser. Zumindest aber keine Steingärten anlegen“, rät die Forscherin.