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Von der Kaserne zum Universitätscampus

Eine umfangreiche Online-Dokumentation informiert über die mehr als 100-jährige Geschichte des heutigen GeoCampus Lankwitz der Freien Universität Berlin

30.06.2022

Im Schatten des Ersten Weltkriegs. Eine Postkarte aus dem Jahr 1914 zeigt die Kreuzung Emmichstraße/ Marienfelderstraße (heute Malteserstraße).

Im Schatten des Ersten Weltkriegs. Eine Postkarte aus dem Jahr 1914 zeigt die Kreuzung Emmichstraße/ Marienfelderstraße (heute Malteserstraße).
Bildquelle: Landesarchiv Berlin

Der Deutsche Reichstag bewilligte 1913 den Bau der beiden Kasernenblöcke in der Malteser- und Eiswaldstraße. Durch den Architekten-Baurat Duerdoth wurden moderne Bauten mit einer ansprechenden Fassade und mit hellen Räumen inmitten der damals noch reichlich vorhandenen Wiesen und Felder errichtet. Von einer feierlichen Einweihung 1914 ist nichts bekannt. Die Soldaten mussten wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges ins Feld. Die Kasernen dienten der Ausbildung und beherbergten die Ersatzabteilungen des Kraftfahr-Bataillons.

„Wir haben es gut hier.“

Auf einer Feldpostkarte schrieb in jenen Tagen ein Soldat über die Kasernen in Lankwitz: „Wir haben es gut hier.“ Die Train- und die Kraftfahrtruppen in Lankwitz hatten keinen Kampfcharakter. Beide Truppengattungen dienten der Versorgung der kämpfenden Einheiten mit Munition, Lebensmitteln, Geräten und Sanitätsdiensten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden von den siegreichen Alliierten solche Waffengattungen dem Deutschen Reich zugestanden und für eine Verteidigung für notwendig gehalten.

Am 1. Februar 1930 übernahm Heinz Guderianals Kommandeur die 3. (Preußische) Kraftfahr-Abteilung. Während seiner Tätigkeit beim Truppenamt der Heeresleitung sowie als Kommandeur der Kraftfahrabteilung 3 befasste er sich intensiv mit der Motorisierung der Reichswehr. Der Versailler Vertrag verbot es der Reichswehr, Panzer zu unterhalten; Heinz Guderian wurde zusammen mit anderen Offizieren in der Sowjetunion im Umgang mit Panzern ausgebildet. Auf Hanomag- und Opel-PKW wurden in Lankwitz Panzer-Attrappen aufgebaut und Verbandsübungen abgehalten.

Einen Kraftfahrzeugübungsplatz hinter der Kaserne lehnte die Gemeinde damals ab. Am 1. April 1935 wurden die in Lankwitz stationierten Truppen in Flakregiment 12 umbenannt. Die Kasernen hießen nun Emmichblock (Kraftfahrkaserne in der Eiswaldtstraße) und Hindenburgblock (Garde-Train-Kaserne in der Malteserstraße).

Die Soldaten erhielten Luftwaffenuniformen und dienten als Luftabwehrtruppen. Lankwitz wurde zudem Standort des Flakscheinwerfer-Regiments 128. Dieses Regiment gestaltete 1936 den Lichtdom zu den Olympischen Spielen, die die Nationalsozialisten für Propagandazwecke missbrauchten. Ab 1939 war das Flakregiment Teil der Angriffe auf Polen, Frankreich und der Sowjetunion. Am 30. Januar 1943 wurde das Lankwitzer Flakregiment 12 in Stalingrad zerrieben.

Freier Platz. Der Exerzierplatz vor Haus B auf einer Postkarte aus dem Jahr 1915.

Freier Platz. Der Exerzierplatz vor Haus B auf einer Postkarte aus dem Jahr 1915.
Bildquelle: Arbeitskreis Historisches Lankwitz; Detlef Werner

Während der Luftangriffe der Alliierten auf Berlin waren Angriffe mit bis zu 727 Bombern auf Lankwitz in der Nacht vom 23. zum 24. August 1943 besonders massiv; sie werden als Lankwitzer Bombennacht erinnert. Vom 23. August bis zum 4. September 1943 wurden die Gebäude von Lankwitz zu 85 Prozent zerstört.

Der Hoch-Bunker der Kasernen wurde nach dem schweren Luftangriff am 23. August 1943 über dem Kellerbereich der zerstörtem Offizier-Speise-Anstalt errichtet. Daraus ergab sich die ungewöhnliche pyramidenähnliche Bauform des Bunkers.

Da sich am Südrand des Geländes in einem der Gebäude bereits seit 1938 der Gefechtsstand mit wichtigen Fernsprechverbindungen zu den Batteriebefehlsstellen befand (Bereich des Flakkommandos Süd), ist zu vermuten, dass diese Verbindungen zum Bau führten. Der obere Teil des Bunkers diente dem Stab des Luftverteidigungskommandos Berlin 1, aus dem vom September 1941 an die 1. Flakdivision gebildet wurde. Im unteren Kellerbereich waren Lüftungsanlagen und Fernsprecheinrichtungen untergebracht.

Am 24. April 1945 überquerten die sowjetischen Truppen mit Kähnen und Schlauchbooten den Teltowkanal, in Lankwitz wurden sie zunächst zurückgeworfen, in Lichterfelde-West besetzten sie die Kaserne der „Leibstandarte SS Adolf Hitler“, den Stadtpark Steglitz erreichten sie am gleichen Tag.

Sowjetische Truppen besetzten das Kasernengelände in Lankwitz. In den Garagen wurden Rinder, Schafe und Ziegen für die Versorgung der Soldaten gehalten. Zwei Monate nach Kriegsende, im Juli 1945, trat der Viermächte-Status in Kraft; die Kasernen von Lankwitz fielen damit in den Kontrollbereich der USA.

Ende der militärischen Nutzung

In den ersten Jahren nach Kriegsende wurden in den Gebäuden Kinder aus der Umgebung unterrichtet, deren Schulen teilweise oder ganz zerstört worden waren.

Im Laufe des Jahres 1946 gewann die neue Lehrerbildung Struktur. Die Pädagogische Hochschule konnte das erste Haus 1949 an der Malteserstraße (früher Marienfelder Straße) beziehen; damit begann im Sommersemester 1949 die Nutzung des Lankwitzer Geländes für die Hochschulbildung. Nach Plänen Bruno Grimmeks wurden, zwischen 1960 und 1964, neue Gebäude für die Pädagogischen Hochschule Lankwitz errichtet. Bruno Grimmek war zu dieser Zeit mit seinen Entwürfen für öffentliche Bauten einer der bekanntesten Nachkriegs- und Wiederaufbauarchitekten West-Berlins.

Hochschule heute. Jan Kersten, der die Geschichte des GeoCampus dokumentiert hat, vor einem Eingang zum Gelände des GeoCampus.

Hochschule heute. Jan Kersten, der die Geschichte des GeoCampus dokumentiert hat, vor einem Eingang zum Gelände des GeoCampus.
Bildquelle: Marie Luise Schulz  

Im Jahr 1980 wurde die Pädagogische Hochschule Berlin aufgelöst. Die einzelnen Fachbereiche wurden auf die Freie Universität Berlin, die Technische Universität Berlin sowie die Hochschule der Künste Berlin aufgeteilt, die heutige Universität der Künste Berlin.

Großer fachlicher Wandel

Im Jahr 1981 zog der Fachbereich Kommunikationswissenschaften auf den Campus in Lankwitz; bis 2007 war er hier mit vier Bereichen vertreten: Publizistik, Kommunikationssoziologie und -psychologie, Kommunikationstheorie und Semiotik sowie Informationswissenschaft.

Von 1987 bis 1990 bot der Campus einer Schule Herberge, deren Gebäude asbestbelastet geschossen worden war. Beginnend mit dem Jahr 1992 zogen die Geowissenschaften auf das Gelände der Freien Universität Berlin an der Malteserstraße 74 – 100 in Lankwitz. Zum Wintersemester 1998/1999 wurde der Lehrbetrieb in den Gebäuden der ehemaligen Pädagogischen Hochschule aufgenommen.

Der Fachbereich Geowissenschaften besteht aus den drei wissenschaftlichen Einrichtungen Geologische Wissenschaften, Geographische Wissenschaften und Meteorologie. Das Fächerspektrum umfasst Geologie, Geochemie, Geophysik, Hydrogeologie, Petrologie, Paläontologie, Planetologie, Physische Geographie, Anthropogeographie, Angewandte Geographie, Fernerkundung und Geoinformatik. In der Meteorologie am Standort Steglitz sind Atmosphärendynamik, Allgemeine Meteorologie / Synoptik, Strahlung und Fernerkundung sowie die Statistische Meteorologie zu finden.

Im Jahr 1999 unterschrieb das Stadtteilzentrum Steglitz e. V. den Nutzungsvertrag für den Bunker in der Malteserstraße, der seither in Kooperation mit „Outreach – Mobile Jugendarbeit“ als Jugendtreff genutzt wird.

Inzwischen hat auch das Archiv der Freien Universität in Lankwitz eine neue Bleibe gefunden. Und der Campus wurde internationaler durch das Studienkolleg sowie durch die renommierten Programme FUBiS und FUBEST, die Studierende von überall auf der Welt dort begrüßen.

Weitere Informationen

Über den Autor
Jan Kersten ist Techniker am Fachbereich Geowissenschaften. Er absolvierte in den 1990er Jahren eine Ausbildung zum Fotografen an der Freien Universität Berlin und kennt den Standort des heutigen GeoCampus Lankwitz seit drei Jahrzehnten. Für die umfangreiche Online-Dokumentation recherchierte er in seiner Freizeit sechs Jahre lang zum Gebäude, sprach mit betagten Anwohnerinnen und Anwohnern und arbeitete mit dem Arbeitskreis Historisches Lankwitz zusammen.
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