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Versteht ein Bonobo „buba“ und „kiki“?

Internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Freien Universität Berlin untersucht die Grundlagen der Sprachentwicklung

04.05.2022

In einem Labor lauscht der Bonobo-Affe Kanzi aufmerksam einer Wissenschaftlerin, die eine Pappe mit bunten Symbolen in der Hand hält.

Der Bonobo "Kanzi" kann mithilfe verschiedener Symbole kommunizieren.
Bildquelle: WikipediaWilliam H. Calvin, PhD - Creative Commons - Attribution-Share Alike 4.0 International

Der Bonobo „Kanzi“ in den USA hat in Forschungskreisen Bekanntheit dafür erlangt, dass er sich englische Wörter sehr gut einprägen und die Wortlaute mit Bildern von Objekten in Verbindung bringen kann – eine Grundvoraussetzung für den Spracherwerb. Forschende aus Europa und den Vereinigten Staaten haben mit diesem Primaten ein Sprachexperiment zum sogenannten Lautsymbolismus ausgeführt. Beteiligt waren die Freie Universität Berlin, die University of St Andrews in Großbritannien, das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig sowie die Pennsylvania State University und die Ape Initiative in den USA.

„Kiki“ oder „takete“ klingen eher stachelig, spitz oder zackig

„In der menschlichen Sprache ist die Verbindung zwischen einem Wort, einem sprachlichen Zeichen, und dem Bezeichneten normalerweise willkürlich. Jedes Wort kann eine beliebige Bedeutung tragen – es gibt aber auch Ausnahmen“, erklärt Friedemann Pulvermüller, Professor für Neurowissenschaft der Sprache und Pragmatik vom „Brain Language Laboratory“ an der Freien Universität Berlin. Menschen neigten dazu, Kunstwörter ohne Bedeutung je nach Klang mit abstrakten Formen zu verbinden, erläutert der Mitautor der Studie.

Laute wie „buba“ und „maluma“ würden eher runden Formen zugeordnet, „kiki“ oder „takete“ eher stacheligen, spitzen oder zackigen. Diese Verbindung zwischen Sprachklang und abstrakten symbolischen Formen wird als „Klangsymbolismus“ bezeichnet. Frühere Studien haben bereits aufgezeigt, dass diese immanenten Zuordnungen von Sprecherinnen und Sprechern verschiedener Sprachen über Kulturen hinweg geteilt werden. Es wird angenommen, dass diese Lautsymbolik, die auch als „Buba-Kiki-Effekt“ bekannt ist, bei der Entstehung der ersten gesprochenen Wörter beim Menschen geholfen haben könnte.

Menschenaffen stellen den Zusammenhang zwischen Klang und Form nicht her

Dem Bonobo Kanzi wurden im Rahmen des Experiments solche bedeutungslosen Silbenfolgen – eben zum Beispiel „kiki“ und „buba“ – vorgespielt und abstrakte Bilder gezeigt, etwa zackige und abgerundete Figuren. Im Gegensatz zu Menschen zeigte der Bonobo keine Tendenz, einen scharfen Laut – etwa „kiki“ – mit einer stacheligen Form oder einen weichen Laut – beispielsweise „buba“ – mit einer runden Form zu verknüpfen. Auch andere Menschenaffen scheinen diesen Zusammenhang zwischen Klang und Form nicht herzustellen. Lange schon wurde in der Wissenschaft vermutet, dass das im Klangsymbolismus implizite Wissen für die menschliche Sprachentstehung von entscheidender Bedeutung sein könnte.

Kanzi besitzt ein ansonsten gut ausgeprägtes Sprachverständnis. Ihm wurde beigebracht, mit Menschen durch Hunderte von verschiedenen Symbolen, sogenannte Lexigramme, zu kommunizieren. Der Menschenaffe kann gesprochene englische Wörter unterscheiden und sie je nach Bedeutung auf einem Touchscreen entsprechenden Objekten zuordnen.

Der Buba-Kiki-Effekt hilft zu verstehen, wie Sprache entstand

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein stark ausgeprägtes intuitives Verständnis von Laut-Symbol-Assoziationen vor allem den Menschen auszeichnet. Diese Fähigkeit hat womöglich dabei geholfen, erste „Protowörter“ zu bilden – ein wichtiger evolutionärer Schritt hin zur gesprochenen Sprache. Das Experiment lässt nach Angaben von Friedemann Pulvermüller allerdings keine weitreichenden oder prinzipiellen Schlussfolgerungen auf das Sprachvermögen von Menschenaffen zu.

„Bonobos könnten durchaus in der Lage sein, andere symbolische Klangassoziationen wahrzunehmen, wenn sie etwa tiefe Töne mit größeren Objekten in Verbindung bringen“, erläutert Friedemann Pulvermüller. Die Studie ermögliche es aber, grundlegende Sprachphänomene wie den Buba-Kiki-Effekt besser zu verstehen und die einzigartige Entstehung der menschlichen Sprache leichter nachzuvollziehen.