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Ultraschnell, magnetisch und beschwingt

Drei neuberufene Physiker beobachten oberflächliche Atome, switchende Minimagneten und angeregte Biomoleküle

Martin Weinelt scheint der personifizierte Welle-Teilchen-Dualismus zu sein: Kaum, dass der 41-Jährige die C3-Professur in der FU angetreten hat, ist er zu Vorträgen, Kongressen oder nach Erlangen, um empfindliche Apparaturen nach Berlin zu überführen. Eine Art „verschwommene Welle“ zwischen Dahlem und Adlershof wird Weinelt bleiben, da er auch Abteilungsleiter am dortigen Max-Born-Institut (MBI) ist.

Schnelligkeit und Wechsel kennzeichnen seine Forschung. Mit Femtosekunden-Lasern beschießt der Münchner die Oberfläche hauchdünner magnetischer Filme. Durch ultrakurze Lichtblitze, kürzer als eine halbe Pico-Sekunde, werden sie entmagnetisiert. Ein Phänomen, das ungeklärt ist. Denn in dieser Zeit werden nur die Elektronen im Material heiß – die Atome bleiben kalt. Ultraschnelle Elektronendynamik soll die Basis für modernste Speichermedien sein. Um immer gigantischere Datenmengen auf Festplatten und Speicherchips horten zu können, muss die Dichte der Bits, der kleinsten Informationsspeichereinheit, höher werden. Wird ein bestimmtes Bitvolumen – das paramagnetische Limit – unterschritten, reicht die Energie bei Raumtemperatur aus, um den „Schalter“ umzulegen - und die gespeicherten Informationen verschwinden. „Speichermaterial muss magnetisch ,härter‘ werden, gleichzeitig aber noch schaltbar sein“, sagt Weinelt. Laser werden einmal die Elektronen der „harten“ Bits auf „Arbeitstemperatur“ vorwärmen.

Noch schicker ist es, einzelne kleine Moleküle wie Azobenzole als Schalter zu verwenden. Das plant Weinelt im Rahmen eines neu beantragten Sonderforschungsbereichs. Um sie an- und auszuknipsen genügen Konformationsänderungen des Moleküls, also Veränderungen seiner räumlichen Struktur, die durch ultrakurze Laserpulse ausgelöst werden. Mittels Synchrotronstrahlung will Weinelt diese Prozesse am BESSY beobachten. Mit diesen „soft X-rays“ arbeitete Weinelt am Lawrence Berkeley National Laboratorium (Kalifornien), wo er, nach der Promotion in München, als Postdoctoral Fellow der Universität Uppsala zwei Jahre forschte.

Als er 1996 zurückkam, war Bessy 2 im Aufbau und Weinelt habilitierte in Erlangen über zeitaufgelöste Zwei-Photonen-Photo-Emission. Nun untersucht er am MBI das Hin und Her von Elektronen in Halbleitern. Durch einen ersten Lichtblitz werden Elektronen angeregt. Einige Femtosekunden später macht ein zweiter Blitz eine Art Foto von der Probe, aus dem man ableiten kann, wie lange die Ladungsträger das Plus an Energie halten, bevor sie in ihren Ruhezustand zurückfallen (relaxieren).

Ein Beamline am Bessy wird auch Wolfgang Kuch nutzen, denn er macht sich ebenfalls ein genaues Bild von Oberflächen. Stichwort: „magnetisch härtere Bits“. Sie lassen sich erzeugen, indem man Speichermaterial, ultradünne ferromagnetische Filme, mit ebenso dünnen Schichten aus antiferromagnetrischen Substanzen unterlegt. Dadurch lässt sich die Magnetisierung in die eine oder andere Richtung „trimmen“. Während sich in Ferromagneten wie Eisen spontan größere Bereiche ausbilden, in denen sich die Elektronenspins (Drehimpulse) parallel ausrichten, sind die Spins von benachbarten Atomen in Antiferromagneten antiparallel angeordnet. Der 41-Jährige stellt derartige Schichtsysteme selbst her. Dazu werden im Hochvakuum nur wenige Atomlagen dicke Schichten hochreiner Metalle auf Kupfer- oder Silber-Einkristalle aufgedampft.

Magnetismus wird unter dem Mikroskop sichtbar – mit PEEM, der Photoelektronen Emissionsmikroskopie. Weiche Röntgenstrahlen geben so viel Energie an die Atome in der Probe ab, dass deren Elektronen herausgesprengt werden. Diese Photoelektronen fliegen – gelenkt über Linsen und Blenden – auf einen Fluoreszenzschirm, wo sie ein Abbild der Probe erzeugen. Selbst kleinste Domänen unterschiedlicher Magnetisierung werden sichtbar und bilden bizarre Muster. An der FU plant Kuch antiferromagnetische Filme auf Oxidbasis zu untersuchen sowie rasche Magnetisierungsprozesse zeitaufgelöst zu beobachten. Dazu will er PEEM mit einem Femtosekundenlaser kombinieren. Weitere Schwerpunkte sind die Nanostrukturierung magnetischer Materialien durch Selbstorganisation sowie magnetische „molekulare Schalter“. Das könnten organische Moleküle sein, die ein Eisen- oder Kobaltion enthalten.

Oberflächenphysik faszinierte den in Boston Geborenen seit dem Studium in Frankfurt. Danach promovierte er in der Deutschen Forschungsanstalt für Luft und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart über die Adsorption von Wasser auf Nickeloberflächen. Seit 1993 forscht er am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle (Saale). Dorthin kehrte er auch nach einem Forschungsaufenthalt am IBM Almaden Research Center in San Jose (Kalifornien) zurück und gründete seine eigene Gruppe. 2002 habilitierte Kuch an der Universität Halle-Wittenberg.

Dritter im Bunde der „Ultraschnellen“ ist Juniorprofessor und Biophysiker Karsten Heyne. Das Studium führte ihn über Bochum und Marburg an die FU, wo er diplomierte und promovierte. Seit 2001 forschte er am Max-Born-Institut in Adlershof (AG Elsässer) und beäugte mittels Infrarotspektroskopie die Schwingungen organischer Moleküle.Unsere DNA und körpereigenen Proteine erlangen ihre Funktionstüchtigkeit erst durch perfekte 3D-Struktur, die meist durch Wasserstoffbrücken fixiert wird. Was macht sie so stabil? Wie ist die Energie der Wasserstoffbrücke verteilt und wie ändert sie sich bei einer Reaktion? Dem geht der 35-Jährige nach. Jede Molekülgruppe verfügt über ein charakteristisches Schwingungsrepertoire und beeinflusst gekoppelte Molekülgruppen. Wie sich dieses „Gruppengezappel“ während einer durch Licht ausgelösten chemischen Reaktion ändert, beobachtet Heyne in Echtzeit mit der ultraschnellen, polarisationsaufgelösten nichtlinearen Infrarotspektroskopie.

Resultat ist eine Art „Fotoserie“ der Reaktion. Je mehr Atome ein Molekül besitzt, umso komplexer ist das Muster aus Signalen, die hinterher auszuwerten sind. Deshalb untersucht Heyne ein kleines Modell: die dimere Essigsäure - zwei über Wasserstoffbrücken verbundene Säuremoleküle.

„Wenn wir Wasserstoffbrücken detaillierter kennen, können wir die Wechselwirkung zum Beispiel von Medikamenten mit körpereigenen Proteinen besser verstehen und vorhersagen“, so Heyne. Mit der gleichen Methode untersucht er im Rahmen eines Sonderforschungsbereichs die Reaktion von Photosensitizern, Wirkstoffen für die photodynamische Therapie von Hautkrebs. Auf die Haut aufgetragen, lagern sie sich ins Gewebe ein und werden mit Lasern punktuell angeregt. Dabei wird Singulett-Sauerstoff (eine aggressive Sauerstoffspezies) freigesetzt, der das bestrahlte Gewebe selektiv zerstört. Ein anderes Projekt sind Photoreaktionen enantiomerer Aminosäuren, denn Bild und Spiegelbild eines Moleküls reagieren auf ultraschnelle Lichtimpulse verschieden. Am Sonderforschungsbereich 498 ist Heyne mit einem Projekt zur primären Photoreaktion von Phytochromen beteiligt. Diese Proteine steuern die „innere Uhr“ von Pflanzen und werden vom Sonnenlicht aktiviert. Die freie Zeit nutzt Heyne ebenfalls gern „schnell“ und in Bewegung – zu Pferd.