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Mehr Professionalität wagen

Studierende des Otto-Suhr-Instituts sorgen mit ihrer Agentur „Politikfabrik“ für Aufsehen


„Macht ist nichts Schlechtes – man muss sie nur sinnvoll einsetzen“, sagt Stephen J. Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er sitzt auf einem Podium im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, einem imposanten Prachtbau in Potsdam. Neben ihm: die jungen Bundestagsabgeordneten Anna Lührmann von Bündnis 90/Die Grünen und Jens Spahn von der CDU, die Tagesspiegel-Journalistin Tissy Bruns, Peter Klotzki vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall und der Bild-Chefreporter Christoph Schmitz. Sie alle kennen sich aus mit der Macht und diskutieren die Frage, wie viel Macht die Medien haben. Gebannt hören etwa 150 Studierende und Nachwuchskräfte aus Politik und Werbebranche der illustren Runde aus Machtexperten zu.

Die Podiumsdiskussion ist Teil des studentisch organisierten Kongresses „Macht Beratung Politik“, bei dem alte Hasen aus Politik, Wirtschaft und Medien auf den Nachwuchs treffen und die Macht des Lobbyismus diskutieren. Die Inhalte sind wichtig, doch auch die Namen sollen beeindrucken. Das Rezept, mit großen Namen aus der Branche zu punkten, haben die Organisatoren schon mehrfach ausprobiert.

Vor drei Jahren hatten einige Studierende des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft an der FU genug von der Theorie. Sie wollten sich in der Praxis beweisen. Aus einem Projektkurs ging die studentische Agentur für politische Kommunikation mit dem Namen „Politikfabrik“ hervor. Die Lehrbücher wurden zur Seite gelegt, Laptop und Telefon hervorgeholt. „Wir wollten unsere Ausbildung praxisnäher und professioneller gestalten“, sagt der Student Marvin Geilich, der jetzt den Kongress maßgeblich mitorganisierte.

Vor allem mit ihrem selbst entwickelten „Wahl-O-Mat“ sorgten die angehenden Politikwissenschaftler bundesweit für Aufsehen: Die Internetseite verglich Programm-Aussagen der politischen Parteien miteinander und illustrierte dem Benutzer, zu welcher Partei er neigte. Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) setzt den „Wahl-O-Mat“ noch heute ein – zuletzt bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Da wird dann beispielsweise gefragt, ob man der Aussage „Mehr Landesmittel für Kindergärten“ zustimmt oder nicht.

Auch eine Erstwählerkampagne zur Bundestagswahl 2002 haben die Politikfabrikanten in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale realisiert. Auf einem Plakat stand ein grimmig schauender Jungwähler vor dem stilisierten Reichstag, „dem mächtigsten Club Berlins“, und blaffte: „Du entscheidest wer reinkommt!“ Im Kino und im Fernsehen liefen Spots, die Schirmherrschaft übernahm die TV-Journalistin Sandra Maischberger – der Name machte etwas her.

Ein Jahr später, beim Kongress „Politik als Marke“ in Berlin, lieferten die Studierenden ihr Meisterstück ab: Sie versammelten alles, was in der politischen Kommunikation Rang und Namen hatte. Vom Stoiber-Berater Michael Spreng bis zum SPD-Kampagnenmanager Mathias Machnig, vom ehemaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen bis zum einzigen direkt gewählten Grünen Abgeordneten Christian Ströbele. Rund 400 Teilnehmer kamen und verfolgten Vorträge und Diskussionsrunden. Maischberger attestierte den Kongress-Organisatoren in einer Begrüßungsansprache „ein großes Maß an Professionalität“.

Jetzt setzen die jungen Politologen ihre Erfolgsstory fort – wenn auch eine Nummer kleiner. Das Programm für die Tagung in Potsdam im vergangenen Februar ist nicht ganz so umfangreich wie vor einem Jahr. Und mit etwa 200 Teilnehmern ist der Rahmen ebenfalls etwas kleiner. Die Referenten kommen jedoch wieder aus der ersten Reihe des Lobbying und der Politik.

Der Student Christoph Erbslöh vom John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerika-Studien interessiert sich für die Verbindung von Medien und Wirtschaft und verfolgt als Gast den Kongress. Er findet, die Veranstaltung mache „einen seriösen Eindruck“ und freut sich auf den nächsten Programmpunkt: die Ansprache der früheren EU-Kommissarin Michaele Schreyer, die von Beratung und Lobbyismus auf europäischer Ebene spricht.

Kongress-Organisator Marvin Geilich bereitet nebenbei gerade sein Politologie-Diplom vor. „Die Politikfabrik ist für uns Studierende eine sehr gute Gelegenheit gewesen, um Praxiserfahrung zu sammeln“, sagt er. Jetzt arbeitet er schon an eigenen Projekten. Demnächst bringt er mit seinen Kommilitonen Axel Balzer und Shamim Rafat ein Buch über „Politikvermittlung zwischen Kommunikation und Inszenierung“ heraus. Der Name überrascht kaum: „Politik als Marke“ – war doch der Kongress eines der erfolgreichsten Projekte. Auch die Gastautoren sind, wie könnte es anders sein, nicht unbekannt: Johannes Rau, Sandra Maischberger, Sabine Christiansen und Brigitte Zypries, um nur einige zu nennen.

Die jungen Politikberater machen nicht den Eindruck, als hätten sie Angst vor der Macht. Im Gegenteil: Sie setzen sie sinnvoll für sich ein – die mächtigen Namen sorgen für reges Publikumsinteresse.

Informationen: www.politikfabrik.de; www.politik-als-marke.de

Buch: Axel Balzer, Marvin Geilich und Shamim Rafat (Hrsg.): „Politik als Marke. Politikvermittlung zwischen Kommunikation und Inszenierung“, 2005, LIT-Verlag, 19,90 Euro

Von Oliver Trenkamp