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Stress unterm Tannenbaum

Leser fragen, Experten antworten

Ulrike Mayer aus Berlin-Reinickendorf möchte wissen, was sie tun kann, wenn es Weihnachten in der Familie kriselt. Es antwortet Prof. Dr. Isabella Heuser, Direktorin der psychiatrischen Klinik vom Charité-Campus Benjamin Franklin.

Die meisten Erwachsenen haben wohl bezüglich der Weihnachtszeit eher gemischte Gefühle: Zum einen genießen sie die Zeit des entspannten und gemütlichen Beisammenseins mit der Familie oder den Freunden, andererseits fühlen sie sich gehetzt und entnervt von den vielen Verpflichtungen im Vorfeld und der Organisation des Festes selbst. Andere Menschen wiederum fürchten sich vor Streit oder haben Angst vor dem Alleinsein. Grund für diesen Stress, den Weihnachten bei so vielen auslöst, ist ein kulturell geprägter „Harmoniezwang“: Weihnachten, das Fest der Liebe! Das Weihnachtsfest wird mit überhöhten Erwartungen und dem Wunsch nach Perfektion und einer „heilen Welt“ besetzt. Entsprechend kommt es nach anstrengenden Vorbereitungen für das „perfekte Fest“ nicht selten zu Erschöpfung, Stress, Enttäuschung, Frust und Streitigkeiten. Auch Einsamkeitsgefühle prägen bei immer mehr Menschen das als Fest der Familie geltende Weihnachten. Alleinstehende und ältere Menschen fühlen sich aufgrund des über die Medien allseits vorgespielten familiären Weihnachtsidylls häufig als unerwünschte Außenseiter. Zu keiner anderen Zeit des Jahres sind die Suizidraten gerade bei Älteren so hoch wie zu den „Festtagen“!

Wie also dem Stress unter dem Weihnachtsbaum entgehen oder besser noch, ihn bereits im Vorfeld vermeiden? Hilfreich ist, sich rechtzeitig mit der Planung auseinanderzusetzen und eigene Wünsche und Erwartungen an das Fest mit denen der anderen abzustimmen. Um Enttäuschung, Frust und Erschöpfung unter dem Weihnachtsbaum zu vermeiden, ist es günstig, die eigenen Erwartungen niedriger anzusetzen und die verschiedenen Aufgaben gleichmäßig zu verteilen. Wenn Konflikte aufkommen, sollten diese auch Weihnachten angesprochen werden dürfen. Auch das Ausklammern bestimmter Streitthemen in Form eines zuvor geschlossenen „Friedenspaktes“ kann sinnvoll sein. Beide Strategien sollten aber im Kreise der Beteiligten vorgeschlagen und es sollte eine verbindliche Einigung erzielt werden! Letztendlich kann auch ein Abend allein zu Hause oder aber im Kreise anderer „Alleingebliebener“ ein durchaus „erträgliches“ Weihnachtsfest darstellen.