Springe direkt zu Inhalt

Genetisch überführt

IDENTIFIKATIONSMERKMAL: Der Fingerabdruck

Bei der Aufklärung von Verbrechen kommt der „genetische Fingerabdruck“ immer häufiger zum Einsatz

Seine Anhänger halten ihn für einen kriminalistischen Alleskönner. Er hat den entscheidenden Hinweis auf den Mörder des Modeschöpfers Rudolph Mooshammer geliefert – nach nur zwei Tagen. Er kann theoretisch einen Einbrecher überführen, wenn der am Tatort in einen Apfel gebissen hat. Er hat vor wenigen Wochen die Vergewaltigung und Ermordung einer Frau in Hamburg aufgeklärt – nachdem die Polizei 20 Jahre vergeblich den Täter gesucht hatte. Die Rede ist vom genetischen Fingerabdruck.

Trotz aller Erfolge bleibt er bei Politikern und Juristen umstritten. Eine breite Front ist dagegen, ihn rechtlich genauso zu behandeln wie den ganz normalen Fingerabdruck, für den sich ein Verdächtiger die Hände an einem Stempelkissen schmutzig machen muss.

Beim genetischen Fingerabdruck wird die menschliche Erbsubstanz untersucht, die DNA. Überprüft werden nur „nicht kodierende“ Abschnitte der DNA, das heißt Sequenzen, die keine Aussagen über Eigenschaften wie Haarfarbe oder Körpergröße eines Menschen zulassen. Nur die Identität und das Geschlecht lassen sich bestimmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der DNA-Code von zwei Menschen gleich ist, liegt bei eins zu 500 Millionen. Eine Übereinstimmung ist also fast ausgeschlossen, ebenso wie beim herkömmlichen Fingerabdruck. Wenige Hautpartikel, einzelne Haare oder Speichelspuren an Essensresten vom Tatort reichen für die Gen-Analyse aus. Die DNA-Sequenz wird dann mit der Erbsubstanz eines Verdächtigen verglichen.

Die DNA-Analyse-Datei des Bundeskriminalamtes (BKA) in Wiesbaden umfasst inzwischen über 400 000 Datensätze. Nach Angaben des BKA wurden mit Hilfe der Datenbank mittlerweile rund 20 000 Straftaten aufgeklärt, darunter knapp 1300 Tötungs- und Sexualdelikte. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hält die DNA-Analyse für „ein unverzichtbares und sehr effektives Instrument zur Aufklärung von Straftaten“. Doch die DNA eines Verdächtigen darf nur unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen untersucht und in der bundesweiten Datenbank abgespeichert werden. Um eben diese Vorrausetzungen dreht sich die Debatte. Der Anwalt und Strafverteidiger Andreas Vath, der an der Freien Universität Berlin über das Thema promoviert hat, sieht in den rechtlichen Vorschriften „einen Balanceakt zwischen staatlichen und persönlichen Interessen“. Es geht um die Frage, wie weit das Sicherheitsinteresse des Staates geht und wie weit er in die Privatsphäre seiner Bürger eingreifen darf.

Im europäischen Ausland sind die Vorschriften eindeutiger als in Deutschland. In England und Wales ist die Anfertigung des genetischen Fingerabdrucks bei jeder registrierbaren Straftat möglich. In Frankreich wiederum kommt es auf die Natur des Deliktes an: Nur bei Verurteilung wegen einer Sexualstraftat darf die DNA-Analyse gespeichert werden. In den Niederlanden ist das Strafmaß entscheidend: Bei Freiheitsstrafen ab vier Jahren ist der DNA-Fingerabdruck erlaubt.

Hierzulande legte der Gesetzgeber Wert darauf, dass für jeden Einzelfall entschieden wird. Noch bis vor wenigen Monaten durfte der genetische Fingerabdruck nur bei erheblichen Straftaten und Sexualdelikten genommen werden. Bei einem Exhibitionisten, der vor einer Schule sein Unwesen trieb, kam die DNA-Analyse nicht in Frage, weil er keine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hatte. Das hat sich jetzt geändert: Auch das Genmaterial von Wiederholungstätern geringerer Delikte darf untersucht und gespeichert werden. Der kriminalistische Alleskönner wird also in Zukunft noch häufiger zum Einsatz kommen.

Dr. Andreas Vath hat an der Freien Universität Berlin promoviert. Seine Dissertation „Der genetische Fingerabdruck zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren“ ist im Nomos Verlag erschienen und kostet 41 Euro.

 

Von Oliver Trenkamp