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„Frauen an die Spitze“

Der Margherita-von-Brentano-Preis ging an ein Forschungsprojekt zum Sport

Die roten Boxhandschuhe am Fenstergriff fallen sofort auf. Gudrun Doll-Tepper hat die schlagkräftigen Sportgeräte vor Jahren geschenkt bekommen. Damit sie sich auch mal abreagieren könne, hieß es damals. Gebraucht hat sie die Handschuhe bislang nicht, auch wenn Stress für die renommierte Sportwissenschaftlerin kein Fremdwort ist.

Im Januar wurde die viel beschäftigte Professorin – gemeinsam mit Gertrud Pfister, Sabine Radtke, Claudia Biskup, Heidrun Plath, Doris Kula und Dorothea Müth – mit dem Margherita-von-Brentano-Preis geehrt. Die Auszeichnung ist mit 11 000 Euro der höchst dotierte Frauenförderpreis Deutschlands. Im Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft würdigt die Freie Universität Berlin damit diesmal ein Forschungsprojekt zum Sport.

Ausgangspunkt der Untersuchungen war der niedrige Frauenanteil auf der Leitungsebene von Landes- und Spitzenverbänden des organisierten Sports. Denn obwohl Mädchen und Frauen fast 40 Prozent der Sportvereinsmitglieder ausmachen, liegt der Frauenanteil in den gehobenen Gremien nur bei 15 Prozent.

Wollen Frauen keine verantwortungsvollen Positionen übernehmen oder werden sie daran gehindert? In den Jahren 2001 bis 2005 analysierten Doll-Tepper und ihr Team dazu die Strukturen in allen deutschen Sportverbänden, darunter der Deutsche Fußball-Bund oder der Deutsche Turner-Bund. Zusätzlich haben die Wissenschaftlerinnen alle männlichen und weiblichen Führungskräfte nach ihren Aufgaben und Qualifikationen befragt. Sie interviewten Frauen mit ehrenamtlicher Leitungserfahrung im Hinblick auf ihre Biografien und sprachen mit Leistungssportlerinnen und Übungsleiterinnen, die als zukünftige Führungskräfte in Frage kommen.

Gudrun Doll-Tepper, die als Präsidentin des Weltrates für Sportwissenschaft und Leibeserziehung selbst eines der höchsten Ehrenämter im Sport ausübt, fasst die Ergebnisse der Studie so zusammen: „Frauen sind in vielerlei Hinsicht fähig Führungsaufgaben zu übernehmen, denn sie sind hoch qualifiziert und oft beruflich erfolgreich. Und sie wollen auch.“ Nur, das allein reicht offensichtlich nicht aus. Doll-Teppers Kollegin Sabine Radtke hat herausgefunden, warum: „Alle interviewten Frauen erleben ähnliche Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie, Haushalt und Beruf oder Ehrenamt“, sagt sie. „Nur eine perfekte Organisation des Alltags und ein verständnisvoller Partner erlauben derartige Belastungen.“

Für ihr Engagement bei ehrenamtlichen Tätigkeiten erwarten die Frauen Anerkennung. Gerade die bleibt oft auf der Strecke, wenn in den Gremien Sachfragen in den Hintergrund gedrängt werden und personelle Ränkespiele die Arbeit zusätzlich erschweren. „Frauen reagieren auf Intrigen anders als Männer“, erklärt Sabine Radtke. „Während Männer Probleme oft auf die äußeren Umstände schieben, nehmen Frauen sie viel ernster und zudem persönlicher.“ Die Folge: Die ohnehin wenigen Frauen werfen irgendwann entnervt das Handtuch.

Für Gudrun Doll-Tepper kann das nicht im Interesse der Sportverbände liegen. „Schon jetzt zeichnet sich ein Mangel an ehrenamtlichen Führungskräften ab“, warnt sie. Auf fähige Frauen zu verzichten, hieße, die Arbeit der Vereine und Verbände zu gefährden. Potenzielle Führungskräfte zu identifizieren, war daher ein weiteres Anliegen der Untersuchungen. Von den befragten Spitzensportlerinnen können sich viele durchaus vorstellen, Führungspositionen zu übernehmen. Sie sind oft besonders motiviert und wollen sich mit den Erfahrungen ihrer Sportkarriere für Verbesserungen einsetzen. „Aber sie scheuen davor zurück, sich für einen solchen Posten selbst ins Gespräch zu bringen“, sagt Doll-Tepper. „Sie wollen angesprochen werden.“ Die Studienleiterin hält das für einen Fehler. „Frauen sollten Mut zum Risiko haben und sich um interessante Ämter bewerben.“

Deshalb haben die Preisträgerinnen gemeinsam mit ihren Kooperationspartnern, dem Deutschen Sportbund und dem Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland, Maßnahmen ergriffen, um den Frauenanteil in Führungspositionen von Sportverbänden zu erhöhen. Das eigens dazu gegründete Aktionsbündnis „Frauen an die Spitze“ berät die Verbände und bietet Schulungen an. Sätze wie „Wir haben händeringend nach einer Frau fürs Präsidium gesucht, aber keine gefunden“ möchte Gudrun Doll-Tepper nicht mehr hören: „Dann sollen sie auf uns zukommen. Wir kennen genügend fähige Kandidatinnen.“

Von Anke Assig