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Gute Qualität zahlt sich aus

Kleinkindpädagogen haben ein Gütesiegel für Kindertagesstätten entwickelt


Was haben Waschmaschinen, Schneeketten und Schönheitscremes gemeinsam? Sie alle werden regelmäßig getestet. Nur Kindergärten und Kitas nicht. „Dabei kann sich die Entwicklung von Kindern schon im Vorschulalter um bis zu einem Jahr verzögern, wenn die Einrichtung schlecht ist, und zwar unabhängig von der sozialen Herkunft der Mädchen und Jungen“, sagt Wolfgang Tietze, Professor für Kleinkindpädagogik an der Freien Universität Berlin. Selbst in der zweiten Grundschulklasse ließen sich Effekte einer guten Kita noch nachweisen. „Die Kinder“, so Tietze, „haben einen größeren Wortschatz, zeigen bessere Leistungen und ein positiveres Sozialverhalten.“

Nach dem Motto „Gute Qualität muss sich lohnen“ hat der Erziehungswissenschaftler ein pädagogisches Gütesiegel für Kindergärten in Deutschland entwickelt. Ein Kooperationsinstitut der Freien Universität, PädQUIS (Pädagogische Qualitäts-Informations-Systeme), überprüft und bewertet die verschiedenen Qualitätsdimensionen vom Konzept über Strukturen und Prozesse bis hin zu Management und Zufriedenheit der Eltern. „Von einem solchen Gütesiegel mit einheitlichen Kriterien profitieren alle“, sagt Tietze. Denn Eltern und Kinder erhielten so im Sinne des Verbraucherschutzes eine Zusicherung fachlich begründeter Qualität.

Studien belegen, dass qualitative Unterschiede in der Früherziehung nicht zu unterschätzende Langzeitwirkungen haben. So wurde zum Beispiel beim US-amerikanischen Perry-Preschool-Projekt über 30 Jahre lang die Entwicklung von Kindern bis hin zum Erwachsenenalter verfolgt. Fazit: Eine gute Früherziehung führt unter anderem zu seltenerem Schulversagen und höheren Bildungsabschlüssen.

„Wir haben verschiedene Kriterien entwickelt, um die Qualität einer Kita zu messen“, sagt Wolfgang Tietze und nennt Beispiele, die die Prüfer unter die Lupe nehmen: Bekommt jedes Kind seinen Interessen und Fähigkeiten entsprechende individuelle Anregungen? Erhalten Kinder Mitspracherecht, etwa wenn die Kitas neues Spielzeug anschaffen? Dokumentieren die Erzieherinnen die Entwicklung der Kinder? Finden Elterngespräche statt? Wenn eine Kita die verschiedenen Kriterien erfüllt, erhält sie das Gütesiegel.

Längst nicht alle Kitas sind pädagogisch gut. Das ist auch der Fachpolitik bekannt. Bereits 1999 rief das Bundesfamilienministerium eine nationale Initiative zur Qualitätssicherung in den Kindertageseinrichtungen ins Leben. Im Rahmen dieser Initiative entwickelte Tietze mit seinem Team einen Kriterienkatalog für gute Qualität und Verfahren zur systematischen Qualitätsentwicklung in Kitas. Das Ministerium förderte diese Entwicklung und die bundesweite Einführung mit über einer Million Euro. Im Anschluss an diese Arbeiten haben die Pädagogen das Gütesiegel entwickelt, das im Herbst 2005 eingeführt wurde. Seitdem haben sich bundesweit über 200 Einrichtungen freiwillig dem Qualitätstest unterzogen. Rund 40 Prozent der Kindertagesstätten haben den Test im ersten Anlauf bestanden. Bei der Mehrheit waren Qualitätsverbesserungen erforderlich, um die Standards zu erfüllen. Wolfgang Tietze weiß, dass gute Kitas und Tagespflege-Institutionen nur einen Teil der Bildungsförderung der Kinder abdeckt. „Wenigstens genauso wichtig für die Entwicklung und Förderung der Kinder ist die Erziehungskompetenz der Eltern.“

Von Ilka Seer