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Stattlicher Frühlingsbote

Die Blüte der Gelben Scheinkalla ragt bis zu 20 Zentimer aus der Erde


Im Botanischen Garten werden Pflanzen, die besonders sehenswert sind, durch einen roten Punkt gekennzeichnet. Eine von ihnen stellen wir hier wieder vor.

So sehnsüchtig wie nach diesem anhaltend kalten Winter wurde der Frühling schon lange nicht mehr erwartet! Inzwischen ist die Natur aber zaghaft dabei zu erwachen. Eine ganz besondere Frühlings-Attraktion ist im Berliner Botanischen Garten die Gelbe Scheinkalla, auch als Amerikanischer Riesenaronstab (Lysichiton americanus) bekannt. Sie steht in großen Gruppen im amerikanischen Sumpf direkt am Hauptweg, in der Nähe des Eingangs Unter den Eichen. Den dunklen Wasserlachen entsprießen im zeitigen Frühjahr zuerst die großen, goldgelben, tütenförmigen Hochblätter, die die kolbenartigen Blütenstände umhüllen. Botanisch wird solch ein Hüllblatt als Spatha und der kolbenartige Blütenstand als Spadix bezeichnet. Der Aufbau der Blütenstände ist charakteristisch für die Familie der Aronstabgewächse (Araceae), die mit über 100 Gattungen und etwa 3000 Arten überwiegend in den Tropen verbreitet ist.

Die Gelbe Scheinkalla ist eine der wenigen Vertreterinnen dieser Familie, die auch in gemäßigten Breiten vorkommt. Beheimatet ist sie in den Sümpfen und Feuchtgebieten des westlichen Nordamerikas, von Alaska bis Kalifornien. Ihr bis zu 20 Zentimeter hoher, kolbenartiger Blütenstand besteht aus zahlreichen winzigen, dicht gedrängten zwittrigen Einzelblüten. Sie verbreiten einen für unsere Nase unangenehmen Geruch. Daher wird die Gelbe Scheinkalla im englischen Sprachgebrauch auch als Stinktierkohl (skunk cabbage) bezeichnet. Mit diesem „Duft“ lockt die Pflanze Käfer und Fliegen an, die für die Bestäubung sorgen. In den Beerenfrüchten reifen bis zu vier Samen, insgesamt können pro Kolben zwischen 300 und 650 Samen ausgebildet werden. In Amerika werden die Beeren von Nagetieren als Wintervorrat gesammelt und dabei verschleppt, aber auch durch Vögel verbreitet.

Gegen Ende der Blütezeit entwickeln sich aus dem etwa daumendicken, verzweigten Wurzelstock die großen, dicht geaderten Laubblätter. Sie können ein bis anderthalb Meter lang und bis zu 50 Zentimeter breit werden. Für Grizzlybären, die an den jungen Blättern knabbern, sind sie die erste Frühlingsspeise. Als Nahrungsquelle für die Einheimischen haben sie jedoch nur geringe Bedeutung. Sie enthalten Calciumoxalat-Nadeln, die beim rohen Verzehr die Schleimhaut reizen und erst beim Kochen zerfallen. Früher verwendete man die Wasser abstoßenden Blätter an Stelle von Wachspapier zum Abpacken von Nahrungsmitteln.

Die Gattung Lysichiton umfasst nur zwei Arten. Die zweite ist die Weiße Scheinkalla oder der Kamtschatka-Aronstab (Lysichiton camtschatcensis), der von Ostsibirien bis Japan verbreitet ist. Die Pflanzen sind kleiner und blühen meist etwas später im Berliner Botanischen Garten im Amurbereich. Sie unterscheiden sich insbesondere durch die weiße Farbe der Spatha.

Lysichiton americanus wird bei uns als Gartenpflanze und in Parkanlagen an halbschattigen, sumpfigen Stellen auf tiefgründigen Böden, besonders an Teichufern, angepflanzt. Die Pflanze wächst recht langsam, hat sich aber dennoch in Europa mancherorts eingebürgert.

Von Brigitte Zimmer, promovierte Biologin am Botanischen Garten der Freien Universität Berlin.

Der Garten und die Gewächshäuser sind täglich ab 9 Uhr geöffnet.
Internet:
www.botanischer-garten-berlin.de