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Globalisierung ist nicht nur ein Hype

Der Präsident der Universiteit van Amsterdam über Hochschulen im internationalen Kontext

Im bundesweiten Exzellenz-Wettbewerb hat die Freie Universität Berlin als eine von zehn Hochschulen die Endrunde erreicht und zum 20. April 2006 ihr Konzept für eine Internationale Netzwerkuniversität eingereicht. Auf ihrem Weg in die Zukunft berät ein „International Council“ – weltweit renommierte Hochschulmanager und Wissenschaftler – die Freie Universität Berlin. An dieser Stelle präsentieren wir regelmäßig ein Mitglied dieses Gremiums. Ulrike Seiler sprach mit Dr. Sijbolt Noorda, dem Präsidenten der Universiteit van Amsterdam.

 

Herr Dr. Noorda, Sie haben das Konzept, das die Freie Universität Berlin für die Endrunde des Exzellenz-Wettbewerbs vorgelegt hat, kürzlich im International Council diskutiert. Welchen Eindruck hatten Sie davon?

Die Ideen haben uns ziemlich überzeugt. Ein Schwerpunkt des Konzepts ist die zukünftige Entwicklung der Freien Universität Berlin. Es ist wichtig, dass sie ihr breites Fächerspektrum beibehält, denn als eine Hauptstadt-Universität sollte sie sich nicht zu sehr spezialisieren. Trotzdem muss sie auch Prioritäten setzen und zeigen, in welchen Bereichen sie sich stärker entwickeln möchte.

Und in welche Richtung soll es gehen?

Die Studierenden werden zukünftig verstärkt auf den wachsenden Einfluss der Globalisierung vorbereitet: auf eine internationale Handelswelt, eine internationale Forschungswelt, eine internationale politische Welt. Das gefällt mir sehr gut an dem Konzept.

Was hat Sie veranlasst, im International Council der Freien Universität Berlin mitzuarbeiten?

Ich habe schon immer versucht, meine Arbeit international auszurichten. Ich bin davon überzeugt, dass das für die Forschung und Lehre wesentlich ist. Man muss richtig vorbereitet sein auf eine europäische Welt, eine internationale Welt. Globalisierung ist nicht nur ein kurzfristiger Hype, das ist die Wirklichkeit. Und um wichtige alte und bewährte Traditionen zu retten, muss man sich auf diesen internationalen Austausch viel mehr einstellen, als wir das normalerweise tun. Universitäten haben immer noch die Neigung, sich als nationale oder lokale Einrichtungen zu verstehen. Das müssen wir endlich hinter uns lassen.

Sind Sie auch Mitglied anderer internationaler Gremien?

Ja, zum Beispiel in Baden-Württemberg. Dort haben wir eine Evaluationsagentur für die dortigen Universitäten gegründet. Und ich bin Mitglied des Councils der European University Association und pflege viele Kontakte nach Kanada und den USA. All dies ist wichtiger Bestandteil meiner Arbeit.

Wie sind die Erfahrungen der Universität von Amsterdam auf europäischer beziehungsweise internationaler Ebene?

Rundum positiv. Für jeden, der mitmacht, sind es immer stimulierende Erfahrungen. Es ist niemals Extra-Arbeit, es ist immer anregend.

Sie sind auch einer der Gründer des Universitäts-Netzwerks NALB. Die Buchstaben stehen für New York, Amsterdam, London, Berlin…

Die Kooperation zwischen der New York University, der Universiteit van Amsterdam, dem University College London und der Freien Universität Berlin diente dem Ziel, internationale Studiengänge aufzubauen. Das ist allerdings nicht so einfach, weil die Gesetze und Regelungen in den einzelnen Ländern sehr verschieden sind. Trotzdem haben wir es geschafft, einige wichtige Projekte umzusetzen.

Welche?

Das Projekt „Metropolitan Studies“ finde ich besonders wichtig, weil die Studierenden einen Teil ihrer Arbeit in London, einen Teil in Amsterdam und einen Teil in Berlin umsetzen. Gerade die urbanen Entwicklungen sind etwas, was man heutzutage nur in der internationalen Perspektive richtig studieren kann. Der Studiengang Niederlandistik ist noch etwas jünger und muss sich noch entwickeln.

Können Sie Erfahrungen aus NALB in das International Council der Freien Universität Berlin einbringen?

Eine positive Erfahrung für das internationale Gremium ist die Bereicherung, die entsteht, wenn man verschiedene Traditionen von Forschung und akademischer Lehre kennen lernt und so seine eigenen Maßstäbe relativiert. Ich habe früher, bevor ich im Ausland studiert hatte, immer gedacht, dass es nur einen Weg gibt, ein Fach zu studieren. Inzwischen weiß ich, dass es auch andere Wege gibt – und die sind nicht schlechter.

Durch Ihre Mitarbeit im International Council haben Sie auch Ihren akademischen Horizont erweitert. Was schätzen Sie an der Freien Universität Berlin besonders?

Sie hat eine sehr glückliche Kombination von akademischer Hochleistung und internationaler Offenheit. Keine Spur von Provinzialität. Das hat natürlich auch mit der besonderen Geschichte der Universität zu tun.

Dr. Sijbolt J. Noorda, Jahrgang 1945, ist seit 1998 Präsident der Universiteit van Amsterdam. Er studierte Theologie in Amsterdam und New York. Seine Promotion schrieb er an der Utrechter Universität über die historisch-empirische Hermeneutik des Neuen Testaments. Von 1971 bis 1983 lehrte er an der Vrije Universiteit Amsterdam, 1984 erfolgte seine Berufung als Vorstandsmitglied. Seit 2003 ist Dr. Sijbolt J. Noorda gleichfalls Präsident der Hochschule von Amsterdam. Ab Herbst 2006 übernimmt er den Vorsitz des Universitätsvereins, dem holländischen Pendant zur deutschen Hochschulrektorenkonferenz.

 

INTERNATIONAL COUNCIL

DIE MITGLIEDER

Prof. Dr. Christoph Badelt, Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien und Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz ÖRK; Prof. Samuel Barnes, Georgetown University, Washington D.C., Direktor des Center of German and European Studies; Dr. Christian Bode, Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD); Prof. Ian Chubb AO, Vice Chancellor der Australian National University, Canberra; Prof. Ivor Martin Crewe, Vice Chancellor der University of Essex; Richard Descoigns, Direktor des Institut d‘Etudes Politiques de Paris (Science Po); Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen, Vorsitzender des Kuratoriums der Freien Universität Berlin, Präsident a.D. der Hochschulrektorenkonferenz HRK; Prof. Malcolm Grant, Präsident des University College London; Winfried Grolig, Ministerialdirektor, Leiter der Kultur- und Bildungsabteilung, Auswärtiges Amt; Prof. Peter A. Hall, Direktor des Minda de Gunzburg Center for European Studies, Harvard College; Dr. Sijbolt Noorda, Präsident der Universiteit van Amsterdam; Prof. Dr. Konrad Osterwalder, Rektor der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich; Dr. Debora W. Steward, Präsidentin des Councils of Graduate Schools, Washington D.C., Prof. Anatoly V. Torkunov, Rektor des Moscow State Institute of International Relations (MGIMO), Moskau; Prof. Dr. Hans Weiler, Stanford University, Rektor a.D. der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder. is