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Schutz für ein Organ mit Elefantengedächtnis

Die Fälle von Hautkrebs durch Unvernunft beim Sonnenbaden steigen drastisch an

Jeder kennt die Gefahr – doch viele setzen sich ihr immer wieder aus, und dies zumeist aus Eitelkeit. „Eine sonnengebräunte Haut gilt noch immer als Zeichen von Schönheit und Lebensfreude“, sagt Professorin Monika Schäfer-Korting vom Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin. „Doch wenn wir so weitermachen, haben wir bald eine irrsinnige Zahl von Hautkrebserkrankungen.“ Denn die Haut hat ein Elefantengedächtnis für Schäden, die ihr durch exzessives Sonnenanbeten zugefügt werden.

Gefährlich ist nur ein Teil des Sonnenlichts, die so genannte ultraviolette Strahlung. Für die größte Gefahr einer Hautkrebserkrankung – aber auch für den sommerlichen Teint – sorgt dabei die als UV-B bezeichnete kurzwellige Strahlung zwischen 290 und 320 Nanometern. Sie durchdringt die obere Hautschicht, die Epidermis, und erreicht die darunter liegende Dermis. Doch schädlich ist auch die noch tiefer eindringende UV-A-Strahlung.

Bedroht sind vor allem Säuglinge und Kinder. Allerdings nicht allein deshalb, weil deren Haut empfindlicher ist als die von Erwachsenen. „Kinder haben noch eine längere Lebenszeit vor sich und laufen damit stärker als Erwachsene Gefahr, dass sich aus einer geschädigten Hautzelle ein Karzinom entwickelt“, betont Schäfer-Korting. Die Haut habe zwar Mechanismen, sich zu regenerieren. Doch darauf solle man sich keinesfalls verlassen, schon gar nicht angesichts der immer dünner werdenden Ozonschicht.

Wer sich im Freien aufhält, solle unbedingt Kleidung tragen, die kein UV-Licht durchlässt und unbedeckte Körperteile durch Sonnencreme schützen, rät die 54-Jährige, die seit 1994 an der Freien Universität Berlin lehrt. Am besten verzichte man völlig auf ein Sonnenbad – zumindest aber zwischen 10 und 14 Uhr, also zwei Stunden vor und nach dem Höchststand der Sonne. Sonnencremes wirken mit chemischen und physikalischen Lichtschutzfiltern, wie die Pharmakologin erklärt. Chemische Filter schützen die Haut, indem sie die energiereiche Sonnenstrahlung absorbieren und in langwellige Strahlung wandeln. Physikalische UV-Filter enthalten winzige Partikel, die das Licht reflektieren, streuen und zum Teil ebenfalls absorbieren.

Erwachsene sollten im Normalfall den Lichtschutzfaktor der Cremes mit Augenmaß wählen, rät Monika Schäfer-Korting. Bereits ein Faktor 15 absorbiere nämlich mehr als 93 Prozent der UV-B-Strahlen. Ein höherer Faktor solle für lange Aufenthalte in der Sonne gewählt werden, etwa beim Windsurfen. Das Produkt sollte wsserfest sein, bemerkt die Arzneimittelforscherin, damit auch beim Baden und bei verstärkter Schweißbildung der Schutz erhalten bleibt – oder es muss erneut eingecremt werden.

Doch zu welcher Flasche oder Tube man auch greift – vollständig geschützt sei man nie, warnt Monika Schäfer-Korting. Denn die Cremes entschärfen zwar Strahlen der Wellenlänge UV-B, nicht aber unbedingt jene des UV-A-Spektrums, die wesentlich tiefer in die Haut eindringen. „Es gibt kein allgemein anerkanntes Prüfverfahren, um den Schutz vor UV-A-Strahlen zu messen“, sagt die Pharmakologin. Doch dies sei den Verbrauchern kaum bekannt.

Von den Hautkrebsarten, die mit ungeschützter Sonnen-Anbetung einhergehen, ist das Bewusstsein der breiten Bevölkerung allenfalls für die Alarmzeichen des malignen Melanoms geschärft, also die des so genannten schwarzen Hautkrebses. Die tückische Krankheit kündigt sich durch bräunlich-schwarze, asymmetrische und sich ausdehnende Flecken an. Die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle durch den schwarzen Hautkrebs ist seit Beginn der 80er-Jahre in allen westlichen Industriestaaten gestiegen, wie die Deutsche Dermatologische Gesellschaft registriert hat.

„Kaum jemand weiß, dass der helle Hautkrebs rund 20 Mal häufiger auftritt als der schwarze“, meint Monika Schäfer-Korting. Sie gehört dem Vorstand der Gesellschaft für Dermopharmazie an, die durch eine breite Informationskampagne auf diese Gefahr aufmerksam macht. Die mit 80 Prozent häufigste Hautkrebsart ist das Basalzellenkarzinom. Diese Form des hellen Hautkrebses zerstört die Haut, das darunter liegende Gewebe und manchmal sogar Knochen. Erste Warnzeichen sind kleine, flache Knötchen mit glänzender Oberfläche. Die andere Form des hellen Hautkrebses ist das so genannte spinozelluläre Karzinom, der Stachelzellenkrebs. Er kündigt sich durch ein gerötetes Hautareal mit einer verdickten Hornschicht an, die als aktinische Keratose bezeichnet wird. Durchbrechen diese veränderten Zellen die untere Grenze der Epidermis, kommt es zum blumenkohlartig wuchernden Stachelzellenkrebs, erklärt die Pharmakologin. Gemeinsam mit vier Kollegen von der Freien Universität und mit Unterstützung der Industrie erforscht sie ab Juli 2006 im Auftrag des Bundesbildungsministeriums neue Verfahren, um die aktinische Keratose zu heilen.

„In Deutschland wird der Höhepunkt der Hautkrebserkrankungen wohl erst in den nächsten 15 bis 30 Jahren erreicht“, sagt Monika Schäfer-Korting. Wenn die weitere Entwicklung auch nur halbwegs glimpflich verlaufen soll, müssen Vernunft und Eitelkeit rasch einem hundert Jahre alten Schönheitsideal zur Renaissance verhelfen: der vornehmen Blässe.

Von Carsten Wette