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Warum wir so lachen, wie wir lachen

IM BLICKPUNKT DER FORSCHUNG
Fröhlich für die Forschung

„Wir haben Sie eben heimlich gefilmt“, gestanden die Humanbiologen der Freien Universität Berlin ihren Probanden, als sie mit der Datenaufnahme fertig waren, und baten um Verständnis: „Man kann die Mimik eines Menschen nicht erforschen, wenn man ihm vorher ankündigt, er würde gefilmt.“ Alle Testpersonen sahen sich amüsiert im Videofilm an, wie sie bei der vermeintlichen Einübung von Zungenbrechern geschickt in lustige Situationen gebracht wurden. Nur ein einziger nahm das Angebot an, den Film sofort zu löschen. Die Bewegungskoordination der lachenden Gesichter wurde anschließend in einem komplizierten Verfahren vermessen, Kurven wurden erstellt, gespeichert – und weggeschlossen.

„Ausgangspunkt der Untersuchung war die Frage nach der biologischen Universalität von Mimik und der Evolution spezifisch menschlicher Kommunikation“, erläutert Professor Carsten Niemitz, Leiter der AG Humanbiologie und Anthropologie am Institut für Biologie, das Forschungsprojekt. Die Filme der lachenden Probanden wurden nun als Stummvideo einer zweiten Gruppe von Freiwilligen gezeigt, jeweils nur zehn Sekunden lang. Diese sollten nun beurteilen, ob das Lachen im Film herzlich und sympathisch oder aber höflich kontrolliert, unsicher oder gar hämisch sei. Um nicht lange nachdenken zu können, mussten sie unter Zeitdruck bewerten. Dann separierten die Forscher die strahlenden „Gewinner“ mit den besten Beurteilungen von den kläglich lachenden „Verlierern“. Nun schauten sie in den Kurven der Bewegungskoordinationen nach: Das gewinnende, herzlich-fröhlich empfundene Lachen und das wenig überzeugend wirkende Lachen ließen sich beide kristallklar kategorisieren.

Zwei Merkmale der Herzlichkeit fallen besonders auf: Erstens darf es nicht länger als eine halbe Sekunde dauern, bis man sein Gegenüber voll anstrahlt. Längere Zeiten werden negativer bewertet. Die Forscher schließen daraus, dass ein Mensch, der für sein Lachen länger braucht, offenbar nicht spontan lacht: Und wer nachdenkt, ob er lachen will, dem wird nicht ohne Weiteres geglaubt. Als zweites Kriterium für ein sympathisches Lachen fallen das Ausmaß der Bewegungsausschläge und deren Dynamik besonders ins Gewicht. Nicht nur je höher der Lidspalt ist und je weiter der Mund geöffnet wird, ist entscheidend, sondern auch, dass die Bewegungen nicht innehalten. Der Volksmund hat dies Prinzip bereits erkannt und spricht vom Lachen, das „einfriert“. Nun können die Forscher nachweisen, dass schon ein Sekundenbruchteil genügt, um diesen Sympathieverlust des Lachens zu bewirken.

Richtig spannend wurde es, als die Humanbiologen herausfanden, dass eine positive Bewertung nicht nur durch ein den Gegenüber anstrahlendes Gesicht mit großen Augen hervorgerufen wird. Vielmehr ist bei den besonders sympathischen Gewinnern häufig zu beobachten, wie sich die Augen nach weitem Öffnen wieder schließen. In der Zeitlupe erkennt man, dass sich dieser Vorgang sogar oft mehrfach wiederholt. Dies geht so schnell, dass das Phänomen bislang unbekannt war. Daher konnten die beurteilenden Personen auch nicht angeben, wonach sie ein bestimmtes Gesicht einer bestimmten Kategorie der Herzlichkeit zugeordnet hatten. Die Schlussfolgerung: Wer ein lachendes Gesicht sieht, wertet blitzschnelle, koordinierte mimische Bewegungen, die er nicht bewusst wahrnimmt, ganz klar und ganz sicher aus. Wer aber etwas sicher und ohne Schwierigkeiten beurteilt, obwohl er es selbst nicht bewusst wahrnimmt, kann dies nicht gelernt haben. Damit ist nicht nur das genetische, also erbliche Fundament der mimischen Kommunikation bewiesen, sondern die Wissenschaftler konnten durch ihre Methodik viele Feinheiten in der praktischen Umsetzung erkennen. So dienen diese Forschungsergebnisse einer allmählich heranreifenden Theorie der Evolution unserer menschlichen Kommunikation.

Die Forschungsgruppe der AG Humanbiologie und Anthropologie an der Freien Universität Berlin erforschte in diesem Zusammenhang auch das Lachen kleiner Kinder. Daher wissen wir, in welchen Merkmalen Kinderlachen sich grundsätzlich von dem der Erwachsenen unterscheidet. Und schließlich untersuchten die Forscher, wie gut ein Mensch die ihm unbekannte Mimik von Schimpansen versteht – sehr viel besser, als die Wissenschaftler selbst geglaubt hätten. tz