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„Die Ausbildung verbessern und weiterentwickeln“

Ein Gespräch mit Debra W. Stewart, Präsidentin des Council of Graduate Schools, über die Graduiertenausbildung in den USA

Im bundesweiten Exzellenz-Wettbewerb hat die Freie Universität Berlin als eine von zehn Hochschulen die Endrunde erreicht und ihr Konzept einer Internationalen Netzwerkuniversität eingereicht. Das Ergebnis des Wettbewerbs wird am 13. Oktober 2006 veröffentlicht. Auf ihrem Weg in die Zukunft berät ein „International Council“ – weltweit renommierte Hochschulmanager und Wissenschaftler – die Freie Universität. An dieser Stelle präsentieren wir regelmäßig ein Mitglied des Gremiums. Ilka Seer sprach mit Prof. Dr. Debra W. Stewart, Präsidentin des Council of Graduate Schools in Washington D. C.

 

Welche Ziele verfolgen Graduiertenschulen in den USA?

Ihre Aufgabe ist es vor allem, exzellente Graduiertenausbildung und Forschung zu gewährleisten sowie alle wissenschaftlichen Aktivitäten zu bündeln – auch interdisziplinär. Graduiertenschulen sind an die zentrale Universitätsverwaltung gegliedert und vereinen alle Studienprogramme, die über die Bachelor-Ausbildung hinausgehen, also Master-Studiengänge und strukturierte Doktorandenprogramme. Ihnen steht ein Rektor vor und ein Beirat, der sich aus Vertretern aller Fachbereiche zusammensetzt.

Wie viele Graduiertenschulen gibt es in den Vereinigten Staaten?

Es gibt etwa 1700 Hochschul-Institutionen in den USA, die mindestens einen Graduiertenstudiengang anbieten. Diese Studiengänge müssen aber nicht zwangsläufig in einer Graduiertenschule angesiedelt sein.

Wie viele Schulen sind Mitglied im Council of Graduate Schools, dem Sie vorstehen?

Wir haben ungefähr 470 Mitglieder. Auf sie alleine entfallen über 90 Prozent der Doktorandenprogramme und 75 Prozent der Master-Studiengänge in den USA. Alle großen Forschungsuniversitäten des Landes gehören dem Council an.

Welche Aufgabe hat der Council of Graduate Schools?

Wir streben an, die Graduiertenausbildung stetig zu verbessern und weiterzuentwickeln. Der Council leistet seinen Beitrag durch Fürsprache sowie das Entwickeln und Verbreiten von Best-Practice-Beispielen. Wir informieren unsere Mitglieder beispielsweise über hervorragende Einzelbeispiele und können ihnen sogar durch Drittmittel – also zusätzlich eingeworbene Gelder – wichtige Pilotprojekte in ausgewählten best practice-Bereichen finanzieren.

Wäre eine solche Einrichtung in Deutschland empfehlenswert?

Ich glaube nicht, dass ich qualifiziert bin, Deutschland zu empfehlen, was es tun sollte. Ich kann nur sagen, dass der Council der amerikanischen und kanadischen Universitätslandschaft gutgetan hat und dass eine solche Einrichtung wohl auch helfen könnte, die Qualität der deutschen Graduiertenausbildung voranzutreiben.

Welche Vorteile bietet die Mitgliedschaft in Ihrem Council?

Wir veranstalten für unsere Mitglieder zwei Konferenzen im Jahr: das Jahrestreffen im Dezember und einen Workshop im Sommer. Dadurch können die Forschungsdekane Erfahrungen austauschen. Wir haben zudem ein Diskussionsforum im Internet, das ausschließlich den Mitgliedern zur Verfügung steht, und wir haben eine Reihe von Veröffentlichungen. Darüber hinaus organisieren wir eigene Studien, beispielsweise zu den Zulassungsmodalitäten, die internationale Studierende an US-amerikanischen Universitäten erwarten.

Wie erfolgt die Zulassung vom Bachelor zum Master und weiter zum Doktorandenprogramm?

Der Bachelor-Abschluss bildet die Grundvoraussetzung für jedes Graduiertenprogramm. In manchen Fächern ist ein Master-Studiengang erforderlich, um für ein Doktorandenprogramm zugelassen zu werden. In anderen ist es möglich, sich direkt für den Ph.D.-Kurs zu bewerben. Die dritte Variante ist, innerhalb des Doktorandenprogramms den Master sozusagen als Zwischenprüfung zu absolvieren. Die Zugangsvoraussetzungen werden von den einzelnen Graduiertenschulen bestimmt.

Durch welche Kontrollen wird in den USA die Qualität der Master- und Ph.D.-Studiengänge gesichert?

Alle Graduiertenprogramme werden schon vor der Einführung minutiös evaluiert. Danach nimmt der Council of Graduate Schools in regelmäßigen Abständen Kontrollen vor. Wir versuchen, Schwachstellen innerhalb eines Programms zu erkennen und Strategien zu entwickeln, um diese zu beheben. Wenn es nötig ist, empfehlen wir sogar, Programme einzustellen.

Wie hoch sind die Studiengebühren in den Vereinigten Staaten für Master- und Ph.D.-Studiengänge?

Die Höhe der Gebühren variiert enorm, denn jede Universität hat ihr eigenes Gebührensystem. Wie stark die Studierenden zur Kasse gebeten werden, hängt aber auch davon ab, ob es sich um die Graduiertenschule einer privaten oder staatlichen Universität handelt und ob die Studierenden aus dem Bundesstaat stammen, in dem sie studieren. Im Durchschnitt haben die Studierenden im akademischen Jahr 2003/2004 an einer staatlichen Universität 4400 Euro gezahlt, an einer privaten 13 000 Euro.

Glauben Sie, dass amerikanische Hochschulen ihre eigenen Strukturen aufgrund der europäischen Entwicklungen im Rahmen des Bologna-Prozesses verändern müssen?

Die europäischen Universitäten sind durch den Bologna-Prozess und die dadurch bedingte Studienreform, also die Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge, deutlich wettbewerbsfähiger geworden. Dies gilt nicht nur innerhalb Europas, sondern auch darüber hinaus, denn damit konkurrieren nunmehr alle Hochschulen um die besten Studierenden. Die amerikanischen Universitäten und der Council of Graduate Schools prüfen derzeit, wie wir auf die Einführung der dreijährigen Bachelor-Studiengänge in Europa reagieren sollten.

Was hat Sie daran gereizt, Mitglied im International Council der Freien Universität zu werden?

Die Freie Universität Berlin hat eine beeindruckende Geschichte und ein sehr hohes Ansehen weltweit – vor allem wegen ihrer fortschrittlichen Lehre in einer demokratischen Gesellschaft. Die Diskussion darüber, wie die Graduiertenausbildung an der Freien Universität gestaltet werden kann, finde ich aufgrund meines Amtes in Amerika äußerst reizvoll.

Debra W. Stewart ist seit 1984 Professorin für Politikwissenschaft an der North Carolina State University. Seit 2000 ist sie außerdem Präsidentin des Council of Graduate Schools.

INTERNATIONAL COUNCIL

Die Mitglieder

Prof. Dr. Christoph Badelt, Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien und Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz ÖRK

Prof. Samuel Barnes, Georgetown University, Washington D. C., Direktor des Center of German and European Studies

Dr. Christian Bode, Generalsekretär des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD); Prof. Ian Chubb, Vice Chancellor der Australian National University, Canberra

Prof. Ivor Martin Crewe, Vice Chancellor der University of Essex

Richard Descoigns, Direktor des Institut d'Etudes Politiques de Paris (Science Po)

Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen, Vorsitzender des Kuratoriums der Freien Universität Berlin, Präsident a. D. der Hochschulrektorenkonferenz HRK

Prof. Malcolm Grant, Präsident des University College London

Winfried Grolig, Botschafter, Ministerialdirektor, Leiter der Kultur- und Bildungsabteilung im Auswärtigen Amt

Prof. Peter A. Hall, Direktor des Minda de Gunzburg Center for European Studies, Harvard College

Dr. Sijbolt Noorda, Präsident der Universiteit van Amsterdam

Prof. Dr. Konrad Osterwalder, Rektor der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich

Dr. Debra W. Steward, Präsidentin des Council of Graduate Schools, Washington D. C.

Prof. Anatoly V. Torkunov, Rektor des Moscow State Institute of International Relations (MGIMO), Moskau

Prof. Dr. Hans Weiler, Stanford University, Rektor a. D. der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder. is