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Energie aus Alkohol

Die Überlebensstrategie eines Bakteriums als Vorbild für Biobrennstoffzellen

Es gibt kaum einen Ort, wo Pseudomonas aeruginosa nicht lebt. Das Bakterium wächst im Boden, im Wasser und kann in Pflanzen und Früchten gefunden werden. Sogar Desinfektionsmittel erträgt es, was den Einzeller zu einem gefürchteten Gegner der Krankenhaushygieniker macht. Möglich ist dies, weil das Bakterium von unterschiedlichsten Stoffen leben kann. So gewinnt es die Energie, die es zum Leben braucht, beispielsweise auch aus dem Alkohol Ethanol.

Eigentlich nicht ungewöhnlich, schließlich kann man Alkohol zur Energiegewinnung auch einfach verbrennen. Jedoch: „Die Kunst ist es, dies in so geordneten Bahnen zu tun, dass die Energie hinterher nutzbar ist“, erklärt Robert Bittl, Professor am Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin, der den Prozess zusammen mit Helmut Görisch, Professor für Technische Biochemie an der Technischen Universität Berlin, untersucht. Die Wissenschaftler hoffen, dass die Mechanismen des Bakteriums eines Tages vielleicht für Sensoren oder Biobrennstoffzellen genutzt werden könnten.

Für den Alkoholabbau ist im Bakterium ein bestimmtes Enzym zuständig. Wie jedes Protein gleicht es einem Wollknäuel, dessen Fäden aus Ketten von Aminosäuren bestehen. Darin befinden sich Taschen, in die ein Ethanolmolekül hineinpasst. Um den Alkoholabbau in Gang zu setzen, bedarf es allerdings noch eines weiteren Faktors. Hier ist das ein Molekül mit so kompliziertem Namen, dass man besser nur die Abkürzung benutzt: PQQ (Pyrroloquinolin-Chinon). Beim Alkoholabbau in Pseudomonas aeruginosa spielt PQQ eine Schlüsselrolle.

„Wir wussten bisher nicht genau, wie es weitergeht, wenn das Ethanolmolekül die passende Tasche mit dem PQQ im Enzym gefunden hat“, sagt Robert Bittl. Wie die Tasche aussieht, wurde schon vor einigen Jahren mit Röntgenstrahlen untersucht. „Es war aber nie möglich, das Enzym zusammen mit Alkohol zu kristallisieren“, sagt der Biophysiker. Deshalb konnte man bisher auch nicht klären, wie das Ethanol in der Bindungstasche sitzt. Das ist aber entscheidend für die Frage, wie das Enzym den Alkohol abbaut. Robert Bittl und seine Kollegen haben ihre physikalischen Methoden benutzt, um die Lage des Ethanols in der Tasche zu klären, wie sie in der Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences, USA“ berichten. Es zeigte sich, dass ihre Methode, für die sie Mikrowellen, Radiowellen und Magnetfelder einsetzen, auch dann funktioniert, wenn sie das Enzym zusammen mit Alkohol in ihre Apparatur gaben.

Das Ethanol nistet sich so in die Tasche ein, dass es sehr leicht ein positiv geladenes Wasserstoffatom an das Protein und dann ein negativ geladenes Wasserstoffatom an das PQQ abgeben kann. Dadurch setzt das Enzym eine Reaktion in Gang. Übrig bleiben ein oxidiertes, bereits teilweise abgebautes Ethanol und ein PQQ, das zwei Elektronen mehr hat als es braucht. In gewissem Sinn ist die Verbrennungsenergie damit auf das PQQ übergegangen. Danach verlässt das oxidierte Ethanol die Bindungstasche und die zwei Elektronen werden vom PQQ schrittweise über andere Proteine und Kofaktoren weiter gegeben. Am Ende entsteht ein elektrochemisches Potenzial über der Zellmembran, ähnlich wie in einer Batterie. Diese Energie nutzt die Bakterienzelle.

„Wenn man es schafft, das elektrochemische Potential abzugreifen, das bei dieser Reaktion entsteht, könnte man einen Sensor für Alkohole bauen“, sagt Helmut Görisch. Vielleicht könnten Biotechnologen die Vorlage aus der Natur sogar dazu verwenden, eine Biobrennstoffzelle zu bauen, die mithilfe von Alkohol elektrische Energie erzeugt. „Es ist aber nicht immer so, dass die Prozesse in der Natur genau für die Zwecke optimiert sind, für die wir sie gerne einsetzen würden“, meint Görisch. Das wird man erst wissen, wenn man die Funktionsweise des Enzyms genau verstanden hat. Michael Fuhs