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Wer mit wem spricht

Die „BerlinMediaProfessionalSchool“ analysiert gesellschaftliche Kommunikationsprozesse

Von Ilka Seer

Sie sitzen in den Fluren und warten. Es wird geraucht, geplaudert, die Technik überprüft. Als eine Tür sich öffnet, schießt alles hoch. TV-Kameras belagern den Mann, der doch eigentlich nur kurz frische Luft schnappen wollte. Die Fragen der Reporter schwirren umher. „Lungern“ nennen Journalisten das Warten vor Ausschusssitzungstüren. „Die Pressemeute“ werden sie von den Politikern genannt. Das Abpassen wichtiger Nachrichten in den Fluren der Macht gehört zum Alltagsgeschäft jedes Hauptstadtkorrespondenten. Deshalb sind sie manchmal lästig, häufig ungeliebt und trotzdem ungemein wichtig. Denn wer die Herde der akkreditierten Medienvertreter in Berlin richtig füttert, behält die politische Meinungshoheit im Land. Doch nicht jeder in Politikbetrieb und Gesellschaft weiß, wie die Regeln funktionierten. „Wir stellen immer wieder fest, dass die Beteiligten an den gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen nebeneinander und in Unkenntnis der Arbeitsweise der jeweils anderen arbeiten“, sagt der Intendant des Deutschlandradios, Ernst Elitz. Daraus entstünden viele Missverständnisse. Hier setzt die neue „BerlinMediaProfessionalSchool“ (BMPS) an, die gestern an der Freien Universität Berlin mit dem Kongress „Medien im 21. Jahrhundert“ offiziell eröffnet wurde.

Ernst Elitz, der zugleich Honorarprofessor am Institut für Kultur- und Medienmanagement der Freien Universität Berlin ist, leitet die BMPS gemeinsam mit Klaus Siebenhaar, Professor am Institut für Kultur- und Medienmanagement und Hans-Jürgen Weiß, Professor für Kommunikations- und Medienforschung. „Eine unabhängige Institution wie die ,MediaSchool‘ bietet ein gutes Forum, sich auszutauschen, Probleme offen zu benennen und Informationsblockaden abzubauen“, erklärt Elitz sein Engagement.

Als fächerübergreifend arbeitende Einrichtung soll die BMPS die medien- und kommunikationswissenschaftlichen Lehr- und Forschungsangebote der verschiedenen Disziplinen an der Freien Universität bündeln und sich zu einem unabhängigen, transdisziplinär arbeitenden Kompetenzzentrum am Medienstandort Berlin etablieren. Die Einbindung in das universitäre Umfeld sei dabei, so Klaus Siebenhaar, von ebenso zentraler Bedeutung wie eine institutionelle Vernetzung mit der Medienpraxis. Denn die BMPS wird sich nicht allein auf Forschungsprojekte und die praxisbezogene Förderung fortgeschrittener Studierender medienrelevanter Fachgebiete konzentrieren. Sie soll auch ein Forum für den Dialog zwischen angewandter und interdisziplinärer Medienforschung und Medienpraxis werden. „Die BMPS ist keine Schule im klassischen Sinne, die vorwiegend theoretisch ausbildet. Sie ist vielmehr ein Dach, unter dem Medienwissenschaft und Medienpraxis zusammenkommen sollen“, erklärt Siebenhaar.

Genau darin unterscheidet sie sich von bestehenden Angeboten, etwa an Filmhochschulen oder in Studiengängen wie Publizistik und Kommunikationswissenschaft. „Die BMPS ist sehr viel stärker auf die Medienwirtschaft ausgerichtet und wird durch die beteiligten Unternehmen, Verbände und Rundfunkanstalten ganz anders agieren“, sagt Siebenhaar. „Die Media School hat die Freiheit, einzelne Schwerpunkte zu wählen und dazu Projektteams zu bilden, an denen auch die Studierenden beteiligen werden. Es gibt keine Verpflichtung, ein festgelegtes Lehrprogramm umzusetzen.“

Dabei konzentriert sich die Schule nicht nur auf die neuen und audio-visuellen Medien. Eingebunden sind auch die traditionellen Medienfächer wie Publizistik und Kommunikationswissenschaft, Theater- und Filmwissenschaft sowie Medienphilosophie und -soziologie.

Einen ersten Einblick in die Aktivitäten der Medienschule gab es bereits im Januar: Gemeinsam mit dem Deutschlandradio veranstaltete sie eine Informationstagung zum Thema „Hauptstadtjournalismus“, die sich insbesondere an Bundestagsabgeordnete richtete. Renommierte Journalisten berichteten über ihren Berufsalltag und gaben Tipps für den Umgang mit Medienvertretern. Referenten waren unter anderem der Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios Peter Frey, der stellvertretende Chefredakteur des Hauptstadtbüros Joachim Wagner und Konstantin von Hammerstein, stellvertretender Leiter des Spiegel-Hauptstadtbüros. Im Rahmen der „Professionellen Weiterbildung“ soll in Zukunft auch der Erfahrungsaustausch zwischen Medienpraktikern und Fachfremden gefördert werden. Die zweite Informationstagung wird am 17. Januar 2007 unter dem Titel „Lobbyismus und politische Kommunikation“ stattfinden.

Auch für den Beirat der „BerlinMediaProfessionalSchool“ konnten namhafte Mitglieder gewonnen werden, darunter das Vorstandmitglied der Axel-Springer-Stiftung Dieter Stolte, der Herausgeber der „Welt“ Jan-Eric Peters und rbb-Fernsehdirektor Gabriel Heim. Sie werden das Kompetenzzentrum aktiv unterstützen, ebenso das Unternehmen AOL, das ein Master-Kolleg zum Thema Web 2.0 finanziert, sowie Vodafone, das ein Kolleg zu Zukunftsaspekten der Medienkommunikation fördert. Darüber hinaus plant die BMPS eine Kooperation mit der neuen Medienakademie der Axel Springer AG, die im Januar 2007 gegründet und die erste Adresse für eine moderne, medienübergreifende Journalistenausbildung in Deutschland werden soll. „Damit würde uns eine Schnittstelle zum praktischen Journalismus und zur privatwirtschaftlichen Medienentwicklungsforschung gelingen“, sagt Siebenhaar.

Die Reporter werden weiter in den Fluren auf Informationen warten. Warum sie das tun, wird man jetzt durch die „BerlinMediaProfessionalSchool“ erfahren.

Mehr im Internet unter: www.bmps.fu-berlin.de

DER BEIRAT

Im Beirat der neuen „BerlinMediaProfessionalSchool“ an der Freien Universität Berlin ist geballte Medienkompetenz vertreten: Dr. Gunnar Bender (Vizepräsident Unternehmenskommunikation AOL Deutschland GmbH & Co. KG.), Dr. Rainer Esser (Geschäftsführer Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG. Hamburg), Markus Föderl (Chefredakteur n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH & Co. KG.), Prof. Dr. Bernd Holznagel, LL.M., (Direktor Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht, Universität Münster), Gabriel Heim (Fernsehdirektor Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), Berlin/Potsdam Babelsberg), Prof. Klaus Keil, (Direktor Erich Pommer Institut gGmbH, Potsdam), Dr. Michael Maier, (Geschäftsführer NZ Netzeitung Beteiligungs GmbH., Berlin), Jan-Eric Peters (Herausgeber und Gesamtverantwortlicher Chefredakteur von „Die Welt“, „Welt-Kompakt“ und „Berliner Morgenpost“), Dr. Thomas Rietzschel (Geschäftsführer Medkomm GmbH für Medien und Kommunikation München/Frankfurt a. M.), Maximilian Schöberl (Leiter Konzernkommunikation und Politik BMW Group, München), Horst Seidenfaden (Chefredakteur HNA – Hessische/Niedersächsische Allgemeine, Kassel), Prof. Dr. h. c. Dieter Stolte (Mitglied des Vorstands Axel Springer Stiftung, Berlin), Georgia Tornow (Generalsekretärin film20 Interessengemeinschaft Filmproduktion e. V. Berlin), Prof. Dr. Peter Vorderer (USC Annenberg School for Communication, University of Southern California, Los Angeles). is