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Die Ehemaligen kehren zurück

EINE LOBBY FÜR DIE HOCHSCHULE
Alumni-Aktivitäten an der Freien Universität Berlin

Die Freie Universität Berlin gewinnt immer mehr Alumni als Mitstreiter für gemeinsame Ziele

Von Jan Bosschaart

Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit gehört dazu. Sein Vorgänger Eberhard Diepgen. Und die Ex-Bundesminister Hans Eichel und Otto Schily. Auch Jutta Limbach und Ernst Benda, ehemalige Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen: Absolventen der Freien Universität Berlin sitzen überall in verantwortlichen Positionen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur.

Die Verbundenheit der Alumni mit ihrer Alma Mater wurde auch in der großen Geschichtsausstellung der Freien Universität Berlin im Jahr 2004 dokumentiert. Foto: Florian Profitlich

Alumni – vom lateinischen Wort für Zöglinge eines Alumnats, das heißt einer Lehranstalt – werden die Ehemaligen nach amerikanischem Vorbild genannt. Dort, auf der anderen Seite des Atlantiks, hat die Verbundenheit der Absolventen mit ihrer Universität eine lange Tradition. Alumni, die ihre Karriere in Politik oder Wirtschaft gemacht haben, sind unverzichtbar für ihre Alma Mater: Sie unterstützen sie durch großzügige Spenden oder politischen Einfluss.

Es hat einige Zeit gedauert, bis dieser Trend Deutschland erreichte. Während es in den USA eine seit mehr als 100 Jahren gefestigte Alumni- und Spendentradition gibt, haben deutsche Universitäten das Potenzial ihrer Ehemaligen erst seit den 1990er Jahren für sich entdeckt.

„Es ist wahr – unsere Universität hat ihre Ehemaligen lange Zeit nicht berücksichtigt“, sagt Dr. Wedigo de Vivanco, Leiter der Abteilung Außenangelegenheiten der Freien Universität Berlin. „Vergessen waren sie aber nicht, sie standen nur nicht im Bewusstsein der Entscheidungsträger. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert“.

Ehemalige Studierende waren gerührt, andere erstaunt, einige belustigt, als die Freie Universität Berlin anlässlich ihrer 50-Jahr-Feier im Dezember 1998 per Anzeige im „Tagesspiegel“ nach ihren Alumni suchte – das zeigen die Briefe, die Wedigo de Vivanco daraufhin erreichten. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet: Etwa 11 000 Absolventen, organisiert in 22 Alumni-Vereinen der Fachbereiche und Institute, sind in der Datenbank der Ehemaligen verzeichnet. Und täglich kommen weitere Namen hinzu.

Die Freie Universität Berlin hat nicht nur aufgeholt, sondern sogar überholt. Als erste und bislang einzige deutsche Universität unterhält sie ein Büro in New York, das sich unter anderem der Alumni-Suche in den USA widmet. „Darüber freuen wir uns besonders. Mit dieser gemeinnützigen Organisation ist die Freie Universität in den USA sehr präsent“, sagt Prof. Dr. Dieter Lenzen, Präsident der Universität. Vom repräsentativen Sitz im German House am United Nations Plaza aus knüpfen die „Friends of Freie Universität Berlin“ (FFUB) Kontakte zur amerikanischen Wirtschaft, Kultur und Politik. Sie schlagen damit eine Brücke über den Atlantik. Diesem Zweck dient auch der „Transatlantic Bridge Award“, den der FFUB seit 2004 verleiht.

Bisherige Preisträger sind Lord Norman Foster, Architekt des Reichstagsumbaus und der neuen Philologischen Bibliothek der Freien Universität Berlin, und Professor Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums. Die alljährliche Preisverleihung in New York ist ein Höhepunkt im gesellschaftlichen Leben der Metropole und für den FFUB und dessen Geschäftsführerin Hélène Sostarich-Barsamian eine gute Möglichkeit, auf die Freie Universität Berlin aufmerksam zu machen, Sponsoren zu gewinnen und Alumni zu finden.

Auch Alt-Bundespräsident Roman Herzog gehört zu den Alumni. Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher ebenfalls. Und Herta Däubler-Gmelin, ehemalige Bundesjustizministerin. Alumni sind keineswegs nur Absolventen – auch Lehrende zählen dazu. So kann etwa das Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft eine große Zahl berühmter Honorarprofessoren aus der Politik vorweisen. Alumni-Organisationen wie dem OSI-Club ist es zu verdanken, dass die Erfahrungen von Renate Künast, Heiner Geißler, Manfred Stolpe und Hildegard Hamm-Brücher in die Hörsäle und Seminarräume der Freien Universität gelangen.

Urmutter der Fördervereinigungen an der Freien Universität Berlin ist die Ernst-Reuter-Gesellschaft (ERG). Reuter, Berlins verdienstvoller Oberbürgermeister, hatte entscheidenden Anteil an der Entstehung der Freien Universität im Jahr 1948. Er unterzeichnete den Gründungsaufruf und war erster Vorsitzender des Kuratoriums. Früh wies er auf die Notwendigkeit einer Fördergesellschaft für die Hochschule hin. Deren Gründung erlebte Reuter nicht mehr: Er starb im Herbst 1953, wenige Monate, bevor die nach ihm benannte Gesellschaft der Förderer und Freunde der Freien Universität Berlin aus der Taufe gehoben wurde.

Die ERG, die sich die Förderung der Forschung, Lehre und des wissenschaftlichen Nachwuchses auf die Fahnen geschrieben hat, verleiht alljährlich am Gründungstag der Freien Universität Berlin, dem 4. Dezember, die Ernst-Reuter-Preise für herausragende Dissertationen. Sie sind mit 5 000 Euro dotiert und gehören damit zu den höchsten Preisen für Doktorarbeiten in Deutschland. „Die ERG versucht zudem, der Universität ideelle und materielle Hilfe zu leisten, um ihre Stellung als Ort geistiger Auseinandersetzung, demokratischer Kultur und innovativer Ideen zu erhalten und auszubauen“, umreißt Wedigo de Vivanco, der auch Geschäftsführer der ERG ist, die Ziele des Vereins. Um das zu erreichen, bedurfte es stets der Hilfe der Absolventen und ehemaligen Lehrkräfte der Universität.

Und wie können die Ehemaligen der Universität nützen? „Vorrangig geht es darum, Alumni als Mitstreiter für unsere Interessen zu gewinnen. Sie sollen sich für ihre Alma Mater einsetzen und verhindern helfen, dass sich der Staat aus der Verantwortung zurückzieht, universitäre Spitzenleistungen zu ermöglichen“, sagt Präsident Lenzen. Die Freie Universität Berlin besinnt sich nicht erst in diesen finanziell schwierigen Zeiten auf ihre Ehemaligen, um – dem amerikanischen Vorbild folgend – auf Spenden zu hoffen: Wir brauchen die Alumni vielmehr, um Verbindungen zur Arbeitswelt herzustellen, um ein Feedback zwischen Berufs- und Studienalltag zu bekommen“, so ERG-Geschäftsführer de Vivanco.