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Der kleine, große Unterschied

Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung feiert Jubiläum

Von Kerrin Zielke

„Hätten wir den großen Erfolg der Edition vorausgesehen, wären wir viel stärker aufgetreten vor dem damaligen Präsidenten der Freien Universität“, schmunzelt Jutta Limbach. Die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und Professorin an der Freien Universität Berlin war aus gutem Grund als Festrednerin anlässlich des 25-jährigen Bestehens der „Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung“ geladen: Dem ersten Beirat gehörte Jutta Limbach selbst an. Sie hatte neben der Hochschullehrerin Anke Bennholdt- Thomsen wesentlichen Anteil an der von ihr angesprochenen Edition: die Publikationsreihe „Ergebnisse der Frauenforschung“, eines der Aushängeschilder der Zentraleinrichtung. Der damalige Präsident der Freien Universität Eberhard Lämmert „begrüßte grundsätzlich das von den Damen vorgetragene Projekt“, wie es im Gesprächsprotokoll heißt. Die Gründung der Publikation Mitte der 1980er Jahre war bald besiegelt.

Frauen- und Geschlechterstudien waren damals im akademischen Betrieb und in den Verlagen Neuland. Heute gehören die Veröffentlichungen der Zentraleinrichtung zu den angesehensten in diesem Feld. Neben den „Ergebnissen der Frauenforschung“ erscheinen regelmäßig das Jahrbuch für Frauen- und Geschlechterforschung „Querelles“ und das Online-Magazin „Querelles-Net“.

Der letztlich ausschlaggebende Impuls, die Zentraleinrichtung zu gründen, kam von außen: Die 1970er Jahre waren von Protest geprägt, auch die neue Frauenbewegung formte sich. „In der ganzen Stadt brodelte es vor Unzufriedenheit und Veränderungswillen. Es gab ein ganzes Netz an Aktivitäten und Frauen-Seminaren“, erinnert sich Dr. Ulla Bock, die seit der Gründung an der Zentraleinrichtung mitarbeitet und heute deren Geschäftsführerin ist. Ende der 1970er Jahre erteilten das Berliner Abgeordnetenhaus und der Senat den Auftrag zu prüfen, ob ein „wissenschaftlicher Forschungs- und Studienschwerpunkt über Frauenfragen an einer Berliner Hochschule“ eingerichtet werden könne. 1980 beschloss der Akademische Senat der Freien Universität Berlin nach zweijähriger Planung, Wissenschaftlerinnen und frauenspezifische Forschung mit einer eigenen Einrichtung zu fördern. „Die Medien im gesamten Bundesgebiet berichteten darüber“, sagt Ulla Bock. „Es gab zum Teil große Aufregung wegen der Empfehlung, wissenschaftliche Posten paritätisch mit Frauen zu besetzen. Der Ruf der Freien Universität schien ernsthaft gefährdet.“

Die Befürchtung erwies sich jedoch als unbegründet, weil es auch in der Folgezeit zu keinen Berufungen kam, bei denen nicht das Kriterium der Exzellenz ausschlaggebend gewesen wäre.

Der Förderbeschluss war in der Bundesrepublik zu jener Zeit einmalig, und die Zentraleinrichtung avancierte zum Vorbild ähnlicher Stellen an vielen Universitäten. Bis heute hat die Freie Universität Berlin ihre Rolle als Vorreiterin der Frauenförderung gehalten. So wurde sie für ihre Personalpolitik der Chancengleichheit von Männern und Frauen 2002 und 2005 mit dem für drei Jahre verliehenen Prädikat „Total E-Quality Science Award“ ausgezeichnet. Als eine von nur drei Universitäten erhielt sie die Auszeichnung gleich zwei Mal in Folge.

Die Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung ist auf mehreren Gebieten tätig. Die Wissenschaftlerinnen initiieren und unterstützen Forschungsprojekte, veranstalten Tagungen und führen eine der am besten ausgestatteten Bibliotheken zum Thema. Doch forschen und lehren die Wissenschaftlerinnen auch selbst. Außerdem managen sie die berufsvorbereitenden Bachelor-Kurse zum Thema „Gender und Diversity“. In der Zentraleinrichtung wird zudem der weiterbildende Zusatzstudiengang „Gender-Kompetenz“ nach der dreijährigen Pilotphase zu einem Master-Studiengang weiterentwickelt. Er wird ab dem nächsten Wintersemester zum festen Lehrangebot zählen.

Die Frauen- und Geschlechterstudien an der Freien Universität Berlin sind keine eigenständige Disziplin, sondern in den einzelnen Fächern verankert. Schon mit ihrem ersten Kongress „Methoden der Frauenforschung“ leistete die Zentraleinrichtung Anfang der 1980er Jahre einen Beitrag zur feministischen Theorie, die sich im Lauf der Jahre stark aufgefächert hat.

In jüngerer Zeit setzten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf mehreren Tagungen mit Entwicklungen in der Gleichstellungspolitik auseinander. Nach dem Konzept des „Gender Mainstreaming“ sollen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben konsequent die Interessen von Frauen und Männern berücksichtigt werden.

Der Stellenwert, den der Ansatz bis auf die Ebene der Europäischen Union hat, ließe vermuten, „die Frauenfrage sei nun gelöst“, sagte Jutta Limbach auf der Festveranstaltung ironisch. Sie rief die „lieben Ladies“ auf, noch stärker mit dem „anderen Geschlecht“ in den Dialog zu treten. Es sei nötig, sich mit neuen Theoremen in aktuelle Debatten einzumischen, sei es beim Terrorismus oder in der Biopolitik. Die „Anwendungsorientierung“ ist der Geschlechterforschung eigen geblieben.