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Die Freie Universität Berlin ehrt den Schriftsteller Arnold Stadler

SCHRIFTSTELLER, ESSAYIST UND ÜBERSETZER
Die Ehrendoktorwürde für Arnold Stadler

Jenseits der Milchkannen

Von Patrick Heidmann und Ilka Seer

Arnold Stadler befindet sich in bester Gesellschaft. Der Schriftsteller, Essayist und Übersetzer erhielt Ende November die Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin – und gesellt sich damit zu so illustren Persönlichkeiten wie Kofi Annan, Marcel Reich-Ranicki oder Imre Kertész. Er sei „kein Dichtungsroutinier, der zuverlässig zur Buchmesse seinen jährlichen Roman abliefert und in homöopathischen Dosen autobiografische Enthüllungen hinzufüge“, beschrieb ihn der Präsident der Freien Universität Berlin, Dieter Lenzen, in seiner Begrüßungsrede. „Arnold Stadler ist auch kein Routinedichter, dazu ist er viel zu sehr anders, ich würde mich sogar trauen zu sagen: Wissenschaftler.“ Und so ist Stadler – als Wissenschaftler und als Ehrendoktor – gut an der Freien Universität Berlin aufgehoben.

Die Laudatorin und der Geehrte: Bundesministerin Annette Schavan im Gespräch mit Arnold Stadler.

Die Laudatorin und der Geehrte: Bundesministerin Annette Schavan im Gespräch mit Arnold Stadler. Foto:Bernd Wannenmacher

Mit der Auszeichnung würdigt der Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften Stadlers herausragendes literarisches Werk. Arnold Stadler, 1954 im baden-württembergischen Meßkirch in der Nähe des Bodensees geboren, verstehe es, in seinen Romanen und Übersetzungen die menschliche Existenz auszuloten, sagte der Dekan des Fachbereichs, Michael Bongardt: „Seine unverwechselbare Sprache, die Verknüpfung autobiografischer und historischer Perspektiven und der Ernst seines Humors haben ihn zu einem der bedeutendsten deutschsprachigen Literaten werden lassen.“

Für die Laudatio auf Stadlers Verdienste und Erfolge war Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung, an die Freie Universität gekommen. Es habe keinerlei Überredung bedurft, sagte die Ministerin, sie für die Laudatio zu gewinnen. Ihr war anzumerken, dass sie ein echter Fan Arnold Stadlers ist. Hochschulpolitik war daher auch nicht das Thema ihrer Rede, stattdessen dominierte der Konnex von Literatur und Religion (siehe nebenstehender Textauszug). Schließlich erhielt Stadler die Ehrendoktorwürde vom Seminar für Katholische Theologie am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften, das in diesem Semester sein 50-jähriges Bestehen an der Freien Universität Berlin feiert. Erst zum zweiten Mal in seiner Geschichte hat das Seminar überhaupt eine solche Würde verliehen. Der jüdische Gelehrte Ernst Ludwig Ehrlich war der erste Wissenschaftler, dem diese Ehre im Juni 2003 zuteil wurde.

Mit Begeisterung pries Annette Schavan Stadlers Übertragung der Psalme aus dem Hebräischen, zitierte aber auch mit sichtlicher Freude aus seinen Romanen wie „Mein Hund, meine Sau, mein Leben“ oder „Sehnsucht“, in denen Arnold Stadler nicht nur seine oberschwäbische Heimat mit humorvoll-kritischem Blick untersucht, sondern auch die Institution Kirche. Sie zeichnete die Vita des Georg-Büchner-Preisträgers nach, erinnerte an die Bedeutung des Alemannischen, der Bibel, aber auch der Lust für sein Werk und verortete seinen Stil zwischen Provinz-Chronik und eigenem Erleben, Autobiografie und Anekdote.

Stadler selbst, der Katholische Theologie in München und Rom studiert hat und später in Germanistik promovierte, nahm die Ehrung aus den Händen Bongardts vergnügt und wohl auch ein wenig gerührt in Anwesenheit zahlreicher Wegbegleiter entgegen. Freunde und Kollegen wie Monika Maron oder Marie-Luise Scherer waren gekommen, die der Autor häppchenweise und mit viel Spontaneität im Laufe seiner Dankesrede begrüßte. „Schreiben ist auch eine Vorbereitung auf den Tod – dem Leben zuliebe“, sagte Stadler über seinen Beruf. Dass das Schreiben auch eine Berufung ist für den ehemaligen Ministranten, der in Oberschwaben noch Martin Heidegger beim Sonntagsspaziergang traf, blieb unüberhörbar. Der Doktortitel honoris causa, so bemerkte Stadler, sei sehr weit entfernt von den Milchkannen seiner Kindheit. Zurückzuführen auf sie ist er aber allemal.