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Im Wettstreit um Geld und kluge Köpfe

Eine Tagung über die Chancen der Globalisierung für deutsche Hochschulen

Von Carsten Wette

Turnschuhe aus Taiwan, Äpfel aus Neuseeland, Werksverlagerungen nach Brasilien, feindliche Übernahmen: In Wirtschaftsfragen ist „Globalisierung“ wohl jedem Verbraucher inzwischen ein Begriff. Weit weniger bekannt ist hingegen, dass die Vernetzung über Landesgrenzen hinweg auch die Welt der Wissenschaft erfasst hat: Der Wettstreit um Geld und kluge Köpfe ist in vollem Gange. Vor welchen nationalen und internationalen Herausforderungen stehen deutsche Universitäten, und wie gehen sie damit um? Diesen Fragen widmete sich Anfang März das Symposium „Going Global“, veranstaltet von der Hanns Martin-SchleyerStiftung, der Heinz Nixdorf-Stiftung und der Freien Universität Berlin.

Grenzenloser Wettbewerb – unendliche Herausforderungen für deutsche Universitäten? Live im Deutschlandfunk diskutierten Michael Kröher, manager magazin; Hans N. Weiler, Emeritus der Stanford University; Wolfgang A. Herrmann, Präsident der TU München; Jürgen Hesselbach, Rektor der TU Braunschweig; Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität Berlin; Christian Floto, Deutschlandfunk (von li. nach re.), Foto: Bernd Wannenmacher

Hans N. Weiler, Emeritus der USamerikanischen Elite-Universität Stanford und ehemaliger Rektor der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), attestierte deutschen Hochschulen mit Blick auf die Internationalisierung „erhebliche Defizite“. Es sei ein Missverständnis, wenn eine Universität glaube, schon durch eine Handvoll englischsprachiger Lehrveranstaltungen, ein Büro in Singapur und viele ausländische Studierende sei sie international. „Das Interesse an einer akademischen Ausbildung in Deutschland ist vor allem in Asien groß“, betonte Weiler in der vom Deutschlandfunk in der Reihe „Hochschulquartett“ aus dem Henry-Ford-Bau übertragenen Diskussion. Doch was nütze dies, wenn ausländische Studierende von den Universitäten katastrophal schlecht betreut würden, hierzulande keine Perspektive bekämen und in vielen Fällen sogar ihr Studium abbrächen?

Die Universitäten müssten ihren Service verbessern und dafür sorgen, dass die gut ausgebildeten ausländischen Studierenden in Deutschland blieben, betonte auch der Präsident der Freien Universität Berlin, Dieter Lenzen, der die wissenschaftliche Leitung der Tagung innehatte: „Wir stehen vor einer demografischen Katastrophe und brauchen deshalb Akademiker auf höchstem Niveau.“

Auch nach Ansicht des Rektors der Technischen Universität Braunschweig, Jürgen Hesselbach, sind die deutschen Hochschulen auf Studierende aus dem Ausland angewiesen – Fächer wie Informatik oder Mathematik seien nicht ausgelastet. Indes seien Studienmisserfolge von Ausländern nicht allein auf überbordende deutsche Bürokratie zurückzuführen, sondern Beleg für ein grundsätzliches Problem, meinte Hesselbach: „Wir achten zu wenig auf die ausreichende Qualifikation der Studienplatzbewerber.“ Der Präsident der Technischen Universität München, Wolfgang A. Herrmann, hat sich dieses Problems angenommen: „Wir wählen in 50 Studiengängen die deutschen und ausländischen Bewerber nach Qualifikation aus und haben damit durchschlagenden Erfolg.“ Ein Hemmschuh bleibe indes die finanzielle Ausstattung deutscher Universitäten im internationalen Vergleich: Während die ETH Zürich pro Student und Jahr 42 000 Euro erhalte, „liefert der Staat bei der TU München pro Student und Jahr nur 14 000 Euro ab“.

Ist fehlendes Geld auch eine Hürde bei der Anwerbung von Spitzenforschern aus dem Ausland? Nach Erfahrungen von Dieter Lenzen keineswegs – vorausgesetzt, die Bedingungen an den Universitäten stimmten: „Deutsche Hochschulen können exzellenten ausländischen Wissenschaftlern ebenso attraktive Gehalts- und Arbeitsbedingungen bieten wie die in den USA“, erläuterte er. An der Freien Universität sei inzwischen fast ein Fünftel der Professoren nichtdeutscher Herkunft. Unattraktiv sei für Wissenschaftler aus dem Ausland allerdings die vergleichsweise hohe Lehrbelastung hierzulande. Viele schreckten vor einer Berufung zurück, um nicht „mit Aufgaben verschlissen zu werden, die an anderen Universitäten nicht üblich sind“.

Die Betreuungsrelation in Deutschland sei dramatisch schlecht, konstatierte auch die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, bei einem weiteren Forum, das zum Thema „Mut zum Unterschied – Die Hochschulen differenzieren sich“ in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Für Chancen und Dynamik sorge allerdings die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder: Die Hochschulen könnten nun unternehmerische Entscheidungen treffen und sich auf Schwerpunkte konzentrieren. Die Präsidentin des Rates der US-amerikanischen Graduate Schools, Debra W. Stewart, sieht in geschärften Profilen der Universitäten den Schlüssel zum Erfolg. Wer im internationalen Konkurrenzkampf bestehen wolle, müsse allerdings exzellent im Kontext seines Profils sein. Durch die Einführung europaweit einheitlicher Abschlüsse hätten die hiesigen Universitäten ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit bereits deutlich verbessert. Der Präsident der Österreichischen Rektorenkonferenz, Christoph Badelt, gab zu bedenken, dass eine Differenzierung unweigerlich zu einer Hierarchie unter den Hochschulen führe. Diese Ungleichheiten müsse man aushalten, wenn man den Erfolg der Exzellenzinitiative nicht gefährden wolle.

Nach Einschätzung des Rektors der bei der Exzellenzinitiative erfolgreichen LMU München, Bernd Huber, profitiert von diesem Wettbewerb um mehr Fördermittel das ganze Hochschulsystem: Den Charakter von schwerfälligen Behörden hätten die Universitäten schon jetzt abgestreift, sagte Huber beim Forum „Mut zur Öffnung – Hochschulen zwischen staatlicher Verantwortung und privater Initiative“. Finanziell seien sie zwar noch Jahre auf den Staat angewiesen, doch gebe es auch hier eine wichtige Neuerung: Die Universitäten seien offen für die früher noch verpönten Spenden aus der Wirtschaft. Man werde allerdings niemals so viele Mittel einwerben wie amerikanische Elite-Universitäten.

„Natürlich kann das amerikanische System zur Finanzierung der Hochschulen nicht dem deutschen übergestülpt werden“, stellte der Präsident der American Association of Universities, Robert M. Berdahl, klar. Doch könnten auch deutsche Hochschulen in stärkerem Maße Gelder einwerben, beispielsweise, indem sie den Kontakt zu ehemaligen Studierenden besser pflegten. Spenden von Unternehmen seien vor allem angesichts teurer, forschungsintensiver Wissenschaftsprojekte immens wichtig. Und doch sollten Universitäten sie nur dann annehmen, wenn ihre Unabhängigkeit gewahrt bleibe.

Der Präsident der Association of Dutch Universities, Sijbolt Noorda, warnte hingegen davor, den USA alles nachzumachen. Die Hochschulen müssten die Herausforderung der Globalisierung annehmen, indem sie sich durch behutsame Reformen einen „privaten Stil“ aneigneten. Im Geist aber müssten sie dem Gemeinwohl verpflichtet bleiben.

Für weitere Informationen und Publikationen: www.schleyer-stiftung.de.

Die nächste Sendung des Hochschulquartetts überträgt der Deutschlandfunk am 27. April 2007 um 19.15 Uhr.