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Sagen sie die Wahrheit?

LANGE NACHT DER WISSENSCHAFTEN Unterwegs auf dem Campus Dahlem

Wie Neuropsychologen beim Experiment „Mindreading“ den Gedanken auf die Spur kommen

Von Oliver Trenkamp

Das Problem ist so alt wie die Rechtsprechung: Wie glaubwürdig ist ein Zeuge? An was kann er sich wirklich erinnern und welcher Teil seiner Aussage entspringt purer Vorstellungskraft? Viele Zeugen wollen die Wahrheit sagen, sie geben sich sogar richtig Mühe. Dennoch machen sie oft falsche Angaben – ohne, dass sie es wissen. „Die Aussagen können auf ganz verschiedene Arten verfälscht werden, zum Beispiel durch Suggestivfragen“, sagt Rainer Bösel, Professor am Arbeitsbereich Kognitive Neuropsychologie der Freien Universität Berlin. Bisher gilt die Detailgenauigkeit einer Zeugenaussage als Prüfstein für deren Glaubwürdigkeit, doch zuverlässig ist auch dieses Merkmal nicht.

Eine Haube mit Elektroden misst die Hirnströme der Versuchsperson. Erinnerungen können so gemessen und in Kurven sichtbar gemacht werden. Foto:Ulrich Dahl

Bösel und seine Kollegen arbeiten derzeit daran, ein feineres, genaueres Kriterium zu finden. Sie wollen messen, ob jemand wirklich die Wahrheit sagt oder nur glaubt, die Wahrheit zu sagen. „Das ist etwas anderes als ein Lügendetektor“, sagt Bösel. Man könnte sagen: Sie erproben eine Methode, um Vorstellungskraft zu messen. Das ist das Ziel. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Was den Forschern bei ihrer Arbeit hilft: Schon heute können sie Erinnerung messen und sichtbar machen, jedenfalls ein bisschen. Bei der „Langen Nacht der Wissenschaften“ führen sie vereinfacht vor, wie das geht: Für das Experiment haben die Wissenschaftler vier einfache Geschichten mit jeweils vier Bildern ausgesucht. Eine Bildergeschichte schildert etwa eine missglückte Bootsfahrt. Einem „Lange-Nacht“-Besucher, der sich als Versuchsperson meldet, wird nach dem Zufallsprinzip eine der Geschichten zugeteilt. Er prägt sie sich ein, Bild für Bild. Dann bekommt er eine Haube mit Elektroden auf den Kopf, die die Hirnströme messen – EEG (Elektro-Enzephalographie) heißt diese Methode. Nun werden dem Besucher alle Bilder von allen vier Geschichten in zufälliger Reihenfolge gezeigt. Ein Computer misst die Hirnaktivität bei jedem Bild und errechnet für jede Bildergeschichte eine Kurve. „In etwa 75 Prozent der Fälle können Zuschauer an den Kurven deutlich sehen, welche Geschichte die Versuchsperson schon kannte“, sagt Bösel. Ein erster Schritt, um wahre und suggerierte Erinnerungen unterscheiden zu lernen

Das Experiment „Mindreading“ findet im EEG-Labor des Arbeitsbereichs Kognitive Neuropsychologie statt. Beginn: 18, 19.30, 21, 22.30, 24 Uhr. Ort: Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin, Gebäude Nr. 10, Infos: www.fu-berlin.de/kogpsy oder www.fu-berlin.de/veranstaltungen/langenacht/lange_nacht_der_wissenschaften_2007/programm/psych/index.html