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Libretto auf Latein

LANGE NACHT DER WISSENSCHAFTEN Unterwegs auf dem Campus Dahlem

Von Ortrun Huber

Es kommt nicht häufig vor, dass klassische Philologen mit dem großen Filmgeschäft in Berührung kommen. Selbst wenn Sandalenfilme wie „Troja“ jüngst große Erfolge feierten, liegt Hollywood den Spezialisten für antike Sprachen eher fern. So kam der Anruf aus dem Umfeld der Traumfabrik für Felix Mundt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Klassische Philologie der Freien Universität, mehr als überraschend. Am anderen Ende der Leitung meldetet sich Thomas Morse, erfolgreicher Arrangeur und Komponist zahlreicher Soundtracks und Hollywood-Filme, wie etwa „The Big Brass Ring“ oder „The Sisters“. Für sein jüngstes Projekt „Kounterpoint“, ein modernes Orchesterwerk im Grenzbereich zwischen populärer und ernster Musik, benötigte der seit einigen Jahren in Berlin lebende Komponist Unterstützung: „Kounterpoint“ sollte auf Latein erklingen.

Glanzlichter für die Wissenschaft. Mit geheimnisvollem Leuchten und prächtigen Illuminationen verzaubert der Lichtkünstler Andreas Boehlke die zentralen Gebäude der Freien Universität Berlin. Den Besuchern der „Langen Nacht“ verschafft die kunstvolle Beleuchtung der Philologischen Bibliothek sowie der „Rost- und Silberlaube“ Orientierung und lädt gleichzeitig zum Flanieren ein. Foto: Thilo Rückeis

„Ich hatte für das Libretto zunächst Verse auf Englisch verfasst“, erklärt der US-Amerikaner Thomas Morse. „Aber mir geht es mit Liedtexten in meiner Muttersprache wie vielen: Ich finde, Sie klingen banal, irgendwie schmalzig.“ Da es dem 39-Jährigen vor allem um den musikalischen Höreindruck ging, kam er auf Latein. Für Felix Mundt und seinen Kollegen Dr. Fritz Felgentreu keine ungewöhnliche Aufgabe. „Mit Übersetzungsarbeiten aus modernen Sprachen ins Lateinische hatten wir bereits häufiger zu tun“, so Felix Mundt. Die besondere Herausforderung bei der Übertragung des „Kounterpoint“- Librettos lag aber in der nötigen Singbarkeit der lateinischen Fassung.

Die Komposition lag wie die englische Textvorlage bereits vor. „So mussten wir nicht nur den Inhalt korrekt übersetzen, sondern auch auf die genaue Silbenzahl und die Verwendung gut singbarer Vokale wie ,a‘ und ,o‘ achten.“ So heißt es etwa in der englischen Textvorlage: as an old man / he is depending on you / do not fail him! „Die üblichere lateinische Form für das Verbot in der letzten Zeile (,do not fail him!‘, zu deutsch: ,enttäusche ihn nicht‘) wäre ,Ne fraudaveris‘ gewesen“, erklärt der Philologe. Das aber klinge nun einmal scheußlich und komme auch von der Silbenzahl nicht hin. Also entschieden sich die Sprachwissenschaftler für „Ne fraudato!“ Dieser verneinte Imperativ Futur sei im Lateinischen zwar seltener, aber impliziere auch ein feierliches, sakrales Verbot. „Außerdem hat es ein schönes langes ,o‘ am Ende – das singt sich einfach gut“, erklärt Felix Mundt.

Aufgeführt wird „Kounterpoint“ erstmals während der „Langen Nacht der Wissenschaften“ durch das Studentenorchester von Freier Universität und Technischer Universität Berlin, Collegium Musicum. Hier hat man mit moderner Musik bereits Erfahrung: „Mir ist es wichtig, immer mal wieder die Grenzen von Klassik und Romantik zu überschreiten“, sagt Manfred Fabricius, der musikalische Leiter des Collegium Musicum. „Dafür ist dieses Werk von Thomas Morse eine willkommene Gelegenheit!“

Bei der Welturaufführung des 40-minütigen Orchesterwerks „Kounterpoint“ anlässlich der „Langen Nacht der Wissenschaften“ musizieren das Collegium Musicum, das Spandauer Vokalensemble Berlin sowie Solisten. Ort: Habelschwerdter Allee 45, Hörsaal 1 a, 14195 Berlin-Dahlem. Zeit: jeweils 20 und 22 Uhr; Infos: http://web.fu-berlin.de/klassphi