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Kalte Luft und heiße Experimente

LANGE NACHT DER WISSENSCHAFTEN Unterwegs auf dem Campus Dahlem

Von Oliver Trenkamp

Leere Plastikflaschen werden plötzlich wie von Geisterhand zerknautscht, ein Ballon schrumpft, obwohl er eigentlich keine Luft verliert – beides bewirkt durch das Verändern der Umgebungstemperatur. Aus dem Physikunterricht weiß man vielleicht noch, dass sich Luft zusammenzieht, wenn sie kalt wird. So deutlich gesehen hat man es aber noch nicht.

Zur „Langen Nacht der Wissenschaften“ machen Physiker der Freien Universität Berlin solche Effekte sichtbar – unter Extrembedingungen: Eine geschlossene Plastikflasche wird in flüssigen Stickstoff gehalten, der minus 196 Grad Celsius kalt ist. „Das ist ein Temperaturunterschied zur Raumtemperatur von etwa 225 Grad“, erklärt die Tieftemperatur-Physikerin Dr. Barbara Sandow. Die Luft in der Flasche kühlt ab und zieht sich zusammen, die Flasche sieht plötzlich aus, als wäre ein Elefant drauf getreten. Ähnlich ist es bei einem Luftballon, dessen Inhalt heruntergekühlt wird. „Das sind nur zwei von zahlreichen Experimenten, mit denen wir diese Effekte zeigen“, erklärt Barbara Sandow.

Für Physiker ist die Arbeit mit extremer Kälte heute selbstverständlich. Viele Einblicke in die Mikro-Welt der Moleküle und Atome wären anders gar nicht möglich. Bei der Beobachtung dieser Teilchen machen sich die Wissenschaftler zunutze, dass sich die Teilchen umso langsamer bewegen, je kälter sie sind: Je niedriger die Temperatur, desto geringer die Schwingung, desto besser lassen sich die Teilchen beobachten. „Atome sind dann wie eingefroren“, sagt die Physikerin.

Der absolute Nullpunkt ist dadurch definiert, dass sämtliche Teilchenbewegung aufhört. Dort beginnt die Kelvin-Temperaturskala mit dem Wert null. In den Laboren der Freien Universität kommen die Wissenschaftler dem sehr nahe, wenn sie einzelne Proben mit flüssigem Helium auf vier Kelvin, also etwa minus 269 Grad, herunterkühlen und dann mit einem Rastertunnelmikroskop beobachten.

Während der „Langen Nacht der Wissenschaften“ kommt allerdings nur der etwas „wärmere“ flüssige Stickstoff zum Einsatz. Und weil schon sommerliche Temperaturen zu spüren sind, gibt es für Besucher ein „Physik-Eis“ zum Abkühlen: Aus Milch, Marmelade und Stickstoff stellen Studierende in wenigen Augenblicken ein Speiseeis her, das man essen kann und das auch noch richtig lecker schmeckt.

Physiker der Freien Universität veranstalten im gesamten Institutsgebäude viele verschiedene Experimente für die Besucher der „klügsten Nacht des Jahres“ zum Ansehen, Staunen und Mitmachen – unter anderem zu den Themen „Thermografie: Unsichtbares sichtbar gemacht – Experimente zur Wärmestrahlung“, „Lauschangriff mit Laser“, „paramagnetische Eigenschaften von Sauerstoff“, „physikalische Spielzeuge“. Erleben kann man all dies und vieles mehr auf dem Campus Dahlem, Arnimallee 14, 14195 Berlin, Gebäudenr. 16.

Experimente von 17 bis 1 Uhr: „Speiseeisherstellung mit flüssigem Stickstoff“ und Experimente zur Tieftemperaturphysik, „Nichtlineare Physik“, „Interaktive Bildschirmexperimente“, „Einführungsexperimente Physik“.Vorträge: „Das Energieproblem aus der Sicht eines Physikers – Auswege aus der Klimakatastrophe durch biosolare Wasserstofferzeugung“ um 20 und 22 Uhr, „Mögliche Gefahren durch Mobilfunk?“ um 19 und 21 Uhr.Laborführungen: „Das erste rollende Nanorad“, „Kristallstrukturen von Metallen sichtbar gemacht – ,beugsame‘ Elektronen“, „Magnetismus sichtbar gemacht: Prinzip und Anwendungen“, „Physik der tiefen Temperaturen“.

Mehr im Internet: www.physik.fu-berlin.de/lange-nacht