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Griechen – Skythen – Amazonen

Eine Ausstellung des Instituts für Klassische Archäologie der Freien Universität und der Antikensammlung im Pergamonmuseum

Von Martin Langner

Im nördlichen Schwarzmeergebiet wohnten in klassischer Zeit Griechen und Skythen zusammen. Unter dem Namen Skythen sind einheimische Stämme zusammengefasst, Reiternomaden, die mit der Zeit sesshaft geworden waren und im Hinterland der griechischen Städte siedelten. Die Amazonen hingegen sind mythische Gestalten: Gegen die Amazonen sollen die Griechen in der Vorvergangenheit Krieg geführt haben, wobei diese Auseinandersetzungen noch im 4. Jahrhundert v. Chr. auf unzähligen Vasenbildern thematisiert wurden. Hier kämpfen gegen die Griechen, die mit athletisch-nackten Körpern dargestellt werden, männlich-kriegerische Reiterinnen mit kaftanartigen Jacken, gemusterten Hosen und flatternden Haaren unter einer Stoffkappe. Sie stellen somit ein extremes Gegenbild zum griechischen Konzept von Weiblichkeit dar – die Amazonen sind in griechischen Augen der Inbegriff des Barbarischen und Fremden. Obwohl die Amazonen mythische Gestalten sind, stellten sich die Griechen diese als real vor. Sie lokalisierten deren Wohnort am äußersten Rand der damals bekannten Welt, im nördlichsten Schwarzmeergebiet.

Funde aus diesem Raum zeigt bis Oktober 2007 eine Ausstellung im Pergamonmuseum, die vom Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin gemeinsam mit der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin gezeigt wird. Neben qualitativ hochwertigen Marmorskulpturen, bemalter Keramik und filigranem Goldschmuck ist eine virtuelle 3-D-Rekonstruktion einer Grabkammer zu sehen. Zudem sind Exponate aus empfindlichem Material zu sehen wie Schminkdosen aus Rosenholz und die sogenannten Aquarellpeliken, Imitationen athenischer Keramik. Diese sind selten aus der Antike erhalten gebliebene Stücke, die kaum ausgestellt werden.

Die Ausstellung beginnt im Zentrum der griechischen Welt mit Grabskulpturen aus Athen – in ihnen kommen die Werte und das Selbstverständnis der Griechen unmittelbar zum Ausdruck. Sie zeigen den Athener Bürger im Mantel mit Sportgerät in der Hand: Es wird deutlich, dass er sich der Politik und Körperertüchtigung ergehen konnte und keine schwere Arbeit verrichten musste. Die athenische Frau als Vorbild für Schönheit und Wohlverhalten sitzt in feinen Gewändern und kostbar frisiert im Kreise ihrer Dienerinnen. Fremde, die in großer Zahl in Athen lebten, waren hingegen in der Bildwelt oft nur als „barbarische“ Sklaven präsent, wie die Sitzstatuen zweier Dienerinnen, die über den Tod ihrer Herrin trauern, verdeutlichen.

Auch auf der bemalten Keramik aus Athen werden in Alltagsszenen und Mythenbildern die Ideale griechischer Bürger deutlich. Da diese Luxusartikel weithin exportiert wurden, gelangte die athenische Abgrenzung von den Fremden bis an die Ränder der bekannten Welt. Besonders die Vasen mit den Amazonenbildern waren auch im Schwarzmeergebiet nachgefragt, wo sie nicht nur in großer Zahl importiert wurden, sondern auch nachgeahmt. Diese vielfarbigen Imitationen, Aquarellpeliken genannt, wurden mit empfindlichen Farben bemalt und sind daher nur selten gut erhalten. Sie sind nicht nur technisch ungewöhnlich, sondern auch thematisch, etwa indem hier Kämpfe amazonenähnlicher Krieger untereinander abgebildet werden. Insofern lassen sie sich auch als Reflexe realer Kämpfe im nördlichen Schwarzmeerraum verstehen.

Griechen und Skythen lebten seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. in dem Territorialstaat „Bosporanisches Reich“ auf Krim und Taman-Halbinsel zusammen. Die bosporanischen Herrscher und die Oberschicht des Reiches unterhielten enge politische und wirtschaftliche Kontakte nach Athen. Doch übernahmen sie nicht das dortige Modell der Ausgrenzung von Fremden, sondern bildeten aus griechischen und skythischen Elementen eine gemeinsame bosporanische Kultur. Diese aus der Vermischung entstandene Eigenständigkeit äußerte sich in vielen Aspekten: beispielsweise in der Kombination von einheimischer Haartracht und griechischer Kleidung oder in der genannten Abwandlung athenischer Mythenbilder. Besonders deutlich wird die Vermischung von kulturellen Elementen aber im Bestattungswesen.

Der Drei-Brüder-Kurgan bei Nymphaion (östliche Krim) mit seiner reich ausgestatteten Grabkammer ist ein Paradebeispiel, wie sich durch die Kombination griechischer und skythischer Elemente neue Formen des Zusammenlebens entwickelten. In der Ausstellung werden der 1965 abgetragene Grabhügel und die Grabkammer mit Doppelbestattung in einer 3-D-Computer-Rekonstruktion sichtbar: Auf einem Totenbett lagen zwei Frauenskelette; die eine – ältere – Verstorbene war mit reichem Goldschmuck versehen. Das Inventar umfasste skythische und griechische Beigaben: Gefäße und Geräte für Wein, Salbe und Kosmetik sowie Spiegel und Schmuck, aber auch skythische dreiflügelige Speerspitzen und ein Fleischmesser.

Dieses ursprüngliche Inventar befindet sich in verschiedenen ukrainischen Museen. Es wird hier ersetzt durch vergleichbare Grabfunde aus dem nördlichen Schwarzmeergebiet, die aus der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin stammen. Sie wurden Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erworben, um die Kenntnisse über diese Gebiete am „Rande“ der antiken Welt zu erweitern. Diese Einzelobjekte werden durch die parallelen Funde im Drei-Brüder-Kurgan in den Kontext typischer Grabinventare des Bosporanischen Reiches eingebunden. Sie vermitteln eine Vorstellung von Beigaben und Bräuchen der Bestattungen in diesem Gebiet, in dem Griechen und Skythen friedlich zusammenlebten. Damit ergänzt die Schau die Ausstellung „Im Zeichen des Goldenen Greifen“, die seit Anfang Juli 2007 im Martin-Gropius-Bau die östlichen Skythenvölker darstellt.


Informationen

Die Ausstellung im Pergamonmuseum

Die Ausstellung „Griechen – Skythen – Amazonen“ wird bis zum 21. Oktober 2007 im Pergamonmuseum gezeigt: Am Kupfergraben, 10178 Berlin. Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 10 bis 22 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen (84 Seiten, 11,90 Euro).

Verkehrsverbindungen: U- und S-Bhf. Friedrichstraße (U6/S1 und S2); S-Bhf. Hackescher Markt (S5, S7, S75, S9); Tram-Stationen: Hackescher Markt (M4, M5, M6), Am Kupergraben (M1, 12); Bus-Stationen: Friedrichstraße (147), Staatsoper (TXL), Am Lustgarten (100, 200). FU