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Schattenseiten des World Wide Web

Kongress der Freien Universität Berlin und des DAAD zum Jahr der Geisteswissenschaften

Das Surfen im Internet birgt Risiken

Von Carsten Wette

Das Internet ist in der Freizeit und im Berufsleben der meisten Menschen eine feste Größe. Zugang haben mittlerweile rund drei Viertel aller Haushalte in Deutschland. Per Mausklick werden Flugreisen gebucht, Aktien gehandelt oder Filme und Musikstücke heruntergeladen. Es werden Gegenstände versteigert, Onlinetagebücher geführt, Serviceseiten und Onlinemedien angesteuert, Kontakte geknüpft und die Ausstattung von Neuwagen konfiguriert. Doch die zunehmende Abhängigkeit vom Internet macht den Staat, seine Unternehmen und seine Bürger verwundbar.

„Absolute Sicherheit im Internet gibt es nicht“, sagt Klaus-Peter Löhr, Informatik-Professor der Freien Universität Berlin im Ruhestand. Ein Anschlag auf dessen Struktur sei jederzeit möglich und käme für die Industriestaaten einer Katastrophe gleich. Würden Sicherheitslücken durch technisch versierte Terroristen angegriffen, hätte dies unvorstellbare gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Verwerfungen zur Folge.

Auch jenseits solcher Schreckensszenarios bewegten sich die Nutzer im Internet nicht risikofrei, betont Löhr: „Schon durch einen falschen Mausklick kann man Opfer eines Angriffs werden: Beim Öffnen einer manipulierten Website oder der Anlage einer E-Mail können Viren oder Schad-Software unbemerkt auf den Computer gelangen.“ Insbesondere beim Onlinebanking seien gesundes Misstrauen und sachkundiger Umgang mit den einschlägigen Schutzmechanismen – https und Zertifikate – unverzichtbar, um betrügerische Transaktionen zu verhindern.

Zu den Schattenseiten des Internets zählt nicht nur die Gefahr, betrogen zu werden. Auch einzelne Inhalte können besorgniserregenden Einfluss haben, etwa Seiten mit gewaltverherrlichenden, pornografischen und extremistischen Inhalten. „Gefährdet sind vor allem Heranwachsende, die keinen kritischen Umgang mit Medien gelernt haben“, sagt Professor Herbert Scheithauer, Entwicklungspsychologe der Freien Universität. In einer Studie aus dem Jahr 2005 gab fast jeder zweite jugendliche Nutzer an, schon mit pornografischen Internetseiten in Berührung gekommen zu sein, jeder achte mit rechtsextremen Inhalten. „Manche Eltern haben keine Vorstellung davon, welche Seiten ihre Kinder in der Freizeit aufrufen“, sagt Scheithauer. Zwar gebe es im Netz zahlreiche pädagogisch wertvolle Angebote. Doch sei es für Jugendliche ein Leichtes, auch an Versionen von Spielen heranzukommen, die in Deutschland verboten seien. Als Mutproben unter Gleichaltrigen würden brutale Videos aufgerufen und Spiele geladen, in denen Probleme mit Gewalt gelöst würden.

Dabei wirken Internetangebote nicht auf alle gleich. „Eine gefährliche Wirkung solcher Internetseiten hängt stark vom jugendlichen Nutzer und seinem sozialen Umfeld ab“, erläutert Dr. Achim Hackenberg, Erziehungs- und Medienwissenschaftler an der Freien Universität. Es gebe Risikogruppen, die zum Beispiel aufgrund individueller Dispositionen gefährdet seien.

Der Irrglaube, das Internet sei ein rechtsfreier Raum, in dem man sich anonym bewegen könne, hat auch zur Verbreitung von Kinderpornografie beigetragen. „Kinderpornografie hat es schon immer gegeben. Doch dadurch, dass man einschlägige Filme und Bilder über das Internet relativ leicht beschaffen und auf Datenträgern verbergen kann, ist die Hemmschwelle offenbar gesunken“, sagt Beatrice Beng, Diplom-Psychologin und Doktorandin am Institut für Forensische Psychiatrie am Charité-Campus Benjamin Franklin. Straftäter blendeten aber häufig aus, dass man ihnen über den Daten- und Finanztransfer leicht auf die Spur kommen könnte.