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Gut verpackt

Das Große Tropenhaus im Botanischen Garten ist kaum wiederzuerkennen. Die Grundsanierung kommt gut voran

Von Michael Krebs

Christo und Jeanne-Claude würden nicht schlecht staunen: Zwölf Jahre nach der Verhüllung des Reichstages überrascht ein anderes Berliner Wahrzeichen durch seine ungewöhnliche Verpackung. Das Große Tropenhaus im Botanischen Garten Berlin-Dahlem, trotz seiner 100 Jahre noch immer eines der größten freitragenden Gewächshäuser der Welt, ist auffällig eingepackt. Diesmal ist das Anliegen jedoch kein künstlerisches, sondern pragmatischer Ausdruck der Sandstrahlarbeiten im Rahmen der Grundsanierung des denkmalgeschützten Gebäudes. Seit einem Jahr laufen die Bauarbeiten auf Hochtouren. Sie werden Ende 2008 beendet sein.

Teilweise finden sich noch 100 Jahre alte Farbanstriche auf den Stahlträgern. Sie müssen durch das Sandstrahlen sorgfältig entfernt werden. Nur am nackten Stahl können die Fachleute Korrosion entdecken und die Tragfähigkeit der gewaltigen Stahlbögen beurteilen. Sie begründen den Ruf des Großen Tropenhauses als unverwechselbare architektonische Besonderheit des frühen 20. Jahrhunderts. Im Zweifelsfall müssen Teilbereiche des alten Tragwerks durch neuen Stahl ersetzt werden.

Mehr als die Hälfte der Kosten von 16 Millionen Euro für das komplexe Sanierungsprojekt werden aus dem Umweltentlastungsprogramm des Landes Berlin und des Fonds für Regionale Entwicklung der EU finanziert. Den Rest steuern die Hochschulbauförderung von Bund und Ländern, die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin sowie die Freie Universität Berlin als Trägerin ihrer Zentraleinrichtung Botanischer Garten bei.

„Die bläulich-weiße Einhausung des Großen Tropenhauses verhüllt auch den Sanierungsfortschritt“, sagt Simone Haase, Projektleiterin der Technischen Abteilung der Freien Universität, die das Bauvorhaben koordiniert. Bereits im Juni wurden sieben riesige, bis zu 7,8 Meter lange und 4,6 Tonnen schwere Klimalüftungsgeräte mit einem Spezialkran in die unterirdischen Katakomben eingefädelt und versenkt. Sie sind das Herzstück der sehr energieeffizienten Klimatisierung des Tropenhauses und tragen dazu bei, den Energiebedarf des Gebäudes um 50 Prozent zu senken.

Der Rohbau der beiden neuartigen Umlufttürme, die eine Höhe von 16 Metern und einen Durchmesser von 2,5 Metern haben, ist ebenfalls schon fertig. Beim Bau ihrer etwa sechs Meter tiefen Fundamente war eine Beschädigung der voll funktionsfähigen historischen Drainage- Anlage im Untergrund des Tropenhauses nicht zu vermeiden. Sie wurde originalgetreu rekonstruiert. Die Umlufttürme sind ein besonders innovativer Bestandteil des hochmodernen Heizungs- und Klimatisierungskonzeptes. Sie optimieren die Wärmeverteilung im etwa 40 000 Quadratmeter großen Volumen des Tropenhauses, indem sie die nach oben aufgestiegene warme Tropenluft absaugen und unten wieder einblasen. Einer der Türme wird innen mit dem neuartigen Hightech-Material PCM ausgestattet sein. Es ist in der Lage, Wärmeenergie aus der tagsüber aufgeheizten Tropenluft zu speichern, um sie nachts, wenn bereits wieder zugeheizt werden müsste, freizugeben. Dem Besucher wird der technische Charakter der beiden Türme allerdings verborgen bleiben. Kunstvolle Modellierarbeit lässt den Eindruck zweier perfekt in die tropische Umgebung eingepasster Urwaldriesen entstehen.

Im Spätsommer beginnt der Wiederaufbau der inzwischen glasfreien Fassade. Eine integrierte Fassadenheizung wird die sonst übliche Kondenswasserbildung am Inneren der Gewächshaushülle verhindern. Dadurch gelangt mehr Licht ins Tropenhaus.

Unmittelbar danach folgt der Einbau eines hochmodernen Wärmeschutzglases. Eisenoxidarme Glasrezepturen mit Anti- Reflex-Beschichtung sorgen für eine optimale Lichtausbeute. Die Bauvorschriften verlangen im Überkopfbereich eine Verwendung von Sicherheitsglas, das handelsüblich allerdings kein UV-Licht durchlässt. Da dieses jedoch von der lichthungrigen Tropenvegetation dringend benötigt wird, suchte und fand der Architekt und Generalplaner Friedhelm Haas eine neuartige, sehr spezielle Bauart für das Sicherheitsglas. Diese war jedoch baurechtlich bisher nicht zugelassen. Deshalb wurden auf Initiative der Technischen Abteilung der Freien Universität Berlin umfangreiche Untersuchungen für ein sicherheitstechnisches Gutachten in Auftrag gegeben. Die Anstrengungen hatten Erfolg: Die oberste Bauaufsicht des Landes Berlin gab dem Antrag auf „Zustimmung im Einzelfall“ statt; das Glas darf eingebaut werden. Eine solch spezielle Glasfassade ist in Deutschland einmalig – wie damals Christos Verhüllung des Reichstages.

Der Baufortschritt bei der Grundsanierung des Großen Tropenhauses kann live im Internet verfolgt werden (Webcam: www.bgbm.org/tropenhaussanierung). Hier finden sich auch Hinweise auf Baustellenführungen.