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„Spitzenstellung in Berlin bestätigt“

Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen. Foto: Wannenmacher

Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen. Foto: Wannenmacher

Ein Gespräch mit dem Kuratoriumsvorsitzenden der Freien Universität, Professor Dr. Hans-Uwe Erichsen

Auf dem Weg zur International Network University wird die Freie Universität von einem internationalen Beraterteam begleitet. Dem International Council gehören hochrangige Wissenschaftler an, darunter der Vorsitzende des Kuratoriums der Freien Universität und Präsident a. D. der Hochschulrektorenkonferenz Professor Dr. Hans-Uwe Erichsen. Mit ihm sprachen Kerrin Zielke und Carsten Wette.

Herr Professor Erichsen, wie bewerten Sie als Vorsitzender des Kuratoriums das Abschneiden der Freien Universität Berlin im Exzellenzwettbewerb des Bundes und der Länder?

Der Erfolg der Freien Universität in der Exzellenzinitiative bestätigt ihre Spitzenstellung in Berlin. Er ist meines Erachtens wesentlich darauf zurückzuführen, dass die Freie Universität den an den Rand ihrer Existenzfähigkeit führenden finanziellen Aderlass als Notwendigkeit begriffen hat, sich qualitätsorientiert neu zu profilieren und Schwerpunkte, auch fachübergreifender Art, zu setzen. Sie hat also die Krise als Chance genutzt, was allerdings nur möglich war, weil die Leitungsstrukturen eine nicht nur partielle Optimierung und Neuorientierung befördert haben und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität bereit waren, sich dieser Herausforderung zu stellen. Von Bedeutung war sicher auch, dass die Freie Universität dieses auf Qualitätsoptimierung und Profilierung gerichtete Zukunftskonzept nicht erst im Hinblick auf die Exzellenzinitiative entwickelt, sondern ausgehend von einer Initiative ihres Präsidenten bereits mit der Umsetzung begonnen hat. Bei der Bewertung der Ergebnisse der Exzellenzinitiative darf allerdings nicht unbeachtet bleiben, dass es nicht gelungen ist, das in den Naturwissenschaften der Freien Universität zweifelsohne vorhandenes Potenzial so zur Gestaltung zu bringen, wie es für Erfolge notwendig war. Doch ist dieses Defizit erkannt, und Vertreter der Naturwissenschaften haben dem Kuratorium ihre Konzepte präsentiert.

Wird es in Folge der Exzellenzinitiative mehr Wettbewerb zwischen den Universitäten in Deutschland geben?

In Folge der Exzellenzinitiative wird sich der Wettbewerb zwischen den Universitäten in Deutschland intensivieren. Die Qualität wird sich verbessern, die Leistungsprofile werden sich schärfen. Die kleinen Universitäten konnten ihr Potenzial allerdings angesichts der vorgegebenen Dimensionen – Cluster und Graduate School – kaum zur Geltung bringen. Für qualitativ hochwertige Forschung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses bedarf es nicht in jedem Fall der großen Einheit. Die sich in den Größenordnungen von Exzellenzcluster und Graduate School abbildenden Vorstellungen von kritischer Masse dürfen und sollen nicht zum alleinigen Maßstab der Organisation und Orientierung von Universitäten werden. Es muss in allen Fächern auch weiterhin Raum und Möglichkeit für exzellente Einzelforschung und deren Förderung geben.

Welches Gewicht bekommt die Wissenschaftsregion Berlin-Brandenburg in Deutschland durch die Entscheidung in der zweiten Runde?

Die Wissenschaft in Berlin hat durch die Erfolge der Berliner Universitäten in der ersten und zweiten Förderlinie neue Perspektiven bekommen, auch wenn beileibe nicht alle Blütenträume gereift sind. Ausgehend von den Möglichkeiten, die sich durch Einbeziehung der Freien Universität in die Förderung der dritten Linie ergeben und durch eine dahingehende Gestaltung des Masterplans des Wissenschaftssenators sollten alle Möglichkeiten genutzt werden, „Berlin Research“ zu einer Premium-Marke im internationalen Wettbewerb zu machen. In diesem Zusammenhang sollte auch das im Land Brandenburg vorhandene Forschungspotenzial aufgenommen werden.

Die Freie Universität war in der dritten Förderlinie mit ihrem Zukunftskonzept einer Internationalen Netzwerkuniversität erfolgreich. Welche Chancen eröffnen sich daraus?

Die Freie Universität hat mit ihrem Konzept einer Internationalen Netzwerkuniversität das in ihrer Gründung liegende Bekenntnis zu einer freien und weltoffenenen Wissenschaft, das auch die alte Berliner Universität prägte, erneuert und fortentwickelt. Die Freie Universität sollte nunmehr die Chance ergreifen, aus dem Prestige-Gewinn, der mit der Aufnahme in die dritte Förderlinie auch im Ausland verbundenen ist, in Kooperation mit den anderen Berliner Universitäten die Einbeziehung ausländischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in die in Berlin stattfindende Forschung auszubauen und darüber hinaus anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Dauer zu gewinnen. Sie sollte darüber hinaus auf eine Steigerung des Anteils an ausländischen Studierenden hinwirken.

Sehen Sie den Wissenschaftsstandort Deutschland durch die Exzellenzinitiative im internationalen Wettbewerb insgesamt gestärkt?

Die Wissenschaft in Deutschland konnte im internationalen Vergleich in vielen Bereichen schon immer in der Spitze mithalten. Die Exzellenzinitiative trägt dazu bei, dass die Kooperation der Forschung in Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen auch im Hinblick auf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses verstärkt wird, dass einzelne Universitäten ihre wissenschaftlichen Stärken ausbauen und im internationalen Wettbewerb besser zur Geltung bringen können. Dies wird dazu führen, dass Spitzenforscher schon wegen der verbesserten Ausstattung und außerdem angesichts der Möglichkeit, forschungsfreundlichere Strukturen einzurichten, eher geneigt sein werden, in Deutschland zu bleiben oder aber nach Deutschland zu kommen.

Reicht denn die finanzielle Ausstattung der bei der Exzellenzinitiative erfolgreichen deutschen Universitäten überhaupt aus, um auch im internationalen Wettbewerb der Hochschulen ganz vorne mitzuspielen?

Gemessen an den finanziellen Möglichkeiten von Spitzenuniversitäten in den USA ist die Ausstattung auch der in der Exzellenzinitiative erfolgreichen Universitäten eher bescheiden. Wenn in der Bundesliga darauf hingewiesen wird, dass Geld allein keine Tore schießt, so gilt das entsprechend für die Forschung, das heißt: Die finanzielle Ausstattung allein macht es nicht. Wichtiger für Fortschritte in der Forschung sind die Kreativität, die Intuition, die Beharrlichkeit und nicht nur, aber auch die Bereitschaft der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur kooperativen Diskussion und Interaktion.


ZUR PERSON

Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen begann seine wissenschaftliche Karriere an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, wo er sich 1969 habilitierte. Von 1970 bis 1981 arbeitete der gebürtige Flensburger als Professor für Öffentliches und Europäisches Recht an der Ruhr-Universität Bochum, bevor er nach Münster zurückkehrte.

1986 bis 1990 war Hans-Uwe Erichsen Rektor der Westfälischen Wilhelms-Universität, anschließend sieben Jahre Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Es folgten vier Jahre als Präsident und Vizepräsident der Confederation of European Union Rectors’ Conferences (1996 bis 2000).

Seit 1999 ist Erichsen Mitglied des Akkreditierungsrates, von Juli 2002 bis Anfang 2005 war er dessen Vorsitzender. Der 73-Jährige ist außerdem Mitglied des Österreichischen Akkreditierungsrates und seit sechs Jahren Vorsitzender des Kuratoriums der Freien Universität. FU