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Dr.-Sommer-Team für Rechenprobleme

E. Behrends<br>Foto:  Bernd Wannenmacher

E. Behrends Foto: Bernd Wannenmacher

Deutschlands erfolgreichste Mathematik-Website an der Freien Universität

von Sven Lebort

Wenn Ehrhard Behrends morgens ins Büro kommt, ist er meist voller Neugier. Die erste Stunde am Computer gehört weder der Vorbereitung einer Lehrveranstaltung noch der Fachdiskussion. Der Mathematik-Professor der Freien Universität schaut zuerst, welche E-Mails über die von ihm betreute Internetseite mathematik.de hereingekommen sind. Als „geistigen Frühsport“ bezeichnet es Behrends, den diese Aufgabe sichtlich begeistert: „Es ist viel lebensnäher, als im Elfenbeinturm zu sitzen.“

Mathematik.de ist eine Erfolgsgeschichte. Auf Behrends Anregung im Jahr 2000 unter der Schirmherrschaft der Deutschen Mathematikervereinigung (DMV) gegründet und mit einer Anschubfinanzierung des Bundesbildungsministeriums ausgestattet, hat sich die Seite kontinuierlich entwickelt. Sie ist heute mit etwa 4000 Zugriffen am Tag die wichtigste deutschsprachige Mathematikseite im Internet. Wer in Suchmaschinen das Stichwort „Mathematik“ eingibt, landet an erster Stelle auf dieser Seite, die an der Freien Universität betrieben wird.

Zu den beliebtesten Kategorien auf der Seite gehört die Rubrik „Erste Hilfe“. Dort erhalten Studierende und Schüler Lösungs- und Verständnishilfen nach Schwierigkeit (Mittel- oder Oberstufe, Universitätsniveau) und Sachgebiet geordnet – von Algebra bis Zinsrechnung. Was dort nicht erklärt wird, erläutert Ehrhard Behrends auf Nachfrage per E-Mail. Jeden Morgen.

Das Spektrum der Anfragen ist breit: vom Gartenbauunternehmer, der wissen will, wie er mit drei Rasenmähern einer Wiese am effizientesten zu Leibe rücken kann, bis zum Lehrling, der an einer Volumenberechnung schier verzweifelt. Auch Klassiker sind darunter wie jene Knobelaufgabe, bei der eine Figur aus Dreiecken nach Verschiebung plötzlich anscheinend weniger Fläche benötigt als vorher. „Daran haben sich schon ganze Bürogemeinschaften die Köpfe heiß gedacht, und schließlich landen viele auf unserer Website“, sagt Behrends, der dazu einen Artikel dazu verfasst hat, auf den er die etwa im Zwei-Wochen-Rhythmus anklopfenden Fragesteller verweist.

Wie beabsichtigt, ist mathematik.de weit davon entfernt, ein Forum von Experten für Experten zu sein: Neben Schülern und Studierenden melden sich auf der Website auch Rentner, Ingenieure und Hausfrauen mit ihren Fragen aus der Welt der Zahlen. „Wir sind so etwas wie das Dr.-Sommer-Team der Mathematik geworden“, sagt Behrends stolz. Manche Anfrage amüsiert den Professor für Funktionalanalysis und Wahrscheinlichkeitstheorie nachhaltig. Etwa, wenn ein 17-Jähriger behauptet, er könne einen Winkel allein unter Zuhilfenahme von Zirkel und Lineal dreiteilen, obwohl die Mathematik seit etwa 150 Jahren weiß, dass das unmöglich ist. Mancher wollte auch schon auf zwei Seiten bewiesen haben, wozu Genies des Fachs 500 Seiten benötigten. „Gelegentlich mache ich mir den Spaß und rechne das nach oder erkläre ausführlich, warum es nicht funktionieren kann“, so Behrends.

Andere Fragen muss der Professor an Fachkollegen delegieren, und wenn die Zeit zu knapp wird, übernehmen studentische Mitarbeiter die Beantwortung. Etwa 20 000 Euro schießt ein großer deutscher Rückversicherer als Sponsor für den laufenden Betrieb der Seite zu – Geld, das zumeist in Form von Werkverträgen den Studierenden der Freien Universität zugute kommt, die unter Behrends Anleitung die Seiten pflegen, die Rubriken erweitern und Inhalte einstellen.

Für den Professor, der seit Jahren im Vorstand der Deutschen Mathematikervereinigung wirkt, ist mathematik.de nur ein Puzzleteil seiner Mission, die Wissenschaft der Zahlen zu popularisieren. „Viele Zeitgenossen haben offenbar eher traumatische Erinnerungen an den Matheunterricht“, sagt er. Doch dies sei gar nicht nötig, denn dass Mathematik Spaß machen kann, hat Behrends bereits bewiesen: mit seiner Kolumne „Fünf Minuten Mathematik“ in einer überregionalen Tageszeitung. Die Kolumnenserie erschien kürzlich als Buch, welches nun sogar in den USA aufgelegt wird. Für das Jahr der Mathematik 2008 plant er bereits eine große Ausstellung, die Geschichte, Methoden und Ziele der Disziplin erlebbar und allgemeinverständlich machen soll.

In diesem Jubiläumsjahr wird auch mathematik.de eine große Rolle spielen. Die DMV als offizielle Betreiberin plant, die Seite zur zentralen Schnittstelle zu machen, auf der alle Aktionen des Jahres gebündelt und annonciert werden, was den Umfang der Seite noch einmal drastisch erweitern wird. Schon jetzt sind die DMV-Seiten nur ein kleiner Unterpunkt von mathematik.de. Es steht zu erwarten, dass Ehrhard Behrends an geistigem Frühsport auch in Zukunft keinen Mangel leidet.