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Braingain: US-Forscherin zieht es nach Berlin

Die Politikwissenschaftlerin Miranda Schreurs ist neue Leiterin der Forschungsstelle für Umweltpolitik am Otto-Suhr-Institut

Von Christine Boldt

Sie gehören zu den Besten ihres Fachs: Renommierte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland folgen gerne dem Ruf der Freien Universität, um hier zu lehren und zu forschen. In einer Serie stellen wir Ihnen künftig einige der „Neuen“ vor. Heute lesen Sie, warum es die Politikwissenschaftlerin Miranda Schreurs aus den USA nach Berlin gezogen hat.

Die Bücherkisten stapeln sich bis unter die Decke, das Büro im Dachgeschoss der Forschungsstelle ist noch kahl und kaum eingerichtet, nur eine Grünpflanze hat schon ihren festen Platz. Miranda Schreurs, Professorin für Vergleichende Politik und frisch von der University of Maryland an die Freie Universität berufen, sieht das Umzugschaos gelassen: „Ich bin gerade erst mit meinen Sachen aus den USA angekommen – und dann der Jetlag“, lacht sie und zeigt auf ihr noch improvisiertes Büro.

Am 1. Oktober hat die 44-Jährige die Nachfolge von Professor Martin Jänicke angetreten und leitet seitdem die renommierte Forschungsstelle für Umweltpolitik am Otto-Suhr-Institut. Fremd ist der Amerikanerin freilich weder Berlin noch die Freie Universität: Schon 1993 hat Miranda Schreurs mehrere Monate hier verbracht, aus dieser Zeit stammen enge Kontakte zur Forschungsstelle. „Eine einzigartige Einrichtung weltweit“, schwärmt Schreurs von der ins Otto- Suhr-Institut für Politikwissenschaft integrierten Abteilung. „Hier werden Umweltfragen im internationalen politischen Zusammenhang untersucht und nicht, wie sonst so oft, rein technisch oder naturwissenschaftlich.“

Das interdisziplinäre Institut, das 1986 gegründet wurde, bündelt die sozialwissenschaftliche Umweltforschung an der Freien Universität und ist mit zahlreichen Partnerinstituten weltweit vernetzt. Untersucht wird hier vor allem die Wechselwirkung zwischen staatlicher und globaler Umweltpolitik. Gefördert wird das international herausragende Institut etwa von der Europäischen Union, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, mehreren Bundesministerien sowie von Stiftungen.

Der Kontakt zwischen Miranda Schreurs und der Forschungsstelle ist seit Schreurs’ Gastaufenthalt in den 90er Jahren nie abgebrochen. Und so hat sich das Team nach der Emeritierung von Martin Jänicke denn auch hartnäckig in Erinnerung gerufen: „Allmählich hat sich der Gedanke, dass ich nach Berlin kommen könnte, in meinem Kopf festgepflanzt“, schmunzelt Schreurs. Und revanchiert sich prompt mit transatlantischer Mitgift: Dank ihrer exzellenten internationalen Kontakte konnte die Wissenschaftlerin schon in den wenigen Wochen seit ihrer Ankunft zahlreiche Projekte für die Forschungsstelle anstoßen: Mit verschiedenen US-amerikanischen Universitäten ist sie im Gespräch, die Kooperation „Erneuerbare Energien“ soll die Freie Universität mit der Pekinger Tsinghua-Universität verbinden, und auch die Japanische Nagoya-Universität hat schon angefragt.

Schreurs Forschungsgegenstand ist global – und so bewegt sich auch Miranda Schreurs mühelos über nationale Grenzen hinweg. Als Tochter eines Niederländers und einer in Indonesien aufgewachsenen Niederländerin, spricht die in den USA Geborene neben ihrer Muttersprache englisch auch holländisch, deutsch und japanisch. Miranda Schreurs’ Vater verließ 1957 die Niederlande, um als Postdoc an der Columbia University zu forschen. Sie selbst ist in Corning, einem kleinen Dorf im Staat New York, aufgewachsen. Noch zu Schulzeiten verbrachte Miranda Schreurs ein Jahr in Japan, reiste nach Indonesien, Korea und China. Und war schon damals vom Ausmaß der Umweltbelastung entsetzt. Als Studentin der Biologie- und Chemie protestierte Schreurs gegen die Innenpolitik des amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan, der damals in den Nationalwäldern Ansiedelungen der Industrie genehmigen wollte. „Das waren die 80er Jahre“, erinnert sich Schreurs an die Anfänge ihres umweltpolitischen Interesses. „Die Themen lagen damals ja buchstäblich auf der Straße: Tschernobyl, saurer Regen, Klimapolitik.“

Heute begeistert es Miranda Schreurs, wie das Thema Umwelt in der Politik zum diplomatischen Instrument werden kann: „Über die Umwelt lässt sich oft unverfänglicher miteinander reden, als wenn es ganz direkt um brisante politische Themen geht“, erläutert Schreurs und erzählt vom Beispiel Nord- und Südkoreas. Dort ist die Idee entstanden, den Grenzstreifen zwischen beiden Ländern in einen gemeinsamen Umweltpark zu verwandeln. Umwelt als Schlüssel zu Friedensgesprächen – „fantastisch“, findet Schreurs.

Ihr gleichermaßen starkes Interesse für Naturwissenschaften und internationale Politik hat Schreurs schließlich in ihrem wissenschaftlichen Forschungsgebiet gebündelt: Vergleichende Umweltund Klimapolitik in Europa, USA und Ostasien. Ein Vergleich etwa zwischen Japan und Deutschland zeige, so Schreurs, dass beide Länder vor ähnlichen umweltpolitischen Problemen stünden – beide seien hochbevölkert, beide starke Abfallproduzenten und in beiden Ländern gebe es zu wenig Platz, um den anfallenden Müll zu lagern oder zu entsorgen. Japan habe, was die Abfallpolitik angehe, viel von Deutschland gelernt. Und als guter Schüler – so scheint’s – gleich noch eins drauf gesetzt: Schmunzelnd erzählt Schreurs von der japanischen Stadt Kamikatsu, in der der Müll in 44 verschiedenen Behältern getrennt wird.

Deutschland kennt Miranda Schreurs – wie sollte es anders sein – vor allem aus der umweltpolitischen Perspektive. So denkt sie gerne an die Fulbright-Summer- University, mit der sie 1999 quer durch die Bundesrepublik getourt ist, um alternative Energie- und Umweltschutzprojekte zu besichtigen: die Solaranlagen im Ruhrgebiet, die Photovoltaik-Anlage am Münchener Flughafen, Windkraftwerke in Norddeutschland oder die bemerkenswerte Verwandlung der Kohleminen in Bitterfeld in ein seenreiches Touristenareal.

Dass Deutschland weltweit nach wie vor als „role model“ in Sachen Umweltforschung und -politik gilt, war für Miranda Schreurs ein starkes Argument für ihre neue Stelle. Aber auch die Forschungs- und Diskussionskultur, mit der das Thema hierzulande behandelt wird. Think Tanks etwa, in denen sich Politik und Wissenschaft vernetzen, seien in Deutschland kreative Foren für einen Perspektivwechsel. So profitiert Schreurs auch von ihrem Ausländerstatus: „Ich werde überall eingeladen, das ist natürlich eine enorme Chance für mich - aber auch für die Anderen, denn ich bringe den Blick von außen mit.“ Von ihren Berliner Studierenden ist die Amerikanerin beeindruckt: „Egal, in welchem Semester sie sind, alle haben ein gutes Basiswissen und ein viel tieferes Politikverständnis als amerikanische Studenten.“

Nach der Exzellenzentscheidung zugunsten der Freien Universität hat Miranda Schreurs viele Glückwünsche bekommen, auch von Freunden aus den USA: „Ich bin zum richtigen Zeitpunkt nach Berlin gekommen.“ In welchem Bezirk sie ihre Koffer endgültig auspacken wird, steht für Miranda Schreurs noch nicht fest. „Jetzt wohne ich erstmal am Rüdesheimer Platz. Von dort aus will ich die Stadt erkunden und dann entscheiden, wo ich bleibe.“ Vielleicht in Schöneberg oder Charlottenburg. In den USA ist Berlin jedenfalls gerade sehr angesagt als „the new center of Europe“ und „the city of creativity“. Für die Politikwissenschaftlerin Miranda Schreurs steht fest: „Die Forschungsstelle für Umweltpolitik an der Freien Universität ist für mich, ,the place to be‘!“

Mehr im Internet: www.fu-berlin.de/ffu