Springe direkt zu Inhalt

Schon als Student war er Chefredakteur

Der Intendant des DeutschlandRadios und ehemalige Student der Freien Universität, Ernst Elitz, ist heute Honorarprofessor für Kultur- und Medienmanagement an "seiner" Universität.

Der Intendant des DeutschlandRadios und ehemalige Student der Freien Universität, Ernst Elitz, ist heute Honorarprofessor für Kultur- und Medienmanagement an "seiner" Universität.
Bildquelle: DeutschlandRadio-Jonas Maron

Deutschlandradio-Intendant Ernst Elitz startete seine journalistische Karriere an der Freien Universität Berlin

Von Julia Kimmerle

Am Anfang stehen der Wille zur Freiheit und Mut zum Handeln: Im Jahr 1948 demonstrieren Hunderte von Studenten gegen politische Repressalien an der Berliner Universität im damaligen Ostsektor. Sie fordern die Gründung einer neuen freiheitlichen Hochschule im Westteil der Stadt. Und der Traum wird wahr: Am 4. Dezember 1948 feiert die Freie Universität Berlin ihre Geburtsstunde. Heute, nur 60 Jahre später, gehört sie als eine von neun deutschen Universitäten mit Exzellenzstatus zu den international anerkannten, wissenschaftlichen Top-Adressen. Das Jubiläum ist Grund genug für uns, in dieser Ausgabe und in den folgenden Beilagen gemeinsam mit Absolventen zurück zu blicken auf sechs Jahrzehnte Universitätsgeschichte. Lesen Sie heute über Ernst Elitz, den Intendanten des Deutschlandradios.

Er gehört zu den Menschen, die lieber nach vorne blicken als zurück. Und deshalb schaut er jetzt aus dem Fenster, hinaus in den Hof des Berliner Funkhauses. Hier wird gerade gebaut – das gehört zur Gegenwart des Deutschlandradios Kultur. Und die findet Ernst Elitz wesentlich spannender. Seit 1994 ist er Intendant des Deutschlandradios und dessen beiden Programmen Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk. Die meiste Zeit der Woche arbeitet er in Köln, wo die beiden Sender ihren Hauptsitz haben. Zwei Tage ist Elitz jedoch hier im Funkhaus, dem früheren Sitz des RIAS, wo er schon als Student gearbeitet hat. Wenn man ihn fragt, wie das denn so war, damals, mit den Achtundsechzigern - dann wehrt er freundlich ab: „Wissen Sie, es gibt andere Daten der jüngeren deutschen Geschichte, die größere Aufmerksamkeit verdienen als 1968“, sagt er. Wilde Geschichten erzählt er nicht – obwohl er natürlich könnte. Zum Beispiel vom Frühstück in der Kommune 1, über die er eine Reportage schreiben sollte. Letztendlich durfte er nur die Brötchen bezahlen, denn die Kommunarden schnorrten mit Vorliebe Journalisten an. Oder von einem Interview mit Theodor W. Adorno, das Elitz deutlich in Erinnerung blieb. Der Philosoph hatte sein Wohnzimmer interessanterweise mit Spitzendeckchen dekoriert. Launige Anekdoten sind aber eigentlich nicht Elitz' Sache, selten sind sie ihm mehr als einen Halbsatz wert. Das Journalistendasein empfindet er heute zwar nur als Hobby, die Arbeit als Intendant beansprucht den größten Teil seiner Zeit. Doch der Hobbystatus ändert nichts daran, dass der Journalist Elitz die Vergangenheit kritisch sieht: „In meiner Generation gibt es viele, die gern von früheren Zeiten schwärmen,wie toll das alles war - und wie toll man selbst war. Ich hoffe, das bleibt mir erspart. Ich bin eher neugierig auf das, was jetzt und in Zukunft passiert.“

Neugier – für Elitz die wichtigste Eigenschaft eines Journalisten – hat ihn in seinem Beruf weit gebracht. Schon während seines Studiums an der Freien Universität in Berlin arbeitete er beim RIAS und schrieb für „Die Zeit“. Danach ging er zum „Spiegel“ nach Hamburg, anschließend zum Fernsehen. Elitz moderierte beim ZDF „Kennzeichen D“ und das „heute-journal“, um in den folgenden zehn Jahren als Chefredakteur beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart zu arbeiten. Dass seine Karriere derart konsequent nach oben verlaufen ist, habe nicht an einer ausgefeilten Karriereplanung gelegen. Aber an einem großen Wunsch, der alles Weitere bestimmen sollte: „Ich wollte immer Journalist werden. Das wusste ich schon als Kind.“ Einen Plan B habe es nicht gegeben.

Verantwortlich für seinen Berufswunsch waren die Berliner Tageszeitungen und seine Mutter. Das beste Unterhaltungsprogramm für ihn als kleinen Jungen war das tägliche Vorlesen - was jedoch allmählich solche Ausmaße annahm, dass seine Mutter zunehmend in Zeitnot geriet. „Ich erinnere mich, dass sie dann oft sagte: Mein Gott, hoffentlich kommst du bald in die Schule und lernst selbst lesen!“, erzählt Elitz. Zum Glück für ihn und die familiäre Harmonie wurde er früh eingeschult und entdeckte schnell Tageszeitungen als spannende Lektüre : „Mit der Zeitung kam jeden Tag etwas Neues – und Bilder waren auch drin.“ Damit stand sein Berufswunsch fest: Er wusste, dass Journalisten Zeitungen machen. Und genau das wollte er auch.

Nach der Schulzeit in Prenzlauer Berg musste Ernst Elitz zunächst das Abitur zweimal machen – einmal im Osten und einmal im Westen der Stadt 1961. Direkt danach begann er sein Studium an der Freien Universität: Germanistik, Theaterwissenschaft, Politikwissenschaft und Philosophie. Für Elitz war es damals keine Frage: „Das waren die Fächer, die mich interessiert haben. Ich habe auch noch Publizistik studiert, wusste aber, dass man das nicht studieren muss, um schreiben zu können.“ Schreiben, das wusste er schon seit der Schule, lag ihm. Und so begann seine journalistische Karriere neben dem Studium: Schon als Erstsemester stellte er sich in der Feuilleton-Redaktion der damals noch existierenden Berliner Abendzeitung „Kurier“ vor. So kam der 21-Jährige zu seinem ersten Auftrag: einem Bericht über eine Lesung von Uwe Johnson in der Amerika-Gedenk-Bibliothek. „Das hat beim ersten Mal gleich so gut geklappt, dass ich weitere Aufträge bekam“, erzählt Elitz. Er hat diesen ersten Artikel, wie auch die vielen anderen, die danach kommen sollten, nicht aufgehoben. „Heute gedacht, morgen erledigt, übermorgen vorbei. Das war für mich immer die Einstellung zu meiner Arbeit“, erklärt er. Trotzdem: An seinen ersten Text über Johnson erinnert er sich auch ohne Belegexemplar noch sehr gut.

Auch an der Freien Universität engagierte sich Elitz journalistisch. Er schrieb für den „FU-Spiegel“, die damalige Studentenzeitung des AStA. 1963 wurde er Chefredakteur des mehrmals pro Jahr erscheinenden Heftes, das die Studenten der Freien Universität über Aktuelles aus der Hochschule und der Politik informierte. Als der amerikanische Präsident John F. Kennedy den Campus der Freien Universität besuchte, gab Elitz eine Sonderausgabe heraus. An der Freien Universität war er als studentischer Journalist in einer Position, die seinen weiteren beruflichen Erfolg entscheidend mitprägte. Denn er bekam die Anfänge der Studienreformbewegung und der folgenden Studentenbewegung unmittelbar mit und konnte sich so bei der „Zeit“ und dem „Spiegel“ als Experte für Bildung und Hochschulpolitik etablieren. Heute ist Ernst Elitz wieder an der Freien Universität, als Honorarprofessor für Kultur- und Medienmanagement. Außerdem ist er Mitglied im Direktorium der Berlin Media Professional School, einem fächerübergreifenden, medien- und kommunikationswissenschaftlichen Kompetenzzentrum der Freien Universität. „Eine unabhängige Institution wie die Media School soll vor allem einen intensiven Austausch zwischen Wissenschaftlern und Praktikern ermöglichen“, erklärt Elitz. Bis zum Frühjahr 2009 ist er noch Intendant des Deutschlandradios. Fragen, in welche Richtung es danach für ihn weitergeht, bremst er mit freundlicher Bestimmtheit aus: „Da bin ich genau so gespannt wie Sie.“ Und blickt nach vorne.