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Wo Zellen unter Druck geraten

Im Forum 4 des Virchow-Campus schlägt der Brutschrank Alarm. „Nicht schlimm“, winkt Jessica Kopf ab, „die Kollegen bringen das in Ordnung.“ Die 24-Jährige ist Doktorandin im Fach Biochemie an der Freien Universität, und ihre Kollegen, das sind unter anderem Ingenieure, Physiker und Mediziner. Die Labortür öffnet sich, und Florian Witt betritt den Raum. Der Mediziningenieur erklärt das Signal so: „Die Zellkulturen brauchen konstant 37 Grad. Das System warnt uns, wenn die Temperatur oder andere Parameter aus den Toleranzbereichen fallen.“

Florian Witt und Jessica Kopf gehören zu den ersten 22 Stipendiaten, die an der Berlin School of Regenerative Therapies (BSRT) promovieren. Die Schule, die auf dem Virchow-Campus der Charité ihren Hauptsitz hat, gibt es erst seit wenigen Wochen. Und auch ihr Lehransatz ist neuartig: „Wir erforschen fächerübergreifend, wie es dem Körper gelingt, sich nach Schädigungen, die nach Herzinfarkten oder Knochenbrüchen entstehen, selbst zu regenerieren“, erläutert Jessica Kopf. „Auf dieser Grundlage wollen wir neue Therapieformen entwickeln.“

Die Zellkulturen im Brutschrank könnten Wissenschaftlern helfen, Implantate zu entwickeln, die das Zusammenwachsen gebrochener Knochen fördern. Dazu werden die Zellen mechanischen und biologischen Tests unterzogen. Mit speziellen Sonden misst Witt die Reaktion des Gewebes auf einen Stimulus von außen, etwa Druck. Dann nutzt er die Daten für Simulationen, mit denen die Vorgänge im menschlichen Körper verständlich gemacht werden. Wenn mithilfe der Biotechnologin wiederum ein Materialwissenschaftler verlässliche Informationen an die Hand bekommt, kann dieser intelligente Hilfsmittel entwickeln. Implantate könnten exakt dosierte Mengen von stimulierenden Substanzen an genau die Zellen abgeben, die für die Regeneration von Gewebe verantwortlich sind.

Bei so viel interdisziplinärer Arbeit ist klar: Wer an der BSRT promoviert, muss komplexe biologische Prozesse ebenso verstehen wie technische Zusammenhänge. Und noch etwas ist Pflicht: perfektes Englisch. Denn an der neuen Graduiertenschule forschen Nachwuchswissenschaftler aus der ganzen Welt. Hendrik Werner