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Internationalisierung beginnt zu Hause

Seit September leitet Dorothea Rüland das Center for International Cooperation an der Freien Universität Berlin

Dorothea Rüland kennt Universitäten in fast allen Ländern dieser Erde. Als Abteilungsleiterin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und später als dessen stellvertretende Generalsekretärin hat sie deutsche Wissenschaft weltweit vernetzt. Seit wenigen Wochen ist Dorothea Rüland „Außenministerin“ der Freien Universität Berlin. An der Spitze des dortigen Center for International Cooperation arbeitet sie daran, das Zukunftskonzept der Hochschule in die Tat umzusetzen: den Ausbau der Freien Universität Berlin zur Internationalen Netzwerkuniversität weiter voranzutreiben.


Frau Rüland, Sie haben Universitäten und Bildungssysteme weltweit kennengelernt. Was können deutsche Universitäten in punkto Internationalität vom Ausland lernen?

Mich hat immer sehr beeindruckt, welchen enorm hohen Stellenwert Bildung und insbesondere Hochschulbildung gerade im angloamerikanischen und asiatischen Raum haben. Viele Familien in Asien sind bereit, große finanzielle und persönliche Opfer zu bringen, um ihren Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen – wenn nötig auch im Ausland. Es gibt riesige Ströme von jungen Menschen aus Asien, die weltweit nach guten Ausbildungssystemen suchen. Vor allem die angloamerikanischen Hochschulen haben sich sehr früh an den Bedürfnissen des Bildungsmarktes orientiert und sich international ausgerichtet mit weltweiten Netzwerken. In den Ingenieurwissenschaften haben die amerikanischen Graduiertenschulen teilweise einen Ausländeranteil von 50 Prozent. Studiengebühren sind dabei eine wichtige Einkommensquelle für die Hochschulen. Die Öffnung ihrer Universitäten für Studenten aus dem Ausland sichert diesen Ländern eine riesige Bildungsressource und damit gute Fachkräfte.

Also ist eine Internationalisierung der Universitäten für die Wirtschaft eines Landes überlebensnotwendig?

Ja, in Deutschland beklagen wir schon heute einen Fachkräftemangel. Wir werden langfristig darauf angewiesen sein, Experten aus dem Ausland anzuwerben. Aber auch die Lösung globaler Probleme wie Aids oder der Klimawandel erfordert eine internationale Zusammenarbeit in der Forschung. Weltweite Kooperation ist ein immanentes Thema in der Wissenschaft. In Deutschland hat man zum Glück mittlerweile erkannt, dass erfolgreiche Wissenschaft Internationalität in der Forschung und bei den Studierenden voraussetzt. Das Hochschulkonsortium „Gate-Germany“, das auf Initiative des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und der Hochschulrektorenkonferenz gegründet wurde, unterstützt seine deutschen Mitgliedshochschulen seit etwa zehn Jahren dabei, sich und ihre Studienangebote erfolgreich auf dem weltweiten Bildungsmarkt zu positionieren. Die Freie Universität Berlin ist übrigens von Anfang an Mitglied bei Gate gewesen.

Und sie will ihre weltweiten Aktivitäten noch deutlich verstärken. Internationale Netzwerkuniversität lautet das Zukunftskonzept, mit dem die Freie Universität eine von neun deutschen Exzellenzuniversitäten geworden ist. Was umfasst das Konzept?

Die Universität knüpft mit diesem Zukunftskonzept an ihre Gründungsgeschichte an. Sie ist 1948 mithilfe der Amerikaner begründet worden, Internationalität hat also von Anfang eine bedeutende Rolle gespielt. Bereits heute hat die Freie Universität Partnerschaften mit mehr als 130 Universitäten und Institutionen im Ausland, insbesondere in den USA und in China sind wir stark engagiert. Ziel ist es, die internationalen Kontakte und Verflechtungen weiter auszubauen, sowohl in der Forschung als auch in der Lehre und Nachwuchsförderung. Die Angebote der Freien Universität müssen im Ausland visibel präsentiert, Alleinstellungsmerkmale herausgearbeitet und Leuchttürme besonders beworben werden.

Heißt das, die Freie Universität sucht sich weitere Partneruniversitäten im Ausland?

Nicht unbedingt. Es geht um Qualität und nicht um Quantität. Wir müssen überlegen, wie wir Partnerschaften sinnvoll ausfüllen, angefangen vom Studierendenaustausch bis hin zu gemeinsamen Forschungsprojekten. Ziel sollte es sein, Partnerschaften zu bündeln, zum Beispiel durch gemeinsam aufgelegte Studienprogramme. So arbeitet der Fachbereich Jura der Freien Universität schon heute mit weltweit neun Universitäten im Center for Transnational Legal Studies zusammen.

Die Freie Universität Berlin besitzt Außenbüros in New York, Moskau, Peking und Neu-Delhi. Wie viele sollen noch dazu kommen?

Das lässt sich heute noch nicht beziffern. Fest steht, dass wir in Kürze ein neues Büro in Brüssel eröffnen werden, weitere im Nahen Osten und in Lateinamerika sind geplant. Solche Büros sind entscheidende Transferköpfe, mit denen die Freie Universität für sich im Ausland bei Wissenschaftlern und Studierenden werben kann, durch die sie aber auch Informationen über wichtige Entwicklungen im Ausland erhält. Die Mitarbeiter der Büros helfen, Reisen von Wissenschaftlern vorzubereiten, sie organisieren Marketingtouren und Messen und unterstützen den Studierendenaustausch. Unser Pekinger Büro hat beispielsweise einen Vertrag vorbereitet mit dem China Scholarship Council (CSC), der chinesischen Partnerorganisation des DAAD. Er sieht vor, hoch qualifizierte chinesische Doktoranden mit einem Stipendium des CSC zum Promotionsstudium an die Freie Universität zu holen. Das Pekinger Büro wird uns helfen, die geeigneten Kandidaten auszusuchen.

Welche Auswirkungen wird die Umsetzung des Zukunftskonzeptes auf Studium und Lehre an der Freien Universität in Berlin haben?

Internationalisierung beginnt zu Hause und nicht im Ausland. Es muss also mehr englischsprachige Vorlesungen geben, mehr internationale Studiengänge und eine stärkere englischsprachige Präsenz im Netz. Auch die Zahl der ausländischen Wissenschaftler und Studenten soll weiter steigen.

Wird ein Auslandsaufenthalt in Zukunft Pflicht für jeden Studenten an der Freien Universität?

Kurzfristig nein. Aber jeder Student der Freien Universität soll zumindest die Chance erhalten, Erfahrungen im Ausland zu sammeln, sei es durch ein Praktikum, einen Sprachkurs oder ein Semester im Ausland. Aber auch ein ganzes Auslandsjahr sollte weiterhin möglich sein.

Was die Mobilität ihrer Studenten angeht, ist die Freie Universität zwar schon heute führend unter den deutschen Universitäten. Aber daran muss weiter gearbeitet werden. Durch die neuen Bachelor- und Master-Abschlüsse wird sich die Form der Mobilität ändern – weg von individuell bestimmten Auslandsaufenthalten hin zu mehr strukturierter Mobilität. Universitäten werden Studierenden beispielsweise die Möglichkeit einräumen, nach einem Studienjahr im Ausland in Absprache mit der Gastuniversität den Doppel-Bachelor oder Doppel-Master zu erwerben, das heißt einen deutschen und einen ausländischen Abschluss.

Das Center for International Cooperation, das Sie leiten, ist das Kernstück des internationalen Netzwerkes. Welche Aufgabe hat es?

Wir wollen das Profil der Freien Universität als Internationale Netzwerkuniversität herausarbeiten und sichtbar machen. Dazu müssen wir wissen, in welchen Disziplinen die Universität international stark ist, mit welchen Ländern sie wie kooperiert und wo es Ausbaumöglichkeiten gibt. Ziel ist es, mithilfe dieser Erkenntnisse eine Internationalisierungsstrategie zu entwickeln. Das CIC wird sich dabei vorrangig auf die Forschung und die Nachwuchsförderung konzentrieren und eng mit der Abteilung für Außenangelegenheiten der Universität zusammenarbeiten, die den studentischen Austausch betreut. Auch mit dem Zentrum für Regionalstudien der Universität, dem Center for Area Studies, wird es eine intensive Kooperation geben. Wir verstehen uns aber auch stark als Serviceeinrichtung, die den Fachbereichen hilft, Neues zu initiieren und umzusetzen, damit sich die Universität weiter so erfolgreich präsentiert.

Die Fragen stellte Christa Beckmann.