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Der Komplize des Autors

Manzoni, Dickens, Steinbeck – Kroeber hat sie alle übersetzt.

Manzoni, Dickens, Steinbeck – Kroeber hat sie alle übersetzt.
Bildquelle: privat

Übersetzer Umberto Ecos ist neuer Gastprofessur für Poetik der Übersetzung

Von Ortrun Huber

Er ist Bundesgenosse und Spießgeselle. Er ist rechte Hand, Partner und Vermittler in der Fremde. Selbst aber nennt er sich „Komplize“, als würde er etwas Verbotenes tun: „Als Komplize versuche ich, die stilistischen Mittel und Strategien des Autors in meiner Sprache zu imitieren.“ Sein Autor, das ist – neben einigen anderen italienischen Schriftstellern – vor allem Umberto Eco. Der Semiotikprofessor aus Bologna gilt seit dem Erscheinen seines ersten Romans „Der Name der Rose“ als einer der erfolgreichsten Romanciers. Und Kroeber leiht ihm sein Sprachgefühl, seine deutsche Stimme.

Der Inhaber der August-Wilhelm-vonSchlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung im Wintersemester 2008/2009 gilt als einer der prominentesten literarischen Dolmetscher deutscher Sprache. „Die Verpflichtung Burkhart Kroebers ist für uns ein echter Glücksfall“, sagt Professor Georg Witte vom Peter-Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin: „Kaum ein Übersetzer gestaltet die Sprachwelten seiner Autoren mit einer vergleichbaren Stilsicherheit und Prägnanz.“ Burkhart Kroeber sieht seine Arbeit eher pragmatisch: „Für mich ist es vor allem wichtig, einen angemessenen Ton zu finden.“ Wie etwa spricht der greise Mönch Adson, Erzähler in Ecos „Name der Rose“, der im 14. Jahrhundert lebt? Das Deutsch dieser Zeit, das späte Mittelhochdeutsch, ist anders als das zeitgleiche Italienisch für den normalen Leser völlig unverständlich. Was also tat der Übersetzer? „Es genügte, eine Erzählweise zu finden, die irgendwie an mittelalterliche Chroniken erinnerte, also eine traditionelle und auf ironische Art altmodische Sprache“, sagt Kroeber.

Bei der Suche nach der richtigen Tonlage hilft dem Sprachmittler vor allem die Intuition. „Man kann das Übersetzen am ehesten mit der Interpretation einer Sinfonie vergleichen. Auch der Musiker braucht eine hervorragende Technik, aber ohne Intuition wird er letztlich scheitern.“ Dass der renommierte Eco-Übersetzer im kommenden Wintersemester an der Freien Universität lehren wird, verdanken die Studierenden des Peter-Szondi-Instituts auch dem Deutschen Übersetzerfonds. Der Verein mit Sitz im Literarischen Colloquium Berlin hat die August-Wilhelm-von-Schlegel-Gastprofessur initiiert und ermöglicht deren Ausstattung aus Mitteln des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien.

Den Beruf des Übersetzeers hat Burkhart Kroeber nie erlernt. 1940 geboren, studierte er Ägyptologie, Romanistik und Politologie. Nach der Promotion 1969 übersetzte er erste Sachbücher aus dem Englischen, Französischen und Italienischen, bevor er als Sachbuch-Lektor im Carl Hanser Verlag begann. Hier stieß Burkhart Kroeber 1980 erstmals auf einen italienischen Originaltext von Umberto Eco, in Form unkorrigierter Umbruchfahnen: „Da ich der Einzige im Hause war, der italienische Bücher begutachten konnte, wurde ich der erste Leser von Ecos Debütroman. Und noch während ich las, war ich davon so angetan, dass ich beschloss, alles zu tun, um sein Übersetzer zu werden.“ Der Lektor erwarb für Hanser die deutschsprachigen Rechte von „Der Name der Rose“ und übersetzte das Werk für den Verlag. Damals ein gewagtes Spiel, wie der gebürtige Potsdamer sagt, ohne ausreichende Kenntnisse des gesprochenen Italienischen und ohne einschlägiges akademisches Wissen, etwa der Mediävistik: „Ich hatte den großen Wunsch, mir dieses Buch zu eigen zu machen.“

Eine Entscheidung, die Burkhart Kroeber in die Selbstständigkeit führte und die er nie bereut hat. Italo Calvino, Andrea De Carlo, Carlo Fruttero und Franco Lucentini sowie Roberto Cotroneo hat er übersetzt, daneben einige Klassiker. Vor allem beschäftigte sich der Literaturarbeiter immer wieder mit Umberto Eco. Fast zwei Dutzend seiner Bücher hat Burkhart Kroeber bislang übersetzt – mit großer Freude: „Ich hatte in den ganzen Jahren nie das Gefühl, etwas tun zu müssen, das mir inhaltlich oder in der Zielrichtung wiederstrebte. Ich konnte dem geistigen Weg meines Autors ohne Schwierigkeiten über 20 Jahre lang folgen.“ Eben ein wahrer Komplize.

Die öffentliche Antrittsvorlesung Burkhart Kroebers findet am 30. Oktober 2008 um 20 Uhr in der Landesvertretung Baden-Württemberg statt, Tiergartenstraße 15, 10785 Berlin. (Anmeldung erbeten unter mail@uebersetzerfonds.de)