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Die schönste Formel

Mathematiker Euler stellte sie in Berlin auf

Von Ehrhard Behrends

In der zurückliegenden Kolumne der Freien Universität zum Jahr der Mathematik ist bereits von Leonhard Euler (1707–1783) die Rede gewesen, der im 18. Jahrhundert in Berlin und in St. Petersburg die Mathematik um wichtige Erkenntnisse bereichert hat. Diesmal geht es um eine von Euler in Berlin gefundene Formel, die vor einigen Jahren von Mathematikern mit deutlichem Abstand zur „schönsten Formel“ gekürt wurde. Manche denken beim Stichwort „Formel“ an trockene Mathematik; in der Schulzeit wurde man damit lange genug gequält. Hauptaufgabe von Formeln ist es aber, mathematische Gedanken übersichtlich und befreit von allem Ballast darzustellen. Wer sie lesen kann, dringt sofort zum Wesentlichen vor. Dies gilt auch für chemische Formeln, Musiknoten und technische Zeichnungen.

In Eulers Formel spielen die wichtigsten Zahlen der Mathematik eine Rolle. Da ist zunächst die Null, deren Bedeutung in Europa erst ziemlich spät erkannt wurde. Ohne die Null könnte man mit großen Zahlen nicht gut arbeiten: Erst wenn man Zahlen im Stellenwertsystem darstellt, können komplizierte Rechnungen auf das kleine Einmaleins zurückgeführt werden. Eine wichtige Rolle in der Formel spielt auch die Eins: Durch sie werden alle – auch die größten – Zahlen erzeugt, man muss nur immer wieder Einsen addieren.

Der nächste Baustein der Eulerschen Formel ist die Euler’sche Zahl, die Basis der Exponentialfunktion. Sie wird gebraucht, wenn man Wachstums- oder Zerfallsprozesse modellieren möchte. Ihr Wert ist (näherungsweise) 2,7181 … Hinzu kommt die Kreiszahl f, gesprochen „Pi“ (3,14159 …) Es ist bekannt, dass Pi für alles wichtig ist, was im Zusammenhang mit Kreisen steht. Pi ist sogar eine Zahl mit einem gewissen Kultstatus: So gibt es zum Beispiel ein Pi-Parfüm, einen Pi-Film und einen Pi-Tag (den 14. März). Jetzt fehlt in der Formel nur noch eine Zahl, die imaginäre Einheit i. Sie hat die bemerkenswerte Eigenschaft, dass i mal i gleich minus Eins ist, weswegen sie manchmal auch „Wurzel aus minus Eins“ genannt wird. Unter den Zahlen des täglichen Gebrauchs sucht man einen Kandidaten, der das leisten könnte, vergeblich. Es war auch wirklich eine Erweiterung des Konzepts „Zahl“ erforderlich, um die Zahl i und weitere sogenannte komplexe Zahlen zu erhalten. Heute gehören sie zum täglichen Handwerkszeug aller Mathematiker und Physiker sowie der meisten Ingenieure.

In der Mathematik gibt es einige wichtige Zahlen, die verschiedenen Gebieten zuzuordnen sind und die für ganz verschiedene Aufgaben maßgeschneidert wurden. Diese Vielfalt lässt sich durch eine Formel zusammenfassen, die Euler’sche Formel:

0 = 1 + eif.

Die Formel gilt Mathematikern als beeindruckendes Beispiel für die Einheit ihres aus vielen Teilgebieten bestehenden Faches. Dass sie richtig ist, konnte schon vor 300 Jahren von Euler in Berlin bewiesen werden. Doch dass es so ein verbindendes Element gibt, ist bis heute mysteriös.

Der Autor ist Mathematikprofessor an der Freien Universität Berlin.