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Geschätzte Schätze

Die Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität besteht seit 20 Jahren

Entdeckungsreise durch die Jahrtausende: Die Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität Berlin in der Charlottenburger Schloßstraße umfasst 2000 Ausstellungsstücke.

Entdeckungsreise durch die Jahrtausende: Die Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität Berlin in der Charlottenburger Schloßstraße umfasst 2000 Ausstellungsstücke.
Bildquelle: David Ausserhofer

Von Carsten Wette

Sie ist erst 20 und eigentlich schon 313 Jahre alt, sie reicht über Tausende von Jahren zurück und ist doch der Zukunft zugewandt: Am 9. Dezember 1988 wurde in der Charlottenburger Schloßstraße die Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität eröffnet. Sie zählt zu den bedeutendsten bundesweit, und allein ihre Existenz ist ein kleines Wunder. Denn dass es in Berlin eine solche Sammlung in Anknüpfung an eine alte Tradition wieder geben würde, schien nach 1945 undenkbar.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war jene weltweit größte Sammlung untergegangen, die 1695 in der Preußischen Akademie der Künste begründet, ab 1830 zu den Königlichen Museen gehörte und 1911 an die Friedrich-Wilhelms-Universität gelangt war: Ein Großteil der Exponate wurde zerstört, viele waren dem Verfall preisgegeben. Gegen eine Wiederbegründung sprach, dass bereits Anfang des 20. Jahrhunderts das Interesse an der Antike und damit an Abgüssen dieser Epoche geringer wurde – durch die Verbreitung von Impressionismus und Expressionismus hatte sich das Kunstverständnis gewandelt. „Die Antike galt nicht mehr als das normative Vorbild der zeitgenössischen Kunst“, sagt der Kustos der Abguss-Sammlung, Lorenz Winkler-Horamek. Erst in den siebziger Jahren stieg das Interesse an Abgüssen nach antiken Skulpturen wieder an. „Sie wurden nun aber weniger als Vertreter einer vorbildhaften Kunst ausgestellt, sondern als historische Zeugnisse einer Epoche“, sagt Winkler-Horamek. Damit schien die Zeit reif, an die Tradition der alten Berliner Sammlung anzuknüpfen.

Den Stein ins Rollen brachte der Archäologe Adolf Heinrich Borbein: Bei seinen Verhandlungen über die Professur für Klassische Archäologie an der Freien Universität 1977 setzte er die Forderung nach einem Neuaufbau der Abguss-Sammlung durch. Ein Jahr später schlossen die Freie Universität und die Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz einen Kooperationsvertrag, bei dem die Hochschule Trägerschaft und wissenschaftliche Betreuung der Sammlung übernahm, die Museen die Grundausstattung.

Als großes Glück für die Freie Universität erwies sich, dass 1979 der Wissenschaftler Klaus Stemmer eingestellt werden konnte, der mehr als 28 Jahre lang Kustos der Abguss-Sammlung sein würde, und dass die Gipsformerei der Staatlichen Museen in Charlottenburg noch über zahlreiche Formen antiker Exponate verfügte. Sie übereignete – nach einer Liste von Kustos Stemmer – der neuen Sammlung als Dauerleihgabe alle interessanten antiken Skulpturen, die sie auf Lager hatte. Zudem produzierte sie mit ihren Abguss-Formen Exponate in dermaßen rascher Folge, dass im Archäologischen Institut in Dahlem bald kein Platz zum Ausstellen mehr war und man auf Gebäude in Lankwitz ausweichen musste.

Doch 1985 war ein Ende der Raumnot absehbar: Der Sammlung wurde eine ehemalige Garagenhalle der Autobahnpolizei in der Nähe des Charlottenburger Schlosses und des damaligen Standortes des Ägyptischen Museums zugesprochen. Der Betonbau wurde umgebaut und erweitert. 1988 nahm die Abguss-Sammlung ihr neues Domizil in Besitz.

Während Stemmers Amtszeit wuchs die Sammlung auf rund 2000 Statuen, Büsten, Köpfe und Reliefs an, etwa jedes fünfte Stück ist eine Leihgabe aus Privatbesitz. Studenten wie Besuchern bietet sich ein unschätzbarer Einblick in antike Epochen, denn der Bogen spannt sich von der Kykladenkultur des dritten Jahrtausends vor Christus über die minoische und mykenische Kunst zur geometrischen und archaischen Plastik, von der Skulptur der Klassik und des Hellenismus zur Plastik des römischen und des byzantinischen Reiches bis etwa 500 nach Christus. Stemmer erwarb Stücke aus vielen Ländern. Ermöglicht wurde der Handel dadurch, dass die Gipsformerei Dubletten für den Tauschhandel bereithielt, zudem stellten die Freie Universität und der 1988 gegründete Förderverein Mittel für Ankäufe zur Verfügung.

Stemmers Nachfolger, Lorenz Winkler-Horamek, der im Oktober 2007 sein Amt antrat, will die Ausstellung „behutsam erweitern“: Die Exponate der römischen und griechischen Epochen sollen um Stücke aus anderen antiken Kulturen ergänzt werden, etwa der ägyptischen, vorderasiatischen oder byzantinischen. Seit jeher intensiv wird die Sammlung für Lehre und Forschung genutzt, inzwischen auch in den neuen Bachelor-Studiengängen sowie im Exzellenzforschungsprojekt „Topoi“. Studierende der Altertumswissenschaften haben in der Sammlung in vielen Fällen gelernt, Ausstellungen zu konzipieren und zu präsentieren. Mit der Exposition „Amor und Psyche – eine Erzählung in zwölf Bildern“ wird vom 30. Januar 2009 an – in Kooperation mit der Universität Rostock – eine weitere Ausstellung gezeigt, bei der einem Bilderzyklus aus dem frühen 19. Jahrhundert mit Bezügen zur Antike Abgüsse antiker Plastik gegenübergestellt werden.

Zu den Herausforderungen des neuen Kustos Winkler-Horamek gehört es, gemeinsam mit Kollegen der Humboldt-Universität den Bestand der alten Berliner Abguss-Sammlung zu erfassen und digital zugänglich zu machen, der in Depots der Staatlichen Museen in Hohenschönhausen schlummert. Damit knüpft die Sammlung an ihre eigene Vergangenheit vor mehr als drei Jahrhunderten an.

Abguss-Sammlung Antiker Plastik der Freien Universität, Schloßstraße 69 b, 14059 Berlin-Charlottenburg. Öffnungszeiten sind Donnerstag bis Sonntag 14 bis 17 Uhr; der Eintritt ist frei.