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Das Große Tropenhaus: altes Eisen – neueste Technik

Das 100-jährige Wahrzeichen des Botanischen Gartens wird wieder zu einem der modernsten Schaugewächshäuser der Welt

Fast ein Jahr lang wurde die Fassade des Großen Tropenhauses Stück für Stück wieder aufgebaut, verschweißt und schließlich in den letzten Monaten neu verglast. Im September des nächsten Jahres soll die Wiedereröffnung stattfinden.

Fast ein Jahr lang wurde die Fassade des Großen Tropenhauses Stück für Stück wieder aufgebaut, verschweißt und schließlich in den letzten Monaten neu verglast. Im September des nächsten Jahres soll die Wiedereröffnung stattfinden.
Bildquelle: Sabrina Wendling

Von Michael Krebs

Endlich ist es so weit: Mehr als 20 Monate lang musste das Große Tropenhaus im Botanischen Garten Berlin-Dahlem durch Gerüste und Planen vor den Blicken der Besucher versteckt werden – jetzt ist es wieder in voller Schönheit und mit neuer Außenhaut zu sehen.

Die zeitweise absolut staubdichte Einhausung war wegen der aufwendigen Grundsanierung des imposanten Gebäudes nötig geworden. Unter der schützenden Plane wurden zahlreiche komplizierte Arbeiten ausgeführt. Bis auf das historische „Gerippe“ des denkmalgeschützten Hauses, das stählerne Tragwerk, wurde die alte Fassade komplett abgerissen. Der historische Stahl wurde durch Sandstrahlen von alter Farbe sowie Korrosion befreit und fachgerecht saniert. Vier neue Farbschichten mit einer genau festgelegten Dicke wurden aufgetragen. Fast ein Jahr lang wurde die Fassade Stück für Stück wieder aufgebaut, verschweißt und schließlich in den vergangenen Monaten neu verglast. Nun wurden die letzten der mehr als 6720 Glasscheiben eingesetzt, sodass das Gebäude wieder dicht ist und auf das Außengerüst und die Einhausung verzichtet werden kann.

Die weltweit einmalige Bauart der Verglasung hat wesentlichen Anteil daran, dass das mehr als 100 Jahre alte Große Tropenhaus wieder zu einem der innovativsten Gebäude seiner Art wird. Erstmals werden ein hochwertiges Wärmeschutzglas, die Glas-Rezeptur „Weißglas“, eine Anti-Reflex-Beschichtung und UV-durchlässiges Zweischeiben-Sicherheitsglas miteinander kombiniert.

Der Einbau des Wärmeschutzglases – der Zwischenraum zwischen der Doppelverglasung ist mit dem schlecht wärmeleitenden Edelgas Argon gefüllt – sorgt dafür, dass der Verlust von Wärmeenergie im Vergleich zu der Nachkriegs-Eindeckung aus sechs Millimeter starkem Acryl-Glas um ein Vielfaches reduziert wird. Die Verwendung der speziellen eisenoxidarmen Rezeptur „Weißglas“ erhöht die Lichtdurchlässigkeit der Verglasung gegenüber normalem Fensterglas spürbar. Auch die Anti-Reflex-Beschichtung kommt der lichthungrigen Tropenvegetation entgegen, weil weniger Sonnenstrahlen, die das Große Tropenhaus treffen, reflektiert werden. Einiges Kopfzerbrechen bereitete dem interdisziplinären Planungsteam jedoch die vierte Komponente. Um die Besucher und Gärtner im Unglücksfall vor herabstürzenden Glassplittern zu schützen, musste das Glas im Überkopfbereich als Sicherheitsglas ausgeführt werden. Handelsübliches Sicherheitsglas lässt jedoch kein UV-Licht durch. Gerade dieser Bestandteil des Sonnenlichts wird von vielen der seltenen Pflanzenarten im Tropenhaus jedoch dringend benötigt, um ein normales Längenwachstum zu zeigen und um ausreichend Blüten und Samen für ihre arterhaltende Vermehrung bilden zu können. Um trotzdem UV-Strahlung ins Große Tropenhaus hereinzulassen, wurde eine spezielle Bauart für das Sicherheitsglas gesucht und nach aufwendigen Recherchen des Generalplaners für das Bauvorhaben, Haas Architekten BDA, auch gefunden. Allerdings ist dieses Sicherheitsglas so neuartig, dass es baurechtlich bisher nicht zugelassen war. Auf Initiative der Technischen Abteilung der Freien Universität Berlin, die das komplexe Bauvorhaben dank der ihr vom Land Berlin übertragenen Bauherrenschaft in Eigenregie koordiniert, wurden deshalb umfangreiche Untersuchungen für ein sicherheitstechnisches Gutachten in Auftrag gegeben. Eine Woche bevor die Bestellung für die Sonderanfertigung des Glases ausgelöst werden musste, hatten die Anstrengungen Erfolg: Der Antrag auf eine „Zustimmung im Einzelfall“ bei der sehr kooperativ agierenden Obersten Bauaufsicht des Landes Berlin war erfolgreich. Das weltweit einmalige Glas durfte eingebaut werden.

Die Glashülle – insgesamt wurden rund 3450 Quadratmeter Glasscheiben eingebaut – trägt wesentlich dazu bei, das Hauptziel der Grundsanierung zu erreichen: 50 Prozent des bisherigen Energiebedarfs sollen künftig eingespart werden, um die Betriebskosten zu senken und gleichzeitig die Umwelt zu entlasten. Um dieses anspruchsvolle Ziel zu erreichen, sind allerdings weitere Innovationen nötig. Die meisten von ihnen, beispielsweise die sieben hochmodernen Heizlüftungsgeräte in den Kellergewölben des Gebäudes, zielen auf eine besonders effiziente Nutzung der eingesetzten Energie. Diese Geräte sind so gebaut, dass sie sogar diejenige Wärmeenergie für die Beheizung mitnutzen, die bei der Kondensation von zu hoher Luftfeuchtigkeit im Großen Tropenhaus freigesetzt wird. Einer der beiden als riesige Tropenbäume modellierten Umlufttürme im Inneren des Großen Tropenhauses ist mit einem latenten Wärmespeicher ausgerüstet. Heizt die Sonne das Große Tropenhaus tagsüber auf, so kann ein Teil dieser Wärmeenergie temporär gespeichert und nachts zur Unterstützung der Heizung wieder abgegeben werden. Auch eine computergesteuerte Klimaregelung wurde speziell für das Große Tropenhaus entwickelt. Diese soll das Haus auf mindestens 22 Grad Celsius halten und für eine relative Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent sorgen. Weil die Klimatisierung des ungewöhnlichen Gebäudes sehr komplex ist, wurde die Software von vornherein so konzipiert, dass ein zwei- bis dreijähriges „Lernen“ möglich ist.

Wer auf die technischen Neuerungen im Großen Tropenhaus neugierig geworden ist und nicht bis zur feierlichen Wiedereröffnung im September 2009 warten möchte, kann sich im Internet über Führungstermine informieren, die im kommenden Frühjahr angeboten werden.