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Die Architektur der Berge

Stefan Schmid forscht als Alexander-von-Humboldt-Forschungspreisträger

Gemeinsam mit seinen Studenten besteigt der 65-jährige Stefan Schmid regelmäßig die schönsten Bergspitzen Europas.

Gemeinsam mit seinen Studenten besteigt der 65-jährige Stefan Schmid regelmäßig die schönsten Bergspitzen Europas.
Bildquelle: Jan Hambura

Von Jan Hambura

Die Gebirge hängen an den Wänden. Auf großen Karten sind Aus- und Querschnitte der Karpaten, Alpen und der Dinariden zu sehen. Selbst in seinem Büro an der Malteserstraße in Lankwitz ist der Basler Professor Stefan Schmid von Bergen umgeben.

Schmid ist Träger des Alexander-von-Humboldt-Forschungspreises, der mit 60 000 Euro dotiert ist und das Gesamtschaffen und die Persönlichkeit von Spitzenforschern auszeichnet. Die Freie Universität gehört gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität München zu den beliebtesten Aufenthaltsorten von internationalen Gastwissenschaftlern der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Der 65-jährige Geologe lehrte und forschte bis zu seiner Pensionierung im Juli als Professor und Vorsteher des Geologisch-Paläontologischen Instituts an der Universität Basel. Nach Forschungsaufenthalten am Imperial College London, an der University of Canberra und am Institut für Geophysik und Meteorologie in Frankfurt am Main sowie einer Gastprofessur an der Princeton University wird Schmid nun ein Jahr lang an der Freien Universität Berlin forschen.

Gemeinsam mit Professor Mark Handy von der Freien Universität wird Schmid die Struktur der Erde bis in Tiefen von rund 100 Kilometer in Zusammenhang bringen mit der Entwicklung der an der Erdoberfläche sichtbaren Gebirge. Studienobjekte sind diejenigen Gebirge Zentral- und Südosteuropas, die bei der Kollision der afrikanischen mit der europäischen tektonischen Platte entstanden sind. Die beiden Forscher werden sich dabei auf die Alpen, den Apennin, die Dinariden und die Karpaten konzentrieren. Die enge Zusammenarbeit mit Geophysikern, die die Tiefenstruktur der Erde untersuchen, soll es ermöglichen, ein Gesamtbild der Gebirgsketten oberhalb und unterhalb der Erdoberfläche zu zeichnen. „Unsere Arbeit ist vergleichbar mit der eines Detektivs. Wir haben zu Beginn nur wenige Anhaltspunkte und müssen alle Teilinformationen wie in einem Puzz le zu einem großen Bild zusammenfügen“, erklärt Schmid, der auch an der Planung des längsten Eisenbahntunnels der Welt beteiligt war: des 57 Kilometer langen Gotthard-Tunnels.

Handy und Schmid werden mit ihren wissenschaftlichen Mitarbeitern und Spezialisten vor Ort Feldforschungen betreiben. Die Geophysiker liefern dazu Daten, die auf der Auswertung von Erdbebenwellen basieren. Sie können auf diese Weise Details der Zusammensetzung der Erde in bis zu 600 Kilometern unter der Erdoberfläche bestimmen. Möglich wird das, indem bei Erdbeben die Zeit gemessen wird, die die Erdbebenwellen brauchen, um vom Bebenherd unter der Erde bis zu ihrem Austritt an der Erdoberfläche in den untersuchten Gebirgen zurückzulegen.

„Wenn ich zum Beispiel nach Bosnien-Herzegowina reise, fragen mich die Leute immer: Wieso fahrt ihr dort hin? Gibt es dort nicht schon Karten von Gebirgen?“, sagt Schmid. Er antworte dann immer: „Natürlich gibt es dort Karten und Detailbeschreibungen, aber wir möchten die Entwicklung und die Architektur der Gebirge oberhalb und unterhalb der Erde erforschen.“ Das lässt sich nicht vom Büro aus erledigen, sondern nur mithilfe von Feldforschungen und Bergexpeditionen. „Ich bin natürlich kein Alpinist“, sagt Schmid. Gemeinsam mit seinen Studenten besteigt er jedoch regelmäßig die schönsten Bergspitzen Europas. „Es ist ein Privileg, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte.“

Während seines Forschungsaufenthalts an der Freien Universität Berlin werden Schmid und Handy ein Lehrbuch über die Ergebnisse ihrer Arbeit publizieren. Das Buch wird sich mit dem Aufbau und der zeitlichen Entwicklung von Gebirgen und dem physikalischen Verständnis dynamischer Prozesse der Erde beschäftigen.