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Nur gesunde Helfer sind eine Hilfe

Eine Studie erforscht Unterstützungsangebote für Angehörige von Demenzkranken

In einem Alter zwischen 80 und 90 Jahren leidet fast jeder Dritte an Demenz. Die Betroffenen benötigen eine Rundumbetreuung, die oft Angehörige leisten.

In einem Alter zwischen 80 und 90 Jahren leidet fast jeder Dritte an Demenz. Die Betroffenen benötigen eine Rundumbetreuung, die oft Angehörige leisten.
Bildquelle: FU

Von Sabrina Wendling

Sie sind vergesslich, oft orientierungslos und verlieren ihre Selbstständigkeit: Demenzerkrankte benötigen uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Die pflegenden Angehörigen stehen mit ihrer enormen Belastung häufig allein. Wie kann man den Pflegenden helfen, die Herausforderungen einer 24-Stunden-Betreuung zu meistern? Die Freie Universität und die Technische Universität Berlin erproben derzeit im Rahmen des Forschungsprojekts „Tele.TAnDem“ gemeinsam ein neuartiges telefonisches Beratungsangebot zur Unterstützung von Angehörigen von Demenzerkrankten.

„Angehörige als mögliche unterstützungsbedürftige Gruppe wurden bislang nur unzureichend erkannt“, sagt Professorin Renate Soellner, die das Projekt am Arbeitsbereich Evaluation, Qualitätssicherung und -management am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität leitet. Sie wird gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen das innovative Beratungsangebot evaluieren. Sie will herausfinden, ob telefonische Unterstützung Angehörigen hilft, mit den Belastungen durch die Pflege besser umzugehen. Im Rahmen der Studie „Tele.TAnDem“ werden dazu 150 pflegende Angehörige in unterschiedlicher Form telefonisch beraten. „Wir wollen begründetes Wissen weitergeben, damit Angehörigen von Demenzerkrankten in Zukunft optimal geholfen werden kann“, so die Wissenschaftlerin.

Weil Demenz mit dem Verlust des Denkens, Erinnerns und der Orientierung einhergeht, benötigen Demenzkranke professionelle Pflege, die häufig die Angehörigen leisten. Im Anfangsstadium macht sich Demenz dadurch bemerkbar, dass der Erkrankte vergesslich ist und Schwierigkeiten hat, sich zeitlich zu orientieren. Schreitet die Krankheit weiter fort, so hat der Erkrankte oft Probleme beim Ankleiden oder bei Haushaltstätigkeiten. Im fortgeschrittenen Stadium erkennt der Betroffene selbst engste Angehörige nicht mehr.

Um festzustellen, ob die telefonische Beratung für pflegende Angehörige hilfreich ist, werden drei verschiedene Gruppen miteinander verglichen: Die Teilnehmer der ersten Gruppe erhalten eine psychologisch fundierte Beratung per Telefon, die zweite Gruppe bekommt – ebenfalls per Telefon – eine Anleitung für Entspannungsübungen, die dritte Gruppe dient als Vergleichsgruppe und erhält lediglich Informationen und eine Aufwandsentschädigung für ihre Zeit. Alle drei Gruppen werden vor Beginn und nach Abschluss der Studie zu ihrem Befinden befragt. So wird überprüft, ob die telefonische Beratung, deren Leitfaden von Professorin Gabriele Wilz an der Technischen Universität Berlin entwickelt wurde, eine Erfolg versprechende Methode für die Praxis ist. Um mögliche Verzerrungen in den Ergebnissen zu vermeiden, werden die 150 Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip einer der Gruppen zugeteilt. Zusätzlich werden die Angehörigen aller Gruppen danach gefragt, ob sie sich durch ihre Pflegetätigkeit belastet fühlen und inwiefern sich ihre Lebensqualität dadurch verändert hat. Außerdem wollen die Wissenschaftlerinnen wissen, wie Angehörige mit Problemen umgehen, die in der Pflege auftreten. Alle Gruppen werden darüber hinaus über bereits bestehende Hilfsangebote informiert.

Für die Studie werden derzeit noch Angehörige von Demenzerkrankten aufgenommen. „Es ist eine große Herausforderung, pflegende Angehörige zu erreichen, da sie oftmals zurückgezogen leben und sich ständig um ihren erkrankten Angehörigen kümmern müssen“, erklärt Soellner. Teilnehmen können weibliche und männliche Angehörige, etwa Ehe- und Lebenspartner, Kinder und Schwiegerkinder ab 30 Jahren, die die Erkrankten zu Hause betreuen.

Für die Teilnehmer der Studie entstehen keinerlei Kosten. Sie können selbst festlegen, zu welchen Zeiten sie von den Wissenschaftlerinnen angerufen werden möchten. „Die telefonische Beratung ist neuartig auf dem Gebiet der Unterstützung von Angehörigen“, erklärt Renate Soellner, „sie ermöglicht es Angehörigen, zu Hause für den Erkrankten da zu sein, während sie selbst Hilfe erhalten.“ Zudem ist am Telefon – anders als in den bestehenden Gruppenangeboten – eine gezielte individuelle Beratung möglich.

Das Forschungsprojekt „Tele.TAnDem“ läuft über zwei Jahre und wird vom Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen des „Leuchtturmprojekts Demenz“ gefördert. Rund 1,2 Millionen Deutsche leiden derzeit unter der pathologischen Form der Vergesslichkeit. Weil die Lebenserwartung steigt und das Erkrankungsrisiko mit dem Alter zunimmt, erhöht sich auch die Zahl der Demenzerkrankten – und damit sind auch immer mehr betreuende Angehörige betroffen. In einem Alter zwischen 80 und 90 Jahren leidet fast jeder Dritte an Demenz. Für das Jahr 2030 rechnen Experten mit 2,5 Millionen Betroffenen.

Weitere Informationen zur Studie: Forschungsprojekt „Tele.TAnDem“, Telefon: 030 / 838-56304 (Professorin Renate Soellner, E-mail: soellner@zedat.fu-berlin.de), Telefon: 030 / 314 294 39 (-40) (Professorin Gabriele Wilz, E-mail: gabriele.wilz@gp.tu-berlin.de)