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„Lieber gleich-berechtigt als später“

So lautet das Motto der Frauenrechtlerin Hanna Beate Schöpp-Schilling, die den Margherita-von-Brentano-Preis erhalten hat

Schöpp-Schilling

Schöpp-Schilling
Bildquelle: Freie Universität

Von Ortrun Huber

Sie arbeitet dafür und kämpft dagegen: Für Frauenrechte. Gegen Zwangsheirat. Für eine Quotenregelung. Gegen die Unterdrückung von Frauen. Für die Gleichstellung. Gegen Gewalt in der Ehe. Aktive Frauenförderung – für Hanna Beate Schöpp-Schilling ist das mehr als eine schöne Formulierung. Als Sachverständige im Vertragsausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) hat sie zusammen mit 22 Sachverständigen aus aller Welt dem internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen (UNO) zu Frauenrechten Gehör verschafft, seine Umsetzung in den Vertragsstaaten geprüft und Empfehlungen für deren Frauen- und Gleichstellungspolitik formuliert. Nach 20 Jahren ist die Frauenrechtlerin aus dem Gremium ausgeschieden. Für ihre Verdienste hat sie nun den Margherita -von-Brentano-Preis der Freien Universität Berlin erhalten.

„Ich bin Feministin“, sagt Hanna Beate Schöpp-Schilling. „Und Feminismus bedeutet nun einmal, zu erkennen, dass die herrschenden Verhältnisse von patriarchalischen Strukturen bestimmt sind.“ Die promovierte Literaturwissenschaftlerin prägte kein Schlüsselerlebnis. Eher war es eine Verkettung von Zufällen, die sie zur Beschäftigung mit Frauenrechten führte. Ein High-School-Jahr im prüden Amerika Ende der fünfziger Jahre und die alltägliche Diskriminierung von Frauen im Alltag der Bundesrepublik der sechziger Jahre politisieren Hanna Beate Schöpp-Schilling. „Ich war nie Teil der Studenten- oder der autonomen Frauenbewegung“, erinnert sich die 68-Jährige. Nicht Ideologien bewegten sie, sondern die Sache der Frauen. Als Assistenzprofessorin für amerikanische Literatur am John-F.-Kennedy-Institut führt Hanna Beate Schöpp-Schilling Anfang der siebziger Jahre den Begriff der „Women''s Studies“ an der Freien Universität ein. 1977 konzipiert und organisiert sie im Auftrag des Berliner Aspen Instituts ihr erstes internationales Seminar zum Sexismus in einer männerbestimmten Gesellschaft. Der Titel: Internationale Aspekte des Rollenwandels von Frau und Mann in Familie und Gesellschaft. Dem Aspen-Institut bleibt sie als Projektkoordinatorin, Assistenzdirektorin und Geschäftsführerin fast zehn Jahre lang treu. Sie ist zuständig für Veranstaltungen zu wirtschaftlichen und kulturellen, also „weichen“ Themen, zu denen auch die Frauenfrage gezählt wird – im Gegensatz zu den harten, vermeintlich „männlichen“ außenpolitischen Fragen.

Der Wunsch, etwas zu bewegen wird größer und 1987 schließlich Wirklichkeit: Rita Süssmuth, die erste Bundesfrauenministerin, sucht eine Leiterin für die neu gegründete Abteilung „Frauenpolitik“. Die Wahl der CDU-Politikerin fällt auf Hanna Beate Schöpp-Schilling. Die Literaturwissenschaftlerin ist parteilos, ihr Eintritt in ein CDU-geführtes Ministerium ein Novum. Doch als Feministin hat sie vor allem eines gelernt: Pragmatismus. „Es ging darum, möglichst viel durchzusetzen. Und ich konnte mir im Ministerium meine Unabhängigkeit bewahren.“ Dabei ist die Durchsetzung von Frauenpolitik nach ihren Vorstellungen alles andere als einfach: „Die CDU befürwortete damals keine Quotenregelung, Frauenförderung war in konservativen Kreisen für die meisten noch ein Fremdwort.“ Hanna Beate Schöpp-Schilling nimmt immer wieder Anlauf und verzeichnet Fortschritte. Unter anderem erreicht sie Verbesserungen hinsichtlich geschlechtsneutral formulierter Gesetzestexte, Müttern wird die Eingliederung in den Beruf erleichtert und Schutzmaßnahmen für Frauen vor häuslicher Gewalt werden durchgesetzt.

Dann kommt die Wiedervereinigung; für die Abteilungsleiterin eine wahre Her ausforderung: „Natürlich gab es große Hoffnung, vor allem innerhalb der westdeutschen Frauenbewegung, die positiven frauenpolitischen Regelungen der DDR zu übernehmen. Aber man kann sich natürlich nicht die Rosinen aus einem verfaulten Kuchen picken“, sagt Hanna Beate Schöpp-Schilling. Wieder gilt es, pragmatisch zu sein. Der Einigungsvertrag eröffnet mit seinem Artikel drei Möglichkeiten, die spätere Gleichberechtigungsgesetzgebung und Artikel 3 des Grundgesetzes kontinuierlich zu verbessern. Die Frauenrechtlerin schult zudem die neu eingeführten Gleichstellungsbeauftragten in Städten und Kommunen der neuen Bundesländer. Kinderbetreuungsplätze und neugegründete Frauenhäuser im Osten werden zeitweise finanziell unterstützt.

Seit Anfang der siebziger Jahre hatte Hanna Beate Schöpp-Schilling sich in Forschung, Verbandsarbeit, Vorträgen und Schulungen bereits mit Frauenfragen beschäftigt. Nun, Ende der achtziger Jahre, wird diese Arbeit auf eine neue, internationale Ebene gehoben: 1989 wird sie als Sachverständige in den UNO-Vertragsausschuss zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau berufen. Zu dessen Aufgaben gehört es, die Umsetzung des Frauenrecht-Übereinkommens zu überprüfen und allgemeine Empfehlungen an die Vertragsstaaten abzugeben, die dem Ausschuss alle vier Jahre berichten müssen.

Als Sachverständige im Ausschuss ist Hanna Beate Schöpp-Schilling unabhängig und erreicht mit ihrer Arbeit durchaus positive Veränderungen in Gesetzgebung und frauenpolitischen Programmen vieler Länder. Doch das Übereinkommen billigt dem Ausschuss pro Jahr zunächst nur eine zweiwöchige Sitzungsperiode zu. Das ist wenig, viel zu wenig um die vielen Aufgaben zu erfüllen. Erst nach und nach wird die Arbeitsperiode erweitert, sodass Hanna Beate Schöpp Schilling schließlich zwölf bis vierzehn Wochen im Jahr ehrenamtlich im Ausschuss tätig sein kann. Zusätzlich führt sie in vielen Ländern Schulungen über das Übereinkommen durch.

Hanna Beate Schöpp-Schilling prägt die Arbeit des Ausschusses: als Sachverständige, als Berichterstatterin, als stellvertretende Vorsitzende, schließlich als Vorsitzende der Arbeitsgruppe für das Zusatzprotokoll zum CEDAW, nach dem auch einzelne Frauen oder Gruppen dem Ausschuss Rechtsverletzungen berichten können. Der Erfolg ihrer Arbeit ist nicht immer direkt messbar. Aber Hanna Beate Schöpp-Schilling setzt auch hier auf Pragmatismus: „Der Vertragsausschuss ist das Beste, was wir haben. Die Alternativberichte von Frauen- und Menschenrechtsverbänden, mit denen die CEDAW-Staatenberichte ergänzt werden, eröffnen neue Möglichkeiten, um die Situation der Frauen zu überprüfen. Und die Ergebnisse verschwinden nicht mehr in den Archiven von Ministerien, sondern sind für alle Welt im Internet einsehbar.“

Die Empfehlungen des Ausschusses werden zunehmend ernst genommen, manche Regierung macht sie sogar zur Grundlage ihrer nationalen Frauenpolitik. Eine Praxis, die sich die Feministin auch für Deutschland wünscht, wo sie ohnehin ein noch stärkeres Engagement für Frauenrechte einfordert.

Hanna Beate Schöpp-Schillings Weg in die Frauenpolitik war stets von dem Motto geprägt: „Lieber gleich-berechtigt als später.“ Den Spruch hatte sie in den achtziger Jahren vom Frauenministerium auf ein Plakat drucken lassen. Es bleibe noch immer viel zu tun, findet Schöpp-Schilling: Der Deutsche Frauenrat benutzt den Slogan noch heute.


Aktive Frauenförderung

Die Freie Universität Berlin verleiht eine Auszeichnung, die Frauen- und Geschlechterstudien nicht nur würdigt, sondern auch nachhaltig unterstützt. Der Margherita-von-Brentano-Preis der Freien Universität Berlin ist mit 11 000 Euro versehen und gehört damit zu den höchstdotierten Auszeichnungen seiner Art. Gewürdigt werden innovative Projekte und Initiativen im Bereich der Frauen- und Geschlechterstudien. Der Preis ist Ausdruck des Selbstverständnisses der Universität und entspricht dem Bemühen um aktive Frauenförderung. Benannt ist er nach der Philosophieprofessorin und Feministin Margherita von Brentano, die 1970 als erste Frau in das Amt der Vizepräsidentin an der Freien Universität gewählt worden ist.