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Kältehelfer Nord

Forscher der Freien Universität entwickeln Technik für Weltraumteleskope

27.07.2009

Zwischen mannshohen Heliumflaschen im Tieftemperaturlabor liegt ein Eisbär namens „Kältehelfer Nord“. Nicht einmal Temperaturen von minus 270 Grad können das Plüschtier aus der Ruhe bringen. Ähnlich gelassen ist auch Udo Ruppert. Der promovierte Physiker an der Freien Universität Berlin baut Antriebssysteme für Weltraumteleskope: kleine Motoren, die selbst bei Temperaturen um den Nullpunkt rotieren. Kürzlich startete das bislang größte Weltraumteleskop „Herschel“ ins All – mit an Bord die Technik von Udo Ruppert und seinem Team.

Udo Ruppert war schon immer ein Bastler und Tüftler. Geboren 1943, wuchs er in bescheidenen Verhältnissen auf. So bastelte er sich schon als Schüler selbst Radios und Tonbandgeräte, reparierte Fernseher und schraubte an Motoren. Der Vater eines Freundes schusterte ihm einige Technikbücher zu: „Die habe ich verschlungen und fast auswendig gelernt, das hat mir später im Physik-Studium viel genützt.“

Seit 1982 forscht der Physiker im Tieftemperaturlabor an der Freien Universität. In seiner Arbeitsgruppe arbeiten zehn Wissenschaftler und Techniker. Im Labor verflüssigen die Forscher und Techniker Helium für die Freie Universität, das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft, das Helmholtz-Zentrum Berlin und die Technische Universität Berlin, um für Versuche Minustemperaturen von bis zu 270 Grad zu erreichen.

Schon vor rund 25 Jahren entwickelte Udo Ruppert einen Motor für ein Weltraumteleskop, der bis heute beispiellos ist. Auf den ersten Blick sieht Rupperts Spezial-Motor aus wie eine Packung CD-Rohlinge mit goldenen Platten. Dahinter steckt ein ausgeklügeltes Antriebssystem, das den hohen Anforderungen der Weltraumbehörden gerecht wird: „Die Motoren müssen im Hochvakuum und bei Tiefsttemperaturen funktionieren“, sagt der Physiker, „sie dürfen nicht mehr als einige hundert Gramm wiegen, nicht dicker sein als drei Zentimeter, müssen hochpräzise einstellbar sein, wenig Strom verbrauchen, wenig Wärme entwickeln, und sie müssen sowohl für sehr hohe als auch für extrem niedrige Drehzahlen geeignet sein.“

Den Motor und damit das Teleskop besonders kühl zu halten, ist notwendig, um möglichst hochaufgelöste Bilder von Galaxien und Planeten zu bekommen. Das Weltraumteleskop beobachtet diese im Bereich der Infrarot-Strahlung bei einer Temperatur von minus 271,5 Grad Celsius – kaum mehr als zwei Grad über dem absoluten Nullpunkt. Das Weltraumteleskop muss so kalt sein, um die Infrarot-Strahlung kalter Sterne beobachten zu können und darf nicht erwärmt werden – was aber ein gewöhnlicher Motor schon aufgrund seiner Rotation bewirken würde.

Bei vier derartigen Weltraummissionen kam das Antriebssystem von Udo Ruppert bereits zum Einsatz, bei elf weiteren Missionen wurde ebenfalls Technik aus der Arbeitsgruppe eingesetzt, etwa physiologische Messgeräte für Astronauten. Auch für den Nachfolger von „Herschel“, das „James Webb“-Teleskop, sollen die Spezialmotoren aus der Freien Universität zum Einsatz kommen. Das Nachfolge-Teleskop hat einen Spiegel von sechseinhalb Metern Durchmesser und kann damit Lichtstrahlen besonders weit entfernter Sterne einfangen: „Damit möchte man bis ans Ende des Universums, zum Urknall schauen können“, sagt Ruppert.

Wenn Udo Ruppert seine Motoren anschaut, muss er manchmal schmunzeln: „Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn man ein Gerät auf seinem Tisch hat, von dem man weiß, dass es bald eineinhalb Millionen Kilometer weit weg sein wird“, sagt er. So faszinierend er das Weltall findet – ihn zieht es nicht dort hin. Seine Motoren lässt Udo Ruppert abheben, er selbst aber bleibt bodenständig.