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Verfestigte Geschlechterbilder

Wissenschaftlerinnen der Freien Universität Berlin untersuchen die mediale Darstellung von Männern und Frauen in Spitzenpositionen

27.07.2009

„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“ Diese bekannten Worte des Soziologen Niklas Luhmann verweisen auf die Bedeutung von Presse und elektronischen Medien bei der Vermittlung und Gestaltung sozialer Wirklichkeit. In besonderer Weise gilt dies für die öffentliche Wahrnehmung von Spitzenpersonal in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Nur selten sind es eigene Kontakte, die das Bild von Regierungschefs, Ministern, Managern und herausragenden Forschern beiderlei Geschlechts prägen. Für den Großteil der Bevölkerung entstehen Vorstellungen solcher Persönlichkeiten auf der Grundlage der medialen Repräsentationen, die uns täglich erreichen. Entscheidend sind dabei nicht allein nüchterne Fakten zur beruflichen Leistung, sondern gleichermaßen Details aus dem Privatleben und visuelle Darstellungen, die Macht oder Unterlegenheit zeigen können.

In dem Forschungsprojekt „Spitzenfrauen im Fokus der Medien. Die mediale Repräsentation von weiblichen und männlichen Führungskräften in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft“ wird genau dieser Zusammenhang in den Blick genommen. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Projekt untersuchen Wissenschaftlerinnen der Freien Universität Berlin und der Leuphana-Universität Lüneburg, wie Führungspersonal in Zeitungen und Zeitschriften sowie Fernsehnachrichten und -magazinen dargestellt wird und welche Geschlechterbilder dabei zum Ausdruck kommen. Zudem werden Journalistinnen und Journalisten darüber befragt, wie ihre Auswahl der Akteure in der Berichterstattung zustande kommt und wie Stereotypen entstehen. Schließlich ermöglichen Gruppeninterviews mit jungen Frauen und Männern einen Einblick in die Bedeutung dieser Medienbilder für das Publikum. Erscheinen Frauen in führenden Positionen als positive Rollenvorbilder? Wie verträgt sich die Darstellung von Macht und Weiblichkeit in den Augen junger Frauen und Männer?

In einer Vollerhebung von 23 Medienformaten (Tageszeitungen, Zeitschriften, Fernsehnachrichten und Magazinsendungen) von April bis September 2008 wird offenkundig, dass lediglich in 14 Prozent von weiblichen Führungskräften berichtet wird. Der Vergleich zwischen den drei Gruppen macht deutlich, dass sich die mediale Darstellung von Frauen in Top-Positionen bezogen auf ihren beruflichen Hintergrund deutlich unterscheidet. Mit 20 Prozent sind Frauen in der Politik vergleichsweise häufig vertreten. In der Wissenschaft machen weibliche Führungskräfte lediglich 13 Prozent aus. Nahezu keine Rolle spielen Frauen in der Wirtschaftsberichterstattung: Ob Top-Unternehmerinnen oder Vorstand eines DAX-Unternehmens – sie stellen nur vier Prozent des Personals, über das berichtet wird. Die seit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise noch bedeutendere Wirtschaftsberichterstattung findet in den Medien nahezu ohne Frauen statt.

Im Bereich der politischen Berichterstattung scheint mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin ein Zeitenwechsel vollzogen. Ob inmitten der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen und Russlands beim G8-Gipfel in Heiligendamm oder bei der Abnahme einer Militärparade – Angela Merkel wird durchaus machtvoll in Szene gesetzt. Und die Befunde des laufenden Forschungsprojektes zeigen, dass Merkel im Vergleich zu Kurt Beck, der am 7. September 2008 und damit während der Erhebung als SPD-Vorsitzender zurücktrat, der die meisten Nennungen der männlichen Spitzenkräfte auf sich vereint, doppelt so häufig in der Berichterstattung Erwähnung fand. Doch während Merkel als Kanzlerin medial im Rampenlicht steht, trifft dies für andere Frauen in Spitzenpositionen noch längst nicht zu. Zwar erlangte beispielsweise die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries im Untersuchungszeitraum beachtliche mediale Präsenz. Dennoch zeigen die Befunde, dass alle Ministerinnen seltener genannt werden als ihre männlichen Kollegen. Obwohl das politische Spitzenpersonal generell eine hohe mediale Aufmerksamkeit erhält, sind die Ministerinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen weniger stark sichtbar. Deutlich wird daran beispielhaft, dass Medien nicht einfach ungleiche gesellschaftliche Geschlechterverhältnisse abbilden, sondern sie schaffen eine eigene Medienrealität. Sie tun dies beispielsweise, indem sie Personen, Themen und Inszenierungsweisen auswählen und andere vernachlässigen.

Um diese Prozesse erkennen zu können, sind qualitative Analysen erforderlich, die die Art der medialen Repräsentation von Frauen im Vergleich zu Männern in den Mittelpunkt rücken. So scheint etwa „Männlichkeit“ in der medialen Wahrnehmung wie selbstverständlich mit Macht und Status verbunden zu sein. Dagegen stellt sich für Politikerinnen, Managerinnen und Wissenschaftlerinnen die Balance zwischen Person und Rolle oftmals als prekär dar. Die „double bind“-Situation hat zur Folge, dass Frauen in Spitzenpositionen in den Medien entweder als machtvoll aber unweiblich bewertet werden oder sie erscheinen als attraktive Frauen, jedoch in Sachfragen als weniger kompetent. Erste Analysen im Rahmen der Studie zeigen, dass die Medienberichterstattung – insbesondere die der Boulevardmedien – immer wieder auf solche Darstellungen verfällt. Politikerinnen, Managerinnen und Wissenschaftlerinnen erscheinen in den Medien durchaus als erfolgreich und handlungsfähig, dennoch geraten Frauen und Männer unterschiedlich in den Blick. Immer wieder wird auf das Geschlecht der Akteure verwiesen und dabei Hierarchie hergestellt. In die Geschlechterstrukturen im öffentlichen Raum ist Bewegung gekommen. Gänzlich neue Bilder von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, bei denen die hierarchischen Geschlechterverhältnisse grundlegend ins Wanken geraten, sind bisher allerdings nicht in Sicht.

Margreth Lünenborg ist Professorin für Journalistik an der Freien Universität. Sie leitet ein Teilprojekt des von Bund und EU geförderten Verbundvorhabens „Spitzenfrauen im Fokus der Medien. Die mediale Repräsentation von weiblichen und männlichen Führungskräften in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft“. Tanja Maier ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Forschungsprojekts.