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Roboter-Autos auf der Überholspur

Informatiker der Freien Universität bauen am fahrerlosen Fahrzeug der Zukunft

03.09.2009

Fahrzeug mit einem Maximum an Hightech

Fahrzeug mit einem Maximum an Hightech: das autonome Auto, das von Informatikern um Professor Raul Rojas entwickelt worden ist.
Bildquelle: Institiut für Informatik

Nein, nach Science Fiction sieht dieses Auto noch nicht aus. Eher wie ein gewöhnlicher Mini-Van mit Zubehör Marke Eigenbau: ein überdimensionaler Dachträger mit zwei Antennen oder kleinen Satellitenschüsseln und einem undefinierbaren Ding an der Stoßstange. Doch auch wenn die Kfz-Konstruktion mit dem Namen „Spirit of Berlin“ rein äußerlich nicht den Erwartungen von Autofans entsprechen mag: Im Inneren verbirgt sich jede Menge Hightech – und ein großes Marktpotenzial. Denn das Auto fährt auch ohne Fahrer, die Steuerung übernehmen eingebaute Computer. Damit sich der Wagen in der Umgebung zurechtfindet und orientieren kann, liefern Lasersensoren, ein Navigationssystem und Videokameras die nötigen Informationen, die dann in kürzester Zeit von den eingebauten Rechnern verarbeitet werden. „Autonome Fahrsysteme können die Mobilität in Zukunft erheblich verändern“, sagt Raúl Rojas, Professor für Künstliche Intelligenz am Institut für Informatik der Freien Universität. „Sie sind vielseitig einsetzbar: Als autonome Fahrzeuge könnten sie Gelände schützen, als Assistenzsystem die Fahrer im Straßenverkehr unterstützen, indem sie ,mitdenken‘.“

Autonome Fahrzeuge sind nicht nur ein spannendes Forschungsfeld für Informatiker. Sie haben auch das, was Forschung für die Wirtschaft interessant macht: Marktpotenzial. Doch so gut die Forschungsergebnisse oft sein mögen, auch für ein selbstfahrendes Auto wäre der Weg auf den Markt lang und unbequem: eine Durststrecke, die Universitäten und Wissenschaftler aus eigener Kraft häufig kaum überwinden können. Um das Innovationspotenzial an Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen besser zu nutzen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Förderprogramm ForMaT ins Leben gerufen. ForMaT steht für „Forschung für den Markt im Team“ und soll Ergebnisse aus der öffentlichen Forschung schneller für die Wirtschaft nutzbar machen. „Für uns ist ForMaT eine ausgezeichnete Möglichkeit, unsere Forschung so voranzutreiben, dass wir nach Abschluss der Förderung tatsächlich marktreife Anwendungen kommerziell anbieten können“, erklärt Rojas. Das Projekt seiner Gruppe „AutoNOMOS“ wird intelligente Technologien im Bereich Fahrerassistenz und Fahrzeugsteuerung weiterentwickeln und zur Marktreife bringen.

Die erste Förderphase hat das Team von Professor Rojas bereits erfolgreich durchlaufen. Schon vor zwei Jahren haben er und seine Mannschaft das erste autonome Fahrzeug entwickelt und der Öffentlichkeit präsentiert. „Eigentlich wollte die Berliner Polizei damals ein fahrendes Gerät zur Überwachung weiträumiger Gelände haben. Doch in einen kleinen Roboter hätte nie die ganze Technik hineingepasst, die für die entsprechende Autonomie und Reichweite notwendig ist. Deshalb haben wir diesen Mini-Van gekauft und umgebaut“, sagt Rojas, der die ungewöhnliche Geschichte des ersten selbstfahrenden Autos schon oft erzählen musste. Das Auto hat er nämlich in Kanada über Ebay ersteigert – praktischerweise mit behindertengerechter Ausstattung, etwa einem Joystick zum Gasgeben. „Das hat uns viel Geld beim Umbau gespart.“

Mit Unterstützung der Berliner Polizei, der Fraunhofer-Gesellschaft, IBM Deutschland und der Firma MicroEpsilon rüsteten Rojas und sein Team das Auto zügig um: Gas, Bremsen und Lenkung werden elektronisch gesteuert – oder bei Bedarf per Knopfdruck auf einen „echten Fahrer“ umgestellt. Weitreichende Sensoren und Videokameras erkennen nicht nur die Position des Fahrzeugs, sondern auch die anderer Verkehrsteilnehmer und Hindernisse. Vom Prinzip her kommt „Spirit of Berlin“ den fiktiven Superfahrzeugen aus JamesBond-Filmen schon ziemlich nahe. „Nur optisch könnte man vielleicht noch etwas nachbessern“, sagt Rojas. Obwohl er natürlich am besten weiß, dass alleine die zwei Lastwagen-Batterien, die für die Bord-Computer und die automatische Steuerung notwendig sind, jedes Sportwagen-Chassis sprengen würden.

Bis ein vollständig autonomes Fahrzeug auf den Markt kommt, dürfte es noch einige Jahre dauern, einzelne Komponenten des „Superautos“ könnten dagegen schon früher eingesetzt werden, ist Rojas überzeugt: „Mit Fahrerassistenzsystemen könnten beispielsweise Linienbusse die Haltestellen automatisch anfahren, ohne die Bordsteinkante zu berühren – so würden die Verkehrsbetriebe enorm viel Geld für Reparaturen einsparen.“ Auch Straßenkehrmaschinen könnten automatisch im richtigen Abstand zu parkenden Autos oder zur Häuserwand fahren. Allein in Berlin entstehen jedes Jahr Unfallschäden in sechsstelliger Höhe, weil Kehrmaschinen den Abstand nicht einhalten.

Ob Kehrmaschine, Überwachungsfahrzeug oder Linienbus: Mit den Anwendungen von AutoNOMOS könnten Autonomie- und Assistenzsysteme für die verschiedensten Fahrzeugtypen und Einsatzgebiete angeboten werden. „Da es sich um einen Software-Baukasten handelt, lässt sich das System individuell anpassen“, erklärt Rojas. Sein Forschungsgebiet könne dazu beitragen, den Straßenverkehr bald intelligenter fließen zu lassen, da ist er sich sicher: „Künstliche Intelligenz ist die Wissenschaft, um die Dinge zu entwickeln, die man sonst nur in Science-Fiction-Filmen sieht.“