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Vize-Weltmeister im Roboterfußball

Informatiker und Elektrotechniker der Freien Universität siegreich bei den Weltmeisterschaften

03.09.2009

Eingespieltes Team: Trainerin Gretta Hohl und Ballprofi Lea

Ein eingespieltes Team: Trainerin Gretta Hohl und Ballprofi Lea.
Bildquelle: Sabrina Wendling

Von Sabrina Wendling

Monatelang wurde an der Spieltechnik gefeilt, und die Trainer hatten einige schlaflose Nächte. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Graz würde man sich mit Spielern aus China, Japan, Iran und Brasilien messen müssen. Doch auf dem Feld gaben sich Lea, Eve, Bob und Tim als echte Profis: Sie kassierten keine gelben und roten Karten, lancierten feinsäuberlich einen Ball nach dem anderen ins Tor und mussten sich erst im Endspiel gegen Darmstadt geschlagen geben: Der Jubel ist riesengroß, das Team der Freien Universität Berlin ist Vize-Weltmeister im Roboter-Fußball!

Trainerin Gretta Hohl und Spielerin Lea verstehen sich blind – ohne Blickkontakt. Sie kommunizieren per W-Lan miteinander. Gretta programmiert, Lea führt aus – oder auch nicht. Das hängt ganz von der Tagesform der Fußballspielerin ab. Die 23-jährige Informatik-Studentin beschäftigt sich damit, Robotern das Fußballspielen beizubringen. Sie schreibt gerade ihre Diplomarbeit über das Thema „Kooperative Planung für autonome humanoide Fußballroboter“. Gretta feilt an einer Software, mit der die Automaten zu Fußballprofis werden.

Seit drei Jahren nehmen die Sportskanonen der Freien Universität teil an den Weltmeisterschaften im Roboterfußball, dem „RoboCup“. Ein Jahr lang machen rund 15 Studierende aus Robotern Fußball-Profis. Die Fußball spielenden Roboter sind ein Projekt der Arbeitsgemeinschaft „Künstliche Intelligenz“ am Institut für Informatik der Freien Universität Berlin unter der Leitung von Professor Raul Rojas. Das Projekt wurde betreut von Hamid Reza Moballegh, der über die Fußballroboter promoviert. Die meisten der Trainer sind Informatiker, aber auch zwei Elektrotechniker sind im Team. An den Robotern zu schrauben, ist ein echter Fulltimejob: „Unsere Roboter trainieren viel, viel mehr als die richtigen Fußballspieler“, meint Gretta Hohl.

Was als wissenschaftliches Projekt begann, wurde für Gretta Hohl zum Hobby – zu einer regelrechten Roboter-Sucht: „In den vergangenen Wochen und Monaten habe ich teilweise zehn Stunden am Tag, auch am Wochenende, mit den Robotern zugebracht“, sagt sie, „wenn man einmal damit angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören.“

Lea ist Grettas Lieblings-Roboterdame. Alle Roboter sind nur 60 Zentimeter groß, wiegen knapp fünf Kilogramm und jagen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 Zentimetern pro Sekunde dem Ball hinterher. Wenn Gretta ihrer Spielerin bis spätabends Tricks beibringt und dann alles funktioniert, gehen beide gut gelaunt schlafen. Oftmals aber zeigen sich die Roboter am nächsten Morgen von ihrer fast menschlichen Seite: „Wenn ich am Tag darauf schaue, ob Lea die neue Technik noch immer beherrscht, habe ich manchmal das Gefühl, sie sei ein Morgenmuffel“, sagt Gretta, „sie braucht dann erst eine Weile, um wieder in die Gänge zu kommen und ist etwas bockig.“

Die Köpfe der Roboter verfügen über ein paar ganz spezielle „Sinnesorgane“ : Lea, Eve, Bob und Tim nehmen Ball, Tor und Mitspieler per Videokamera-Augenpaar wahr und scannen ihre Umgebung nach Farben ab. Die eigenen Trikots sind magentarot oder cyanblau, Feldlinien auf dem grasgrünen Teppich weiß markiert. Die Videodaten werden von einem Rechner im Kopf der Roboter verarbeitet, der die Größe eines Kaugummistreifens hat. Er berechnet, wie die Umgebung aussieht, wie weit also das Tor, die Gegner, eigene Spieler und der Ball von ihm entfernt sind. Per Funkverbindung kommunizieren sie ihre Ergebnisse untereinander. Jeder Roboter entscheidet dann selbst, ob er nach vorne stürmt oder verteidigt.

Nur drei Roboter einer Mannschaft dürfen bei einer Weltmeisterschaft aufs Spielfeld, ein Spieler bleibt auf der Ersatzbank sitzen. Die Universitäts-Mannschaft reiste nicht in der Business Class nach Graz, sondern mit leicht eingeschränkter Beinfreiheit im Koffer – und in den Autos ihrer Trainer. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr erregte das Team der Freien Universität am Flughafen großes Aufsehen, als es bei den Sicherheitskontrollen die Koffer öffnen musste, und Roboter mit Kameraaugen den Beamten zuzwinkerten.

„Mit Fußball konnte ich eigentlich nie viel anfangen“, sagt Gretta Hohl, „erst mit der Fußballweltmeisterschaft 2006 habe ich angefangen, etwas mitzufiebern.“ Wegen der Roboter hat sie sich mit den Fifa-Regeln beschäftigt, die in abgewandelter Form auch für die Roboter-Teams gelten, um so beurteilen zu können, ob der Schiedsrichter zu Recht rote und gelbe Karten verteilt.

Für 2010 hat sich das Trainerteam fest vorgenommen, seine Fußballprofis zum Weltmeistertitel zu führen – parallel natürlich zu einem WM-Sieg der deutschen Fußballnationalmannschaft in Südafrika.